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Neues zum Thema Generalsanierung der Bahnstrecke Berlin-Hamburg

Die Brandenburger Freiheit veröffentlichte am 13. April 2025 ein Interview mit dem Vorsitzenden des Vereins „EFV Pro Schiene“, Volker Müller, zur geplanten Generalsanierung der Bahnstrecke Berlin-Hamburg [1]. Der Verein hatte ein alternatives Schienenersatzverkehrskonzept ausgearbeitet, da in dem von der Bahn geplanten Konzept Problemlagen erkannt wurden. Das Alternativkonzept wurde an die Vertreter der betroffenen Landkreise sowie Ministerien geschickt. Eine Antwort erfolgte nicht.

Die Märkische Allgemeine Zeitung (MAZ) veröffentlichte dann am 29. April 2025 einen Artikel, in dem ein besserer Busersatzverkehr gefordert wird. In den darauffolgenden Wochen gab es mehrere Artikel in der lokalen Presse, in denen man sich mit unterschiedlichen Bahnthemen befasste. Wir baten Herrn Müller deshalb nochmal um ein Gespräch.

BF: Die MAZ veröffentlichte Ende April 2025 einen Artikel, in dem von der Generalsanierung der betroffenen Gemeinden ein besserer Busersatzkehr gefordert wird [2]. Es soll sogenannte Schnellläuferbusse zu bestimmten Zeiten zwischen bestimmten Bahnhöfen geben.
Dem Brandenburger Verkehrsminister Tabbert (BSW) sowie den Verkehrsministern der anderen betroffenen Bundesländer scheint dann aufgefallen zu sein, dass das Ersatzverkehrskonzept unzureichend und eine Zumutung für die Pendler sei [3]. Sie fordern das Konzept nachzuschärfen sowie mehr Busse einzusetzen. Außerdem vermissen sie eine klare und verlässliche Finanzierung. Sehen Sie knapp zwei Monate vor Beginn der Bauarbeiten noch eine Möglichkeit das Konzept zu ändern und macht es Ihrer Meinung nach Sinn, mehr Busse bzw. Schnellläuferbusse einzusetzen?

V. Müller: Nein, das macht keinen Sinn und packt nicht das Übel an der Wurzel. Zum einen gibt es, in dem jetzt bestehenden und bereits abrufbaren Konzept solche beschleunigten Busse, sowohl in Richtung Hamburg, als auch in Richtung Berlin. Das ist eine polemische Forderung. Wenn man komplett auf SEV setzt und weitere alternative Möglichkeiten auf der Schiene ausschließt, ist mehr nicht möglich. Lediglich im Schülerverkehr könnte noch nachgesteuert werden. Die SEV-Planer haben doch den Schülerverkehr, der insbesondere zwischen Nauen und Berlin-Spandau häufig die Bahn nutzt, nicht auf dem Schirm. Da wären Absprachen zwischen den Landkreisen als Aufgabenträger für den Schülerverkehr und den Verkehrsverbünden und SEV-Planern notwendig. Aber das hätte bereits alles passieren müssen. Seitens der Behörden wacht man da sehr spät auf und jetzt schieben sich die unterschiedlichen Behörden gegenseitig den schwarzen Peter zu. Im Übrigen trifft das auch auf den RB55 zu. Die Schüler, die aus Oberkrämer kommen, müssen dann circa eine halbe Stunde früher los. Auf der Rückfahrt wird es fast eine Stunde später sein, die sie nach Hause kommen. Es sein denn der Unterricht wird einige Minuten früher beendet. Die Forderung nach mehr Bussen finde ich ebenso polemisch. Offensichtlich möchten sich noch einige Protagonisten dazu äußern, weil sie ein Chaos befürchten und um dann später als Warner gut dazustehen. Aber auch mehr Busse lösen das Problem nicht. Die Anzahl der Busse dürften aus unserer Sicht nicht das Problem sein. Erfahrungsgemäß sind die eingesetzten Busse bei solch großen Schienenersatzverkehren eher überdimensioniert, weil es mit Umstellung auf SEV zu einem massiven Fahrgasteinbruch kommen wird. Die Situation etwas abmildern lässt sich nur mit einem vernünftigen Umleitungsverkehr auf vorhandener Eisenbahninfrastruktur und da haben insbesondere die beteiligten Verkehrsverbünde total versagt. Die von uns eingereichten Vorschläge wurden komplett ignoriert. Der VBB in Brandenburg und der VMV in Mecklenburg-Vorpommern als Bestellorganisation hätten die Möglichkeit gehabt, auf Basis unserer Vorschläge entsprechende Verbesserungen diesbezüglich einzufordern, aber das Interesse war gleich Null.

