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Es war ein Abenteuer

Seit über 30 Jahren kann man in Velten in „Barb’s Bio Bistro und Naturkostladen“ gut ausgewählte Bioprodukte und regionale Spezialitäten kaufen. Das von Barbara Wachowiak sympathisch geführte Geschäft ist ein Kleinod im Vergleich zu den Bio-Supermärkten in den Großstädten. Frisches Brot, eine kleine Wurst- und Käsetheke, Sauerkraut aus dem Fass und frisch gemahlenes Mehl sind nur ein kleiner Auszug aus dem Angebot. Hat man Fragen zu den angebotenen Produkten, erhält man immer eine kompetente Antwort. Auch ein kleines Bistro gehört mit dazu. Dort gibt es zu der kleinen Speisekarte täglich ein zusätzliches saisonales Gericht. Da die Inhaberin sich langsam zur Ruhe setzen möchte, sucht sie einen Nachfolger für ihr Geschäft. Gabriele Schade hat mit ihr über die nicht immer leichten vergangenen Jahre gesprochen.

BF: Sie sind in den 90-er Jahren nach Velten gezogen und haben das Geschäft eröffnet. In welchem Jahr war das und warum haben Sie sich für Velten entschieden?

Barb: Ich habe das Geschäft genau am 28.11.1992 eröffnet. Seinerzeit lebte ich in Berlin und wollte nach der Maueröffnung im Umland einen Bioladen eröffnen. Damals gab es noch kein Internet und so habe ich die umliegenden Städte und Gemeinden angeschrieben. Die Stadt Velten bot mir daraufhin Räumlichkeiten in der Viktoriastraße an. Allerdings wäre es nur für zwei Jahre möglich gewesen einen Vertrag zu schließen. Ich bin dann die Viktoriastraße entlanggelaufen und sah das leerstehende Haus an der Ecke Zum Anger gegenüber der Kirche. Es gefiel mir gut und dann stellte sich heraus, dass es vermietet werden sollte.

BF: Wie ist die Idee entstanden, einen Bioladen zu eröffnen? Seinerzeit waren Bioprodukte doch kaum gefragt. War es ein großes Wagnis sich dafür zu entscheiden?

Barb: Die Idee ist in Kanada entstanden. Ich bin dort geboren und im Alter von fünf Jahren mit meiner Familie nach Deutschland gezogen. Als junge Frau wollte ich unbedingt meine Wurzeln kennenlernen und nach Kanada gehen. Meine Mutter hat darauf bestanden, dass ich erst meine Ausbildung zur Diätassistentin fertigmache. Einen Monat nach meinem Abschluss bin ich dann in meine Geburtsstadt Toronto gereist. Mein Plan war dort mindestens ein Jahr zu bleiben. Ich arbeitete anfangs als Au-Pair-Mädchen. Dann fing ich in einem Naturkostladen an zu arbeiten. Dort hat man mich jedoch von einem Tag auf den anderen entlassen, nachdem ich den Laden aufgeräumt und geputzt hatte. Ich fand eine Stelle in einem anderen Geschäft für Bioprodukte. Da entstand der Traum eines eigenen Bioladens. Im Jahr 1982 entschloss ich mich dann wegen der Familie wieder nach Deutschland zurückzugehen. Nach meiner Rückkehr trat ich eine Stelle in der Produktentwicklung in der Lebensmittelindustrie an. Es war interessant. Mein Chef hat meine Ideen allerdings als seine eigenen ausgegeben. Da ich vom Wesen her eher rebellisch bin, konnte ich mir nicht vorstellen diese Tätigkeit länger auszuüben. So entstand die Idee ein eigenes Geschäft zu eröffnen. Dann fiel die Mauer und meine Mutter sagte mir, dass ich es jetzt in die Tat umsetzen sollte. Im Raum des Berliner Umlands würde ich bestimmt fündig werden.

BF: Sie haben in Kanada sozusagen Naturkost kennengelernt und die Idee hat sich dann zu Hause in Deutschland verfestigt. Was haben Sie alles im Sortiment und wie viele Mitarbeiter haben Sie?

Barb: In meinem Geschäft finden man alles für den täglichen Bedarf. Angefangen von Fleisch-/Wurst- und Fischwaren, Molkereiprodukten, frisches Obst und Gemüse, Kaffee, Tee und Kakaoprodukten, Getränke mit und ohne Alkohol, Süßigkeiten, Nudeln, Reis, Getreideprodukte.

