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Interview mit Hildegard Vera Kaethner

Hildegard Vera Kaethner gehörte zu den Unterzeichnern des Gründungsaufrufs des Neuen Forums. Die Brandenburger Freiheit sprach mit der Juristin und Bürgerrechtlerin über ihr Engagement im Rat für ethische Aufklärung und ihre Nominierung für die Wahl zur Verfassungsrichterin am Brandenburger Landesverfassungsgericht.

BF: Als Bürgerrechtlerin gehörten Sie 1989 zu den Unterzeichnern des Gründungsaufrufs des Neuen Forums. Wie sind Sie ’89 zum Neuen Forum gekommen?

H. V. Kaethner: Damals wohnte ich gegenüber der Zionskirche in Berlin, in der sich auch die Umweltbibliothek befand und die ein wichtiger Treffpunkt für Oppositionelle war. Dort musste ich mitansehen, wie Menschen in die Autos der Stasi gezerrt wurden, nur weil sie auf dem Weg in die Kirche ihre Kerze zu früh anzündeten.
Die Missstände waren überall zu spüren, vor allem die Lücken, die durch die unaufhaltsame Flucht von DDR-Bürgern ins Ausland entstanden. Diejenigen die bleiben und die Verhältnisse ändern wollten, trafen sich damals in konspirativen Wohnungen, um sich über Wege aus der Krise auszutauschen. Den Kontakt zum Neuen Forum erhielt ich über die Zahnärztin Jutta Seidel, bei der ich damals zufällig in Behandlung war. Jutta Seidel war eine der drei Gründerinnen des Neuen Forums in Berlin.

BF: Aktuell engagieren Sie sich im Rat für ethische Aufklärung. Wofür steht dieser Rat und wie gehen Sie vor, um das Anliegen des Rates zu verwirklichen?

H. V. Kaethner: Der Rat hat 4 Mitglieder: Kathrin Ruttloff, Roald Hitzer, Ralf Lorenz und ich. Für die Beschlüsse und Publikationen des Rates haben wir Einstimmigkeit verabredet. Jeder von uns besitzt also ein Vetorecht. Ein Grundanker unserer Arbeit sind Gespräche mit anderen Initiativen und Aktivisten, wegen des Einstimmigkeitsprinzips wollen wir den Rat aber nicht erweitern.
Der Rat sieht sich grundsätzlich als Gegenentwurf zum Deutschen Ethikrat. Wir wollen keine willkürlichen Thesen, die – zumal evidenzfrei – der Gesellschaft vorgegeben werden. Unser Ziel ist es, für Aufklärung zu sorgen und die Geschehnisse in der Corona-Krise aufzuarbeiten. Am Ende dieses Prozesses sollte die Frage, in welchem Umfang Unrechtsmaßnahmen exekutiert wurden, im gesellschaftlichen Diskurs geklärt sein.

BF: Will der Rat auch juristisch gegen die Verantwortlichen vorgehen?

H. V. Kaethner: Nein. Wir setzen auf Gespräche und wollen die bewährte Form der Runden Tische wiederbeleben. Wir sehen die Notwendigkeit, diese Gespräche in einem größeren Rahmen durchzuführen, z. B. auf Länderebene. Die Runden Tische sollen dabei überparteilich sein und auch Oppositionelle beteiligen. Die Schirmherrschaft könnte bei den Landtagen liegen.

BF: Wie realistisch ist es, dass es zu Runden Tischen in der beschriebenen Form überhaupt kommt?

H. V. Kaethner: Das wird wesentlich vom Druck der Straße abhängen. Der Erfolg der Demonstrationen hängt von vielen Faktoren ab. Zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich die nackte Existenzangst bei den Menschen als Hauptmotiv für ihre Beteiligung an den laufenden Protesten. Die wirtschaftliche Situation oder andere Krisenszenarien zu den Themen Energie und Krieg können diesen Prozess aber auch negativ beeinflussen.

BF: Die Bundestagswahlen liegen erst ein Jahr zurück. Aktuell trifft die Bundesregierung Entscheidungen zu Fragen, die im Wahlkampf kaum eine Rolle gespielt haben. Sehen Sie die Regierung für so weit reichende Beschlüsse wie die Lieferung von Waffen in ukrainisches Kriegsgebiet oder die von Wirtschaftsminister Habeck angesprochene gesellschaftliche Transformation hinreichend legitimiert?

H. V. Kaethner: Ich denke vielen Bürgern wird gerade klar, dass der bisher geleistete Vertrauensvorschuss zu groß ist. Das hat Konsequenzen. Wir müssen über Änderungen am Wahlgesetz nachdenken. Der Bürgerwillen muss effizienter umgesetzt werden. Auch dieser Punkt gehört auf die Tagesordnung bei den Runden Tischen.
Das Ziel muss ein Bewusstseinswechsel bei den politisch Verantwortlichen sein. Sie sollen verstehen: Der Souverän ist das Volk!

BF: Lassen Sie uns zum Abschluss des Gespräches noch über Ihre Nominierung zur Richterin am Brandenburger Verfassungsgericht reden. Wie kam es dazu?

H. V. Kaethner: Das Gericht ist zu je einem Drittel aus Berufsrichtern, anderen Juristen und Nicht-Juristen besetzt. Aufgrund des Ausscheidens einer Person wurde eine Neubesetzung notwendig. Dazu kann jede Landtagsfraktion einen Vorschlag unterbreiten. Die Wahl der AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag fiel auf mich.

BF: Vorschläge der AfD werden von den anderen Parteien meist allein deshalb abgelehnt, weil sie von der AfD kommen und das in der Regel auch mit großer Einigkeit. Sehen Sie für Ihre Kandidatur eine realistische Chance?

H. V. Kaethner: Nun, ich bin parteilos. Außerdem bin ich fraktionsloses Mitglied im Kreistag des Landkreises LOS und zähle mich grundsätzlich zu den unabhängigen und selbst-denkenden Menschen. Mein Anliegen ist es, den noch aus der Wendezeit stammenden Geist der Brandenburger Landesverfassung wieder zu beleben und fester zu implementieren. Evidenzlose und unverhältnismäßige Grundrechtseinschränkungen dürfen sich nicht noch einmal wiederholen. Von diesem Anliegen würde ich auch gern die Mitglieder der anderen Landtagsfraktionen überzeugen. Ich vertraue darauf, dass sie mir unvoreingenommen die Gelegenheit geben, mich als Bürgerin
zusammen mit meinen Anliegen vorzustellen.

BF: Vielen Dank für das Gespräch.

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  • Beitrags-Kategorie:Politik