An Veltens Gymnasium gab es vor knapp drei Wochen ein Paradebeispiel von undemokratischen Verhalten im Rahmen einer Veranstaltung zur „Demokratiestärkung“ der Schülerschaft. Gabriele Schade berichtet, wie es dazu kam und was sie dort erlebt hat.
Am Freitag den 6.9.2024 sollte am Hedwig-Bollhagen-Gymnasium in Velten eine Austellung der Friedrich-Ebert-Stiftung mit dem Thema „Demokratie stärken-Rechtsextremismus bekämpfen“ eröffnet werden [1]. Es war angekündigt, dass die stellvertretende Bürgermeisterin Frau Colin-Feeder die Eröffnungsrede halten wird. Da an Schulen das Neutralitätsgebot gilt und die Friedrich-Ebert-Stiftung bekanntermaßen eine SPD-Stiftung ist und außerdem gut zwei Wochen später die Landtagswahlen stattfinden sollten, nutzte ich die erste Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 29.8.2024 und befragte in der Einwohnerfragestunde die Bürgermeisterin Frau Hübner hinsichtlich meiner Bedenken. Sie wies daraufhin, dass die Trägerschaft der Schule beim Landkreis liege und sie mir daher nichts dazu sagen könne. Ich sollte mich an den Schulleiter wenden und zur Eröffnungsfeier gehen, um dort meine Fragen stellen. Diesen Hinweis nahm ich dankend an.
Der Termin war zu diesem Zeitpunkt weder im Kalender der Schule noch auf der Seite der Friedrich-Ebert-Stiftung auf der Homepage vermerkt. Das ließ mich vermuten, dass die Ausstellung vielleicht kurzfristig aufgrund der anstehenden Landtagswahlen anberaumt wurde. Die veröffentlichten Umfragen vor der Wahl zeigten an, dass es für die SPD durchaus knapp werden könnte. Eine Verbindung zur Friedrich-Ebert-Stiftung könnte durch Annemarie Wolff (SPD) hergestellt worden sein [2] Sie arbeitet dort und ist Abgeordnete im Kreistag. Außerdem hat sie im Hedwig-Bollhagen-Gymnasium ihr Abitur gemacht.
Zunächst schrieb ich dem Schulleiter Herrn Martin eine Email und bat um Stellungnahme in Bezug auf das Neutralitätsgebot mit Verweis auf den Beutelsbacher Konsens [3]. Auch wies ich auf die zeitliche Nähe der stattfindenden Landtagswahlen hin.
Am darauffolgenden Tag erhielt ich folgende Antwort:
Sehr geehrte Frau Schade,
die geplante Ausstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung verbietet sich keineswegs im Rahmen einer schulischen Ausbildung. Das Schulgesetz sieht vor, dass wir unseren Schülerinnen und Schülern entsprechende Inhalte zur Demokratieentwicklung beibringen.
„Brandenburger Schulen unterstützen die Schülerinnen und Schüler, Toleranz und Demokratieverständnis als Werte einer offenen Gesellschaft zu verstehen und gegen Extremismus in all seinen Erscheinungsformen, gegen Rassismus sowie gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit einzutreten. Demokratiebildung ist deshalb nicht nur notwendiger Bestandteil des Fachunterrichts, sondern Aufgabe der Schul- und Unterrichtsentwicklung insgesamt. Die Umsetzung erfolgt an den Schulen sehr vielfältig, z. B. in Projekten, Planspielen und Simulationen, die demokratische Willensbildung und Entscheidungsfindung erfordern. Weitere Gelegenheiten ergeben sich z. B. im Klassenrat, in der Gremienarbeit der Schule und im Rahmen von Exkursionen an außerschulischen Lernorten.“ (Quelle: MBJS)
Diese Fakten sind auch über den 5-Punkte Plan des MBJS zur Stärkung der politischen Bildung an Brandenburger Schulen geregelt. Bei der Ausstellung wird nicht gegen den Beutelsbacher Konsens verstoßen. Es geht um die sachliche und neutrale Auseinandersetzung mit dem Thema Demokratie und Rechtsextremismus. Es gibt Informationen über die Wichtigkeit von Demokratie und Erscheinungsformen von Rechtsextremismus.