BF: Werden die Busse für den Ersatzverkehr neu angeschafft oder hat die Bahn eigene Busse, die für solche Bauprojekte eingesetzt werden?

V. Müller: Die Bahn hat auch über ihre Tochtergesellschaften eigene Busse z.B. die SEV GmbH. Darüber hinaus mietet die SEV GmbH auch Busse externer Unternehmen für den SEV an. Im Falle des Ausbaus der Berlin-Hamburg-Strecke wurden diese SEV-Verkehre auf Grund des gigantischen Ausmaßes allerdings von InfraGo ausgeschrieben. Zum Zuge kam nicht die SEV GmbH, sondern ein relativ unbekanntes Unternehmen namens ecovista, was erst 2020 aus dem Zusammenschluss kleinerer Busunternehmen entstanden ist. Ich gehe davon aus, dass die Busse zu 100% gefördert werden. Ich hoffe, dass die Busse rechtzeitig produziert sind, da der Zeitrahmen sehr kurz ist. Die Busse werden überwiegend bei SOR (einem tschechischen Bushersteller) und Iveco gebaut. Markant ist auch, dass für diesen SEV extra neue Busse Inhalt der Ausschreibung waren. Die Busse werden also extra für diese neun Monate SEV neu gebaut, obwohl bereits bei der Riedbahn neugebaute Busse eingesetzt wurden, die jetzt frei wären. Warum wurde auf diese Busse nicht zugegriffen? Will man jetzt bei jedem dieser 40 Hochleistungskorridore nagelneu gebaute SEV-Busse einsetzen? Das treibt die Kosten für den SEV natürlich nach oben.

BF: In den letzten Monaten wurde die Strecke zwischen Neustadt und Pritzwalk erneuert. Dort sollen ab August die Materialtransporte für die Generalsanierung erfolgen. In einem Artikel der Printausgabe der MAZ vom 5. Juni 2025 wird von „überschaubaren unvorhersehbaren Zwischenfällen“ bei den Streckenarbeiten berichtet. Als Fertigstellungstermin war der 30. Juni 2025 geplant. Es kann allerdings sein, dass die Bauarbeiten auch noch den Juli über andauern. Wissen Sie, um was für „unvorhersehbare Zwischenfälle“ es sich handelt?

V. Müller: Das weiß ich auch nur aus den Medien, dass es da mehrere Anschläge auf Fahrzeuge des ausführenden Unternehmens der Fricke 2 Wegetechnik aus Nienhagen gegeben hat. Mittlerweile hat sich das Unternehmen darauf eingestellt und die Baustellen entsprechend gesichert. Darüber hinaus kann es bei solchen Baustellen immer zu unvorhersehbaren Zwischenfällen jeglicher Art kommen. Ich war auch mehrmals an der Strecke und habe den Eindruck, dass die Bauarbeiten dennoch sehr gut vorangehen. Es handelt sich bei beiden Strecken ja auch um private Infrastruktur, was vieles einfacher macht. Auf der Internetseite des dort verkehrenden EVU sind bereits die Fahrpläne, welche ab dem 30. Juni Gültigkeit haben veröffentlicht, sodass diese Strecke wahrscheinlich pünktlich in Betrieb gehen wird.

BF: Die Umleitungsstrecke, die der RE6 sowie andere Züge ab dem 1 .August 2025 befahren sollen, soll im Abschnitt Nassenheide-Abzweig Karow-West zwischen dem 20.6. und 31.7.2025 gesperrt werden [4]. Wenn diese Bauarbeiten sich nur um einen Tag verzögern, ist ein ziemliches Chaos vorprogrammiert. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum es keinen zeitlichen Puffer bei solchen Bauvorhaben gibt?

