Oranienburg kumuliert von 2024 bis 2029 Fehlbeträge in Höhe von 71 Mio. Euro. Nur langsam wächst bei den politisch Verantwortlichen das Bewusstsein für den Ernst der Lage. Dennoch ist bislang keine grundlegende Kurskorrektur bei der mittleren Finanzplanung in Sicht. Oranienburgs Finanzdezernent hält das Defizit am Ende des Planungszeitraumes für „besorgniserregend“. Füllmann (AfD) fordert grundlegende Überarbeitung des Haushaltsentwurfs und eine vorläufige Haushaltsführung, um Zeit für einen Konsolidierungsplan zu gewinnen.
Am 10.02.25 befasste sich der Werksausschuss der Oranienburger Stadtverordnetenversammlung mit dem Entwurf des Doppelhaushaltes der Stadt für die Jahre 2025 und 2026. Die Debatte sorgte bei den Stadtverordneten für ein wachsendes Problembewusstsein um den Ernst der finanziellen Lage der Stadt [1].
Auslöser war ein Vortrag von Alfred Füllmann [1], sachkundiger Einwohner der AfD-Fraktion. Füllmann zitierte im Wesentlichen aus dem von der Stadtverwaltung selbst herausgegebenen Haushaltsvorbericht [2]:
„Die Stadt lebt über ihre finanziellen Verhältnisse, was sich äußert durch ein zu viel, zu schnell und leider auch oft ein zu teuer!“,
heißt es darin auf S. 4 im Fettdruck.
Die Folge ist ein negativer Liquiditätsbestand ab 2027, der sich bis 2029 auf rund -30 Mio. Euro ausweitet [2], Abb. 1. Füllmanns Befürchtung: Die Stadt muss die Defizite durch entsprechende Kassenkredite ausgleichen und gerät so in eine „Abwärtsspirale der Verschuldung“ [1]. Auch diese Einschätzung findet sich im Haushaltsvorbericht der Stadtverwaltung wieder (S.4/5) [2].

Abb. 1: Entwicklung der Liquidität der Stadt Oranienburg
Gegenüber der BF bemängelt Füllmann auch die gestiegenen Personalkosten. In 2025 werden es rund 4,7 Mio. Euro mehr sein als im letzten Jahr [2]. Füllmann weist darauf hin, dass insbesondere die Personalkosten für die Stadt eine dauerhafte rechtliche Hypothek darstellen.
Zweifel meldete Füllmann auch bei den Planungsansätzen an. Für ihn sind die Zuweisungen des Landes für die Jahre 2027-29 unsicher und die Gründe für den im Plan unterstellten Rückgang bei den Sach- und Dienstleistungen unklar. Auch dem Ansatz von nahezu konstant bleibenden Personalkosten über das Jahr 2027 hinaus vertraut Füllmann nicht. „Keine Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst ist mehr als unwahrscheinlich.“, meint Füllmann.
Behält Füllmann recht, könnte es für die Stadt also noch schlimmer kommen. Dabei summieren sich die Verluste schon in der aktuellen Planung auf rund 71 Mio. Euro bis 2029, vgl. Abb. 2.

Will die Stadt der „Abwärtsspirale der Verschuldung“ entrinnen, könnte sie an der Verbesserung ihrer Einnahmen arbeiten. Falls das nicht gelingt, müsste sie sich von Vermögenswerten in entsprechender Höhe trennen, lt. aktueller Planung 71 Mio. Euro. Die Rücklagen der Stadt würden sich dann von 232 Mio. Euro um fast ein Drittel auf 161 Mio. Euro reduzieren, rechnet Füllmann vor [1].
Doch damit nicht genug. Der Haushaltsentwurf widerspricht auch den Vorgaben der Kommunalen Haushalts- und Kassenverordnung des Landes Brandenburg (KomHKV) [3]. In § 24 werden die Kommunen zur dauerhaften Leistungsfähigkeit verpflichtet. Sie ist dann gegeben wenn:
- der mittelfristige Ergebnisplan ausgeglichen ist,
- der Saldo aus den Einzahlungen und Auszahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit die Auszahlungen für die Tilgung der Kredite deckt,
- die Zahlungsfähigkeit sichergestellt ist sowie
- die Summe aus Eigenkapital und Sonderposten die Summe aus Rückstellungen, Verbindlichkeiten und passiven Rechnungsabgrenzungsposten übersteigt.
Aus dem Haushaltsvorbericht geht klar hervor, dass die ersten drei Anforderungen an die dauerhafte Leistungsfähigkeit nicht erfüllt sind. Genau das kritisiert Alfred Füllmann. Lediglich Punkt 4 lässt sich anhand der vorgelegten Daten nicht abschließend beurteilen.
Dem widerspricht der in der Ausschusssitzung anwesende Finanzdezernent Schmidt-Jansa nicht [1]. Er kann auch nicht bestätigen, dass der Haushaltsentwurf in der vorliegenden Form genehmigungsfähig ist. Das Defizit von rund 30 Mio. Euro am Ende des Planungszeitraumes (2029) hält er für „besorgniserregend“. Außerdem sieht Schmidt-Jansa nur wenige Argumente in der Hand der Stadt, mit denen sie die von der Landesverordnung (KomHKV) geforderte „dauerhafte Leistungsfähigkeit“ belegen könnte.
Dennoch sieht sich Schmidt-Jansa nicht in der Pflicht, das Problem des 30-Millionen-Defizits zu eliminieren. Hier seien politische Entscheidungen notwendig, die nicht zu den Aufgaben des Stadtkämmerers gehören, so Schmidt-Jansa [1].
Dieser Haltung schloss sich auch Bürgermeister Laesicke an. Er forderte die AfD-Fraktion und auch die anderen Fraktionen auf, Änderungsvorschläge einzubringen, die eine Verbesserung der finanziellen Lage der Stadt zum Ziel haben.

Kann mit Zahlen umgehen: Alfred Füllmann, Ausgebildeter Betriebswirt, über 30 Jahre Berufserfahrung in leitenden Funktionen u.a. tätig als Geschäftsführer von Automobilzulieferern (KMU) mit Schwerpunkt in Finanzen & Controlling. Davon 17 Jahre als Interimmanager, in den letzten drei Jahren Als Leiter Finanzen bei einem öffentlich rechtlichen Unternehmen der Daseinsvorsorge AöR in Berlin. Sachkundiger Einwohner für die AfD-Fraktion der SVV Oranienburg.
Foto: privat.
Dem widersprachen Füllmann aber auch Ausschussmitglieder anderer Fraktionen. Für Alfred Füllmann lassen sich über das Mittel der Änderungsanträge bestenