Der derzeit noch amtierende Ministerpräsident Dietmar Woidke befindet sich aktuell auf Wahlkampftournee in Brandenburg und besuchte im Landkreis Oberhavel den beschaulichen Ort Bergfelde. Dort hatte er die Chance mit Kritikern seiner Politik ins Gespräch zu kommen. Ob er diese wahrgenommen hat, erfahren Sie in folgendem Bericht von Gabriele Schade.
Am Freitag den 16.August 2024 lud die SPD zum Strohballenfest mit freiem Eintritt in die „Alte Schäferei“ nach Bergfelde ein. Auf dem schönen Gehöft der Familie Wincenty fand Anfang Juni bereits die Eröffnungsveranstaltung der diesjährigen Brandenburger Landpartie statt. Die Brandenburger Freiheit berichtete darüber (1). Der Ministerpräsident und Spitzenkandidat der SPD Dietmar Woidke war als Gast angekündigt.
Bei schönem Sommerwetter und netter Hofatmosphäre mit Grill,Getränken sowie selbstgebackenen Kuchen konnte man die Gelegenheit nutzen, mit den drei Direktkandidaten Oberhavels der am 22.September 2024 anstehenden Landtagswahl Andreas Noack, Dr.Benjamin Grimm und Björn Lüttmann, ins Gespräch zu kommen. Unter den ungefähr 300 Gästen fanden sich viele bekannte SPD-Gesichter wie Inka Gossmann-Reetz, Veltens Bürgermeisterin Ines Hübner, die Bundestagsabgeordnete Ariane Faescher, der frühere Innenminister Alwin Ziel sowie Hans-Joachim Laesicke, der frühere Bürgermeister Oranienburgs. Neben Vertretern des Landesbauernverbandes Oberhavels und des Jagdverbandes waren auch Mitglieder der AfD Oberhavels anwesend. Diese waren bereits seit dem frühen Nachmittag mit einem Infostand an der Zufahrt der Dorfstraße vertreten gewesen.


Gegenüber der Einfahrt zur „Alten Schäferei“ fand eine Veranstaltung von „Oberhavel steht auf“ statt. Ungefähr 40 Teilnehmer wiesen auf ihren Transparenten auf die Missstände der aktuellen Regierungspolitik hin. Insbesondere das Thema Frieden, die Wahrung der Grundrechte und Ehrlichkeit in der Politik ist ihnen ein großes Anliegen.


Der Ministerpräsident war zu 18 Uhr angekündigt. Björn Lüttmann eröffnete die Veranstaltung mit den Worten, dass die SPD bei den in der Bevölkerung wichtigsten Sorgen wie z.B. dem Migrationsthema nach konstruktiven Lösungen suche. Vor der Tür hingegen könne man nur Krach vernehmen.
Andreas Noack als zweiter Redner wies darauf hin, dass die SPD Politik mit Vernunft praktiziere und dafür stehe auch Herr Woidke. Das Thema Corona habe in den letzten Jahren alle beschäftigt. Danach kam der Krieg, den er mit Sorge betrachte. Dieser müsse irgendwann beendet werden. Sein Steckenpferd sei gute Finanzpolitik. Wie es dann möglich war, dass das vom Landtag im Dezember 2022 beschlossene „Brandenburg-Paket“ in Höhe von ca. 2 Milliarden Euro vom Verfassungsgericht Brandenburgs nach einer Klage der AfD-Fraktion für nichtig erklärt wurde, war leider nicht Gegenstand seiner Ausführungen (2). Er sieht die SPD als Alternative. Politik bedeute für ihn den Austausch von Meinungen. Diese müssen aufgenommen, transportiert und umgesetzt werden. Er hatte direkt vor der Tür durchaus die Chance mit den Teilnehmern von „Oberhavel steht auf“ ins Gespräch zu kommen. Diese Möglichkeit hat er leider nicht wahrgenommen.
Für Dr. Benjamin Grimm ist bezahlbarer und altersgerechter Wohnraum ein sehr wichtiges Thema. Es sei immer schwieriger bezahlbaren Wohnraum auch in Oberhavel zu finden.
Gegen 18 Uhr wird der noch amtierende Ministerpräsident Dietmar Woidke mit einem Pfeifkonzert vor der „Alten Schäferei“ empfangen. Er übernimmt auf der hergerichteten Bühne sogleich das Mikrophon, begrüßt die anwesenden Gäste und bedankte sich bei Cathleen Wincenty, die ihren Hof für diese Veranstaltung zur Verfügung gestellt hatte. Er bezeichnete sich als „gelernten Landwirt“, da er seine Kindheit auf einem Bauernhof mit vier Generationen verbracht hat. Für ihn gehöre die Landwirtschaft zu Brandenburg. Diese sei das Herz und Rückgrat der ländlichen Räume. Es wurden in den letzten Jahren Wege für die Zukunft und Planungssicherheit geschaffen. Für die Jägerschaft gelte das Gleiche.
Auf Brandenburgs Wirtschäft könne man stolz sein. In den letzten 10 Jahren habe diese einen Spitzenplatz eingenommen und die höchsten Durchschnittseinkommen zu verzeichnen. Dieses sei vor allem den Menschen, die sich in den 90iger Jahren durchgebissen, angepackt und gemacht haben, zu verdanken. So müsse weitergemacht werden.
Neben der Wirtschaft seien auch andere Themen wie die Kinderbetreuung wichtig. Seit dem 1.August 2024 sei nun die Kita-Betreuung in Brandenburg kostenlos. Dafür werden 800 Mio. pro Jahr vom Land zur Verfügung gestellt. Die Krippen-/ und Hortbetreuung soll auch noch kostenfrei gestellt werden. Das Schulessen hingegen soll nicht kostenlos sein, um diesem eine Wertschätzung zu geben.
Eine große Herausforderung für die nächsten Jahre wird das Gesundheitssystem werden, da sehr viele Ärzte fehlen. Seit zehn Jahren sind medizinische Ausbildungen in Brandenburg möglich. In der Lausitz ist eine medizinische Universität entstanden (3). Ab 2026 können dort Studenten immatrikulieren. Die Krankenhäuser im Land wurden alle stabil gehalten. Bundesweit ist Brandenburg führend bei der Krankenhausfinanzierung pro Kopf.
An die Besucher draußen möchte er mitteilen, dass im Krankenhaus Perleberg bereits die Hälfte der Ärzteschaft einen Migrationshintergrund hat. Dort würden u.a. bereits Ärzte aus Syrien und Bulgarien arbeiten. Fremdenfeindlichkeit könne man sich in diesen Bereichen nicht leisten. Warum er die Teilnehmer der Demonstration vor der Tür anspricht, erschließt sich leider nicht. Transparente zu diesem Thema gab es dort nicht zu sehen. Bedauerlicherweise thematisiert er nicht den Umstand, dass diesen Ländern, diese dort ausgebildeten Arbeitskräfte fehlen. Syrien benötigt durch den jahrelangen Krieg sicherlich dringender Ärzte als Brandenburg.
Dann spricht er die Pflegeversorgung an und weist darauf hin, dass „wir“ künftig mehr für Pflege bezahlen müssen, um den Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, ein Altern in Würde zu gewährleisten.
Er bedankt sich bei allen Einsatzkräften im Land Brandenburg. Die Arbeits-/ und Rahmenbedingungen müssen noch verbessert werden. Derzeit gibt es ca. 8400 Polizeikräfte. Diese sollen auf 9000 erhöht werden.
Der ÖPNV koste dem Land viel Geld. Man möchte den S-Bahn Takt nach Oranienburg von 20 auf 10 Minuten reduzieren. Außerdem soll Velten an die S-Bahn angeschlossen werden. Verkehrstechnisch müssten einige Regionen besser erschlossen werden, um eine gute Wirtschaftsentwicklung zu gewährleisten. Das sich die Deutsche Bahn in den Bereichen Pünktlichkeit und störanfälliger Infrastruktur in einem desaströsen Zustand befindet, wird von Herrn Woidke nicht leider erwähnt (4).
Als letzten Punkt spricht der Ministerpräsident dann ein Thema an, welches die Landtagswahlen nur indirekt betreffen, aber die Menschen sehr bewege. Der Krieg zwischen der Ukraine und Russland.
Schuld allein sei Putin und die Menschen in der Ukraine müssen unterstützt werden. Hunderttausende seien im Krieg gestorben. Es muss bald wieder Frieden in Europa herrschen und eine diplomatische Lösung angestrebt werden. Der Schlüssel zum Frieden sei in Moskau zu finden. Er stellte die Frage, ob vielleicht die Demonstranten vor der Tür einen direkten Draht dorthin haben? Sie könnten ja vielleicht auf dem Roten Platz demonstrieren. Im Kreml sitze der Kriegstreiber. Als vor einigen Wochen in der Schweiz eine Konferenz zum Frieden in der Ukraine stattfand, sei Russland nicht erschienen.