Backwaren habe ich dreimal pro Woche frisch im Angebot. Außerdem laktose- und glutenfreie Kost. Bei mir kann man auch Salami ohne Nitritpökelsalz kaufen. Es gibt verschiedene Produkte zur Haar- und Körperpflege und auch Wasch- und Reinigungsmittel sind vorhanden. Selbstverständlich gibt es saisonale Produkte wie z.B. Glühwein oder Weihnachtsgänse. Auch Nahrungsergänzungsmittel und Naturheilmittel werden häufig nachgefragt. Man kann das ganze Jahr über von mir selbst zusammengestelltes Wildvogelfutter und Fettfutter kaufen. Als Ausgleich zu meiner Tätigkeit im Geschäft kümmere ich mich um Wildvögel, die in der Natur nicht überleben würden. Das habe ich allerdings reduziert, da es sehr aufwendig und kräftezehrend ist. Neben mir arbeiten im Geschäft eine Mitarbeiterin und eine Aushilfskraft. Wir haben von Montag bis Samstag geöffnet. Samstags im Sommer jedoch nur bis 12 Uhr und im Winter bis 13 Uhr.

BF: Haben Sie überwiegend Stammkunden aus der Umgebung oder gibt es auch Kunden, die von weiter weg kommen?

Barb: Zu mir ins Geschäft kommt viel Stammkundschaft aus der Umgebung wie zum Beispiel Oranienburg, Borgsdorf, Kremmen und Sommerfeld. Leider ist die Viktoriastraße entgegen den Plänen der Stadt Velten keine Einkaufsstraße geworden. Das ist sehr bedauerlich. Auch mit der Großstadt Berlin vor der „Tür“ und den über die Jahre entstandenen Bio-Supermärkten wird es mir nicht leichter gemacht. Eine Filiale der „Bio-Company“ in der Wilmersdorfer Straße in Berlin wurde in etwa zeitgleich wie mein Geschäft eröffnet.

BF: Wie hat sich die Biobranche in den letzten 30 Jahren entwickelt? Sehen Sie Potenzial, dass noch mehr Menschen natürliche, unbehandelte Lebensmittel konsumieren möchten?

Barb: Das Bewusstsein der Menschen für gesündere Ernährung muss sich noch ändern. Die Einführung der EU-Biolabel ist eine Gewissensberuhigung. Die Deklarierung von Lebensmitteln mit dem Wort „Bio“ wird oft missbraucht. Dass die Branche sich in den letzten Jahrzehnten vergrößert hat ist darauf zurückzuführen, dass Menschen mehr naturbelassene Lebensmittel wollten. Das Wachstum von Pflanzen oder die Haltung von Tieren, die Pflege, die damit verbunden ist und schlussendlich die Verarbeitung setzt viel Geduld und Wissen voraus. Oft ist dieses mit Handarbeit verbunden. Das Wissen darüber geht immer mehr verloren. Wir Menschen haben oft keinen Bezug mehr zu dem, was wir zu uns nehmen. Lebensmittel kommen für die meisten aus dem Supermarkt. Wie sie wachsen und welche Kooperationen sie in der Erde eingehen weiß man scheinbar noch nicht. So probiert man Gemüse auf Substrat mit Nährstoffen zu ziehen. Wie komplex die Natur agiert und wie wichtig der Zusammenhalt des Ganzen ist, ist noch nicht ganz klar. Begriffen hat man aber schon, dass diese eher nicht ersetzbar ist und doch wird weiter zerstört. Sie ist unsere Lebensgrundlage sowie die Grundlage allen Lebens auf diesem Planeten.

BF: Sie möchten sich so langsam in den wohlverdienten Ruhestand zurückziehen und suchen für das Geschäft einen Nachfolger. Was muss man dafür an Voraussetzungen mitbringen?

Barb: Es wäre von Vorteil, wenn man Kenntnisse aus dem Lebensmitteleinzelhandel hat. Mit der Verarbeitung von Lebensmitteln sollte man sich auch auskennen und natürlich gerne Kontakt mit Menschen haben. Da auch bürokratische Dinge wichtig sind, wäre kaufmännisches Grundlagenwissen sinnvoll. Man kann hier immer wieder kreativ werden und neue Ideen einbringen. Ich habe mich in all den Jahren ein Stück selbstverwirklicht und bin an den Veränderungen, die nicht immer leicht waren, gewachsen. Es ist mein Lebenswerk, auf das ich sehr stolz bin und es war ein Abenteuer. Vielleicht finden sich auch mehrere Menschen zusammen und führen das Geschäft zusammen weiter. Über die Idee einer Genossenschaft habe ich auch schon nachgedacht. Leider fehlt mir die Zeit, mich intensiver damit zu beschäftigen. Sollte sich jemand für mein Geschäft interessieren oder sich im Bereich Genossenschaften auskennen, würde ich mich sehr über eine Kontaktaufnahme freuen.

BF: Ich danke Ihnen für das nette Gespräch und hoffe sehr, dass sich ein Nachfolger finden wird.

Fotos: Gabriele Schade

www.brandenburgerfreiheit.de

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