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Oberhavel zieht die letzte Karte: Sporthallen werden zur Notunterkunft für Geflüchtete

Zehdenick als Erstes betroffen. Weitere Sporthallen werden folgen – die dramatische Lücke bei den Flüchtlingsunterkünften, lässt gar keinen anderen Schluss zu. Kreisverwaltung appelliert an die Bürger aber nicht an die Bundesregierung. Keine Forderungen nach einem außenpolitischen Kurswechsel vom Landrat.

Lange wurde spekuliert und seitens der Kreisverwaltung beschwichtigt. Doch nun herrscht Gewissheit. Der Landkreis wird Sporthallen vorübergehend ihrer Bestimmung entziehen und als Notunterkünfte für Geflüchtete zur Verfügung stellen. Dies geht aus einer der BF vorliegenden Pressemitteilung des Landkreises hervor [1]. Damit werden die Folgen gesellschaftlicher Entwicklungen – hier die Massenmigration – ein weiteres Mal auf die Jüngsten im Land abgewälzt.

Kenner der Materie hatten die Kommunalpolitik vor diesem Schritt gewarnt. Denn die Schäden der Corona-Maßnahmen sind bis heute noch nicht beseitigt. Ohne Evidenz wurden für lange Zeit nicht nur Spielplätze sondern auch Schulen und eben auch ihre Sporthallen geschlossen. Für die nachrückende Generation waren Lernrückstände sowie eine Zunahme von psychischen Krankheiten die Folge. Ohne regelmäßige Bewegung unter fachlicher Anleitung wird die Bewältigung dieser Probleme noch schwieriger.

Als Erstes trifft es in Oberhavel die Sporthalle am Wesendorfer Weg in Zehdenick [1]. Neben dieser Sporthalle erwog der Landkreis früher bereits die Nutzung der Sporthalle des Louise-Henriette-Gymnasiums in Oranienburg [2]. Ein Blick auf die vorhandenen freien Plätze in Flüchtlingsunterkünften offenbart, dass auch die Kapazität dieser Sporthallen nicht genügen wird. Weitere Hallen werden folgen, denn der Landkreis versprach:

„Sporthallen zu nutzen, bleibt für uns weiter die letzte Option.“ [2]

Wenn man den Landkreis beim Wort nehmend darf, bleibt nur ein logischer Schluss: Oberhavel hat zumindest vorübergehend keine Alternativen mehr und spielt seine letzte Karte.

Die von der Kreisverwaltung veröffentlichten Zahlen verdeutlichen das gesamte Ausmaß der Misere [1]. Insgesamt wurden Oberhavel für dieses Jahr 2.400 Geflüchtete avisiert. Gemäß Landesaufnahmegesetz ist der Landkreis verpflichtet, diese Menschen aufzunehmen und unterzubringen [1]. Bis Anfang Juni wurden 470 Personen aufgenommen. Bis Jahresende werden also noch fast 2.000 Menschen folgen. Diesem Aufnahme-Soll stehen aktuell 2.138 Plätze für Geflüchtete in OHV gegenüber. Die meisten davon sind jedoch bereits belegt. Lediglich 130 Plätze sind noch frei. Selbst davon sind 44 für eine Unterbringung im Winter nicht geeignet. Für eine mittel- bis langfristige Unterbringung stehen also aktuell nicht einmal 90 Plätze zur Verfügung.

Der Landkreis sucht deshalb nach langfristigen Lösungen und nennt in diesem Zusammenhang folgende Projekte, Tabelle 1 [1], [2], [3]:

OrtProjekttypKapazitätFertigstellung
Marwitz5 Wohngebäude90 PlätzeFrühjahr 2025
Oranienburg-LehnitzErweiterung einer bestehenden Einrichtung200 Plätze?
Oranienburg-EdenUmbau d. ehem. Landwirtschaftsschule100 Plätze?
Velten-HohenschöppingUmbau der kreiseigenen Ingenieurschule470 Plätze?
Saldo860 Plätze
Tabelle 1

Blickt man auf die Zahlen der öffentlich bekannten Neu- und Umbauprojekte für Flüchtlingsunterkünfte, wird deutlich, dass die für 2023 erforderlichen Kapazitäten selbst weit über den Jahreswechsel hinaus nicht entstehen werden. Hinzu kommt, dass ausgerechnet das größte der bekannten Projekte, der Umbau der kreiseigenen Ingenieurschule in Hohenschöpping, auf besonders wackligen Füßen steht. Sozial-Dezernent Matthias Kahl erklärte hierzu:

„Wir befinden uns aktuell noch in einem sehr frühen Stadium. Noch ist nicht klar, ob unsere Ideen hier überhaupt umgesetzt werden können“ [1].

Klar ist hingegen, dass der Flüchtlingsstrom mit Ablauf des Jahres nicht abrupt enden wird. Um auch die Flüchtlinge der kommenden Jahre menschenwürdig unterzubringen müssten weitere Kapazitäten geschaffen werden. Ein Ende dieser Entwicklung ist zur Zeit nicht in Sicht.

So verwundert es nicht, dass sich der Landkreis darauf beschränkt, bei der Bevölkerung um Verständnis zu bitten. Gleichzeitig verspricht er, sich parallel beim Land Brandenburg für „langfristig landesweit veränderte, gesamtgesellschaftlich verträglichere Strategien für die Unterbringung geflüchteter Menschen“ einzusetzen [1].

Abermals scheut sich der Landkreis, die Ursachen für den Flüchtlingsstrom zu benennen und von Bund und Land einen außenpolitischen Richtungswechsel einzufordern.

[1] PM des Landkreises Oberhavel vom 03.07.23, „Landkreis Oberhavel bereitet Notunterkunft für Geflüchtete in Zehdenick vor“, https://www.oberhavel.de/Quicknavigation/Startseite/Landkreis-Oberhavel-bereitet-Notunterkunft-f%C3%BCr-Gefl%C3%BCchtete-in-Zehdenick-vor.php?object=tx,2244.1&ModID=7&FID=2244.90090.1
[2] https://www.oberhavel.de/Politik-und-Verwaltung/Verwaltungsstruktur/B%C3%BCro-des-Landrates/Presse-und-%C3%96ffentlichkeitsarbeit/Pressemitteilungen/Nach-Flucht-vor-Krieg-und-Gewalt-Sicherer-Platz-f%C3%BCr-200-Menschen.php?object=tx,2244.1.1&ModID=7&FID=2244.87190.1&NavID=2244.87&La=1
[3] https://www.maz-online.de/lokales/oberhavel/velten/velten-ingenieurschule-koennte-unterkunft-fuer-gefluechtete-werden-TMJ2TDPVDNBMRIGT6GTP4DXUF4.html