Es ist nicht so, dass Schule ein neutraler Ort ist. Ganz im Gegenteil, wir haben die Pflicht und den Auftrag, unsere Schülerinnen und Schüler zu demokratischen und mündigen Bürger*innen auszubilden. Ich verweise diesbezüglich auch nochmal auf den Paragraphen 4 des brandenburgischen Schulgesetzes.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Martin
Schulleiter
Auf die zeitliche Nähe zu den Landtagswahlen ist er leider nicht eingegangen. Dazu wollte ich ihn dann bei der Ausstellungseröffnung noch einmal befragen.Doch leider kam es nicht dazu.
Einen Tag vor der Eröffnungsfeier erhielten die Stadtverordneten eine Nachricht von der Verwaltung. Darin wurde mitgeteilt, dass diese nichtöffentlich sei und nur geladene Gäste anwesend sein dürften. Das verwunderte mich doch sehr. Da mir allerdings von der Bürgermeisterin Frau Hübner angeboten wurde, an der Eröffnungsfeier teilzunehmen, ging ich am darauffolgenden Tag gegen 10 Uhr zum Gymnasium.
Dort traf ich die beiden Stadtverordneten Frank-Peter Kühl (AfD) und Robert Wolinski (Die Heimat). Obwohl die AfD die größte Fraktion im Stadtparlament ist und durchaus ein Interesse aufgrund der anstehenden Landtagswahlen hätte bestehen müssen, war kein weiterer Stadtverordneter zugegen.
Beim Betreten des Schulhofes öffnete sich ein Fenster im Erdgeschoss und eine Mitarbeiterin der Schule sprach uns an.Wir antworteten freundlich, dass wir an der Ausstellungseröffnung teilnehmen möchten. Sie verwies darauf, dass die Veranstaltung nichtöffentlich sei und die Stadtverordneten darüber informiert worden seien. Ich erklärte ihr, dass ich Fragen zu der Ausstellung habe und Frau Hübner mich auf die Veranstaltung verwiesen hatte. Da das Gymnasium in der Trägerschaft des Landkreises sei, hätte Frau Hübner keine Befugnis Einladungen auszusprechen, erhielt ich als Antwort. Herr Wolinski wollte wissen, warum Stadtverordnete nicht zugelassen seien und um was es inhaltlich bei dieser Austellung gehen würde. Dann kam ein jüngerer Lehrer mit an das Fenster und unterstützte seine Kollegin. Ich machte sie darauf aufmerksam, dass das Ausschließen von Stadtverordneten und interessierten Bürgern höchst undemokratisch sei und dem Thema der Ausstellung widersprechen würde. Man erklärte uns, dass wir im Internet Informationen darüber finden würden. Die Schulklassen würden im Rahmen des Unterrichtsfaches „Politische Bildung“ die Ausstellung besuchen. Diese würde zwei Wochen in den Räumen des Gymnasiums verbleiben. Es gab jedoch kein Entgegenkommen. Mittlerweile war es schon nach 10 Uhr und im Hintergrund des Raumes stand der Schulleiter Herr Martin und schaute in unsere Richtung. Allerdings unterstütze er nicht seine Kollegen, die angestrengt versuchten, uns loszuwerden. Wir verließen dann das Schulgelände. Vorher merkte ich jedoch noch an, dass ich fast 10 Jahre lang im Förderverein der Schule als Schatzmeisterin tätig war und mir die frühere Schulleiterin bei meiner Verabschiedung sagte, dass ich jederzeit ein gern gesehener Gast an der Schule sein werde.
Stadtverordnete und interessierte Bürger von einer Veranstaltung auszuschließen, die junge Menschen demokratisch stärken soll, ist undemokratisch. Es müsste doch gerade an einer weiterführenden Schule von Interesse sein, auch andere Meinungen zuzulassen und darüber zu diskutieren. Scheinbar ist dieses, jedenfalls an Veltens Gymnasium, nicht gewollt. Doch die Ergebnisse der letzten drei Landtagswahlen haben gezeigt, dass die Jugend sich nicht mehr an den Meinungskonformismus hält und die politische Indoktrination durchschaut. Das gibt ein wenig Hoffnung für die Zukunft.
[1] https://www.fes.de/gegen-rex
[2] http://akademia-berlin.de/wir-ueber-uns/landesvorstand/annemarie-wolff
[3] https://www.bpb.de/die-bpb/ueber-uns/auftrag/51310/beutelsbacher-konsens/