V. Müller: Es werden gigantische Baumaßnahmen derzeit kurz gestaffelt oder auch sogar zeitgleich durchgeführt. Hier scheint auch ein großer Druck durch die Bundesregierung, als alleiniger Gesellschafter der DB zu herrschen. Ein großer Teil der Bauarbeiten steht aus meiner Sicht auch unter dem Motto unseres Verteidigungsministers: „Wir müssen wieder kriegstüchtig werden“. Da sollen bis 2030 deutschlandweit noch gigantische Baumaßnahmen quasi im Zeitraffer durchgeführt werden. Diese 40 Hochleistungskorridore, die jetzt in den nächsten Jahren saniert werden sollen, wären alles strategisch wichtige Streckenabschnitte im Kriegsfall. Es handelt sich um strategisch wichtige Streckenabschnitte zu den Nord- und Ostseehäfen, zu den Häfen Rotterdam und Amsterdam und im Bereich der Hafenhinterland-Verkehre sowie um wichtige West-Ost-Verbindungen Richtung Polen und die Slowakei. Es gibt da quasi keinen oder kaum Puffer. Mit der geplanten Fertigstellung der Berlin–Hamburg-Strecke wird im Prinzip sofort die Bahnstrecke von Stendal über Uelzen für Modernisierungsarbeiten gesperrt. Diese Strecke ist derzeit noch die Umleitungsstrecke für Fern- und Güterverkehr für die Strecke Berlin–Hamburg. Das ist also kein Einzelfall. Um diese 40 großen Projekte im vorgegebenen Zeitrahmen durchzuführen ist das scheinbar unbedingt notwendig. Die Bauarbeiten zwischen Nassenheide und Abzweig Karow-West waren sehr kurzfristig geplant, sodass es sich auch um nötige Ertüchtigungsmaßnahmen für die ab 01.08.2025 zahlreich über diese Strecke verkehrenden Umleitungsverkehre handeln könnte. Diese Strecke ist abschnittsweise als stark überlastet eingestuft. Ich gehe also davon aus, dass diese Bauarbeiten quasi die Voraussetzungen sind, dass der Umleitungsverkehr des Prignitz-Express und des RE 85 wenigstens einigermaßen reibungslos über dieses Nadelöhr geführt werden kann. Während der Bauarbeiten beim Prignitz-Express und dem Hochleistungskorridor Berlin–Hamburg sind Bauarbeiten auf diesem Streckenabschnitt quasi nicht möglich. Das würde zum Kollaps führen. Deshalb muss an diesem Streckenabschnitt bis zum 31.07.2025 alles fertig werden. Zusätzlich ist auch noch der Prignitz-Express bis 17.07.2025 wegen Bauarbeiten zwischen Perleberg und Dossow wegen notwendiger Reparaturarbeiten gesperrt.

BF: Der Ausbau des Abschnittes Velten-Neuruppin (Prignitz-Express) des Projektes i2030 wurde in den Planungen lange favorisiert, doch vor einigen Wochen überraschenderweise auf Eis gelegt. Man begründet das mit einem Ressourcenengpass bei den Plan – und Abnahmeprüfern [5]. Können Sie diese Argumentation bestätigen oder gibt es dafür vielleicht andere Gründe?

V. Müller: Natürlich gibt es Engpässe bei den Planungen und auch beim Bau. Ich hatte ja schon erwähnt, dass ein gigantisches Bauprogramm geplant ist. Und da sind wir beim Thema: Was hat Priorität? Der Prignitz-Express ist eine reine Regionalstrecke. Sie hat keine strategische Bedeutung für einen Verteidigungsfall. Ich vermute, dass sie deshalb wie viele andere regionale Projekte wie auch die groß angekündigten Reaktivierungen von stillgelegten Bahnstrecken in der Prioritätenliste ganz weit hinten steht. Es gab in den letzten Jahren weiterhin diverse Einstellungen und Stilllegungen von Bahnstrecken in Brandenburg, aber nur einen Kilometer Reaktivierungen für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) seit der Wende. Außer diversen Gutachten passiert da praktisch nichts. Es sind zum Fahrplanwechsel im Dezember sogar weitere Abbestellungen geplant aus Geldmangel. Ich persönlich gehe nicht mehr davon aus, dass der Prignitz-Express überhaupt jemals ausgebaut wird.

