Im Hauptausschuss der Oranienburger SVV eskaliert der Vorsitzende Dirk Blettermann (SPD) mit schwerem Vorwurf gegen die AfD-Fraktion. Folgen nun rechtliche Schritte gegen den Oranienburger SVV-Vorsitzenden?
Die Hintergründe
„Willkommen in Oranienburg“ ist der Name eines eingetragenen Vereins, der nach eigenen Angaben Geflüchtete unterstützen und eine Willkommenskultur in der Stadt schaffen will [1]. Seit dem 01.03.24 betreibt der Verein eine Begegnungsstätte im Oranienburger Oranienwerk für Menschen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte. Er tritt dort als Mieter auf. [2]
Doch die Finanzierung für das kommende Jahr ist durch das Ende der Wahlperiode im Brandenburger Landtag und dem damit verbundenen Ende der alten (noch amtierenden) Landesregierung nicht gesichert. Veranstaltungsangebote, Miete, Strom und Minijobs sind in Gefahr. [2]
Konkret geht es um 40.000 Euro, die der Verein aus Landesmitteln bezog. Der Landkreis steuert weitere 20.000 Euro bei, steht zu seiner Zusage und wäre nach Angaben der Stadtverwaltung Oranienburg wohl auch bereit, temporär eine gewisse Lückenfinanzierung abzusichern [3]. Die Stadt selbst winkt an dieser Stelle ab. Die gesamte Finanzierungslücke sei für sie nicht zu stemmen [3].
Keine Überraschung (Teil 1)
Politische Rückendeckung erhält der Verein in der Oranienburger Stadtverordnetenversammlung von der Fraktion B’90/Die Grünen. Per Antrag im Hauptausschuss wollte sie Bürgermeister Laesicke damit beauftragen, „sich in der Stadt sowie auf Kreis- und Landesebene dafür einzusetzen, dass die tägliche Integrationsarbeit von „Willkommen in Oranienburg“ am etablierten Standort im Oranienwerk weitergeführt werden kann“ [2]. Außerdem sollte die Stadtverwaltung bis zum Jahresende eine Alternative für einen geeigneten, festen Raum für die etablierten Angebote der Begegnungsstätte von Willkommen in Oranienburg vorschlagen [2].
Die Antragstellerin verwies auf die Angebote des Vereins an 7 Tagen die Woche jeweils von 11-20 Uhr. Allein in den Monaten September bis Oktober habe der Verein 179 Veranstaltungen durchgeführt, darunter Sprachkurse, Kunst- und Kreativwerkstätten und psychologische Beratung. [2]
Keine Überraschung (Teil 2)
Dass der Antrag bei der AfD-Fraktion auf wenig Gegenliebe traf, dürfte niemanden überraschen. Schließlich ist die Partei für ihre Kritik an der Migrationspolitik bekannt.
Ausschussmitglied Grit Hörig bemängelt, dass der Antrag die Kosten nicht benennt und mahnt zum verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeldern. Sie hinterfragt die Notwendigkeit zusätzlicher Räume und will wissen, warum vorhandene Räume in Gemeinschaftsunterkünften nicht genutzt werden. Außerdem will sie wissen, wer eigentlich die Zielgruppe des Vereins sein soll. Personen mit deutschem Pass gelten schließlich als integriert, Ausreisepflichtige hätten keine Bleibeperspektive und Asyl sei nun einmal ein Bleiberecht auf Zeit. Alternative Angebote wie der interkulturelle Treff in Lehnitz sollten Berücksichtigung finden. Solange ähnliche Angebote für Rentner oder sozial Benachteiligte Fehlen, wolle die Fraktion nicht zustimmen.
Die in der gebotenen Kürze vorgetragene Stellungnahme begründete also nicht nur die Ablehnung der Fraktion sondern zeigte auch Alternativen zum Antrag auf. Sie war folglich konstruktiv.
Der Auftritt des Dirk Blettermann (SPD)
Dass Dirk Blettermann den Antrag der Bündnisgrünen unterstützen wollte, zählt ganz sicher nicht zu den Überraschungen dieser Ausschusssitzung. Blettermann ist auch für die eine oder andere rhetorische Spitze bekannt. Doch an diesem Abend erreichte sein Beitrag eine neue Qualität.
Mit Verweis auf die von der AfD-Fraktion vorgetragene „Bemerkung“ meinte Blettermann: „Sie wollen ja auch Frauen und Kinder erschießen.“ [3] und um klarzustellen gehen, dass er es ernst meinte, fügte Blettermann auf einen Zuruf noch an: „Ja, ich hoffe, dass das viele gehört haben.“ [3]. Blettermann berief sich auf entsprechende Äußerungen von AfD-Vertretern, ließ dabei aber offen, was genau er meinte.
Vermutlich bezog sich Blettermann auf Äußerungen der ehemaligen AfD-Vorsitzenden Frauke Petry und von Beatrix von Storch, die unter dem Eindruck der damaligen Migrationskrise zur Sicherung der deutschen Grenzen auch für den Gebrauch von Schusswaffen plädierten [4]. Beide verwiesen seinerzeit auf die geltende Rechtslage. Konkret heißt es dazu in §11 des UzWG:
„(1) Die in § 9 Nr. 1, 2, 7 und 8 genannten Vollzugsbeamten können im Grenzdienst Schußwaffen auch gegen Personen gebrauchen, die sich der wiederholten Weisung, zu halten oder die Überprüfung ihrer Person oder der etwa mitgeführten Beförderungsmittel und Gegenstände zu dulden, durch die Flucht zu entziehen versuchen. Ist anzunehmen, daß die mündliche Weisung nicht verstanden wird, so kann sie durch einen Warnschuß ersetzt werden.“ [5]
Dass der Gebrauch der Schusswaffe nicht zwangsläufig mit dem „Erschießen von Frauen und Kindern“ einhergeht, scheint Blettermann nicht klar zu sein. Stattdessen projeziert Blettermann diese Äußerung auf die Oranienburger Stadtverordneten der AfD. Denn er behauptet: „Es sind ja auch Ihre Worte, die sie hier immer wieder bringen.“ [3].
„Zuviel!“, findet Grit Hörig. Die Fraktion erwägt, rechtliche Schritte gegen Blettermann einzuleiten.
BF/Jan Müggenburg
[1] https://wio-ev.de/ueber-uns/
[2] https://oranienburg.de/Politik-Beteiligung/Politische-Gremien/Aussch%C3%BCsse/Hauptausschuss/
[3] https://oranienburg.de/ausschuss-live
[4] https://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/beatrix-von-storch-afd-vizechefin-will-polizei-sogar-auf-kinder-schiessen-lassen-14044186.html
[5] https://www.gesetze-im-internet.de/uzwg/__11.html