Anmerkung der Verfasserin:
Diese Aussage ist nicht korrekt. Russland wurde zu dieser Konferenz nicht eingeladen. Eine Übersicht der teilnehmenden Länder finden Sie auf folgender Seite: https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/das-eda/aktuell/dossiers/konferenz-zum-frieden-ukraine.html
Extremisten müsse die Stirn geboten werden, damit die stolze Brandenburger Flagge keine braunen Flecken bekomme, so seine Aussage. Nur mit gemeinsamer Kraft könne das verhindert werden. Das Umfeld müsse überzeugt werden und „wir“ müssen gemeinsam angehen, dass Brandenburg weiterhin für Toleranz steht.
Nach diesen Worten kündigt der noch amtierende Landesvater ein Fass Freibier an und das er nun die Tische aufsuchen werde, um mit den Gästen ins Gespräch zu kommen. Allerdings verweilte er lange Zeit an dem ersten Tisch, an welchem er Platz genommen hatte. Einige Gäste gingen deshalb dorthin, um mit ihm zu sprechen.Viele der anwesenden Gäste verließen nach der Rede Woidkes die Veranstaltung.


Die Vertreter vom Bauern- / und Jagdverband mussten sich in Geduld üben. Erst als der Kreistagsabgeordnete Thomas Kay (AfD) den Ministerpräsidenten auf die Herren aufmerksam machte, war später ein Gespräch möglich. Allerdings wurden sie umplatziert. Möglicherweise war der Tisch neben den AfD-Mitgliedern aus Hohen-Neuendorf und Mühlenbeck ungünstig für die Fotos. Sie wurden von Herrn Woidke ebenso wie die Teilnehmer von „Oberhavel steht auf“ nicht aufgesucht. Da wurde die Aussage zur Toleranz zu einer hohlen Phrase. Dabei gab es durchaus Überschneidungen in Bezug auf die Themen Diplomatie und Frieden in seinen Aussagen zu denen auf den Transparenten der Demonstranten. Das Verunglimpfen dieser Menschen mit einer anderen Meinung war für ihn als „Landesvater“ aller Brandenburger allerdings kein Problem. Er bringt diese Menschen, die sich für Grundrechte und Frieden einsetzen mit seiner Aussage in Verbindung mit einem sehr dunklen Teil der deutschen Geschichte. Seine Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit ist daher höchst zweifelhaft. Wenn seine einseitige Dialogbereitschaft während seiner Wahlkampftour anhält, könnte diese durchaus zur Abschlusstournee werden.

Um 20.30 Uhr verließ der Dietmar Woidke dann die Veranstaltung.
In den letzten Tagen wurden in 1,2 Mio. Brandenburger Briefkästen das „Magazin Woidke“ verteilt (5). Dietmar Woidke präsentiert darin sein Privatleben und Erfolge seiner bisherigen Amtszeit. Ein kurzer Vergleich aus den Wahlprogrammen zwischen der SPD und AfD zu den Themen Steuern, Klimaschutz und Mindestlohn ist darin auch zu finden. Allerdings findet man nichts zu den Themen, die die Menschen in den letzten Jahren am meisten beschäftigten und weiterhin beschäftigen werden: Migration, steigende Kriminalität, sichere und bezahlbare Energieversorgung sowie bezahlbarer Wohnraum.
Diese Themen scheinen in der heilen Welt des Dietmar Woidke nicht existent zu sein. Der 22. September 2024 wird zeigen, ob die Brandenburger ihm noch weitere fünf Jahre Amtszeit als Ministerpräsidenten anvertrauen wollen.
[1] https://brandenburgerfreiheit.de/eine-gelungene-landpartie-in-bergfelde/
[2] https://verfassungsgericht.brandenburg.de/verfgbbg/de/presse-statistik/pressemitteilungen/detail/~21-06-2024-pressemitteilung
[3] https://mul-ct.de/index.php
[4] https://www.deutschebahn.com/de/presse/suche_Medienpakete/Halbjahresbilanz-2024-12953906
[5] https://www.maz-online.de/brandenburg/landtagswahl-brandenburg-woidke-laesst-magazin-fuer-1-2-millionen-haushalte-drucken-4YICVVPEFNDOXHMWISXIYFAUVM.html
Text und Fotos: Gabriele Schade