BF: Der Verteidigungsminister Pistorius spricht seit längerem davon, dass Deutschland wieder „kriegstüchtig“ gemacht werden muss. Auch Sie mutmaßen in den vorhergehenden Antworten, dass die Bahnstrecken für militärische Zwecke ausgebaut werden könnten. Das multipolar-magazin veröffentlichte am 29. April 2025 einen Artikel mit der Überschrift: „Deutschland als NATO-Drehscheibe: Bundeswehr verhandelt mit Logistikunternehmen“ [6]. Die Deutsche Bahn soll in Bundeswehrpläne mit eingebunden werden. Ist die Bahn-Infrastruktur überhaupt für militärische Transporte geeignet und ausgelegt?

V. Müller: Ja das ist sie im Prinzip schon. Es fahren ja regelmäßig Militärzüge bei Manövern und ähnlichen Übungen über Deutschlands Gleise. Von den Radsatzlasten sind im Prinzip fast alle Hauptstrecken auf Radsatzlasten von 22 Tonnen ausgelegt. Damit sind auch Züge mit Panzern wie der Leopard, der ca. 60 Tonnen wiegt prinzipiell kein Problem. Auch die Anzahl der dafür benötigten Flachwagen sind kein Problem. Sowohl die Bundeswehr, als auch die Deutsche Bahn (DB) und auch private Anbieter verfügen über entsprechendes Wagenmaterial. Allerdings ist das Bestandsnetz nicht im besten Zustand und es gibt auch diverse Brücken- und Oberbaumängel, die unter Umständen für Probleme sorgen könnten. Aber wie bereits erwähnt, gehe ich davon aus, dass man diese Mängel im Zuge der Sanierung der 40 Hochleistungskorridore auch und besonders unter dem militärischen Aspekt weitestgehend beseitigt. Wenn dann aber Militärzüge in größerer Anzahl erforderlich sind, gibt es auch Kapazitätsengpässe auf den Hauptstrecken. Das würde bedeuten, dass man den Regelverkehr (ziviler Reise- und Güterverkehr) von der Strecke nimmt oder reduziert. Nach meinem Kenntnisstand ist die DB auch verpflichtet entsprechende Trassen für militärische Zwecke zur Verfügung zu stellen. Die Verfügbarkeit von entsprechenden Lokomotiven für diese Transporte dürfte auch händelbar sein. Problematischer dürfte da eher die Personalverfügbarkeit insbesondere von Lokführern sein. Das Personal für eine zusätzliche größere Menge an Militärtransporten ist aus meiner Sicht nicht vorhanden. Das würde im Endeffekt bedeuten, dass der zivile Güterverkehr massiv eingeschränkt wird, um entsprechend Personal für die Militärtransporte zu haben. Problematisch dürfte auch der Transport von großen militärischen Transportgütern sein, die das Lademaß in Höhe bzw. Breite überschreiten. Diese Transporte unterliegen besonderen Einschränkungen. Man muss sich das so ähnlich wie ein Schwerlasttransport auf der Straße vorstellen. Ein weiteres großes Problem dürften die vielen Baustellen im Netz sein, die uns mit Sicherheit auch noch die nächsten Jahre erhalten bleiben werden.

BF: Vielen Dank für das interessante Gespräch.

[1] https://brandenburgerfreiheit.de/generalsanierung-berlin-hamburg-mit-geplantem- ersatzverkehr-desaster/
[2] https://www.maz-online.de/lokales/oberhavel/neuruppin-kremmen-velten-re6-ausfall-ab- august-2025-wie-wird-der-ersatzverkehr-ILQOBJMKZZDALBKF73CXR35LSA.html
[3] https://www.maz-online.de/brandenburg/sperrung-berlin-hamburg-schlecht-geplant-brandenburgs-minister-tabbert-warnt-vor-chaos TZGMJ75WQFC7LN5SCYK6FLFU6U.html
[4] https://www.neb.de/fahrplanaenderungen/fahrgastinfo/ostkreuz-nassenheide/
[5] https://www.i2030.de/nordwest/
[6] https://multipolar-magazin.de/meldungen/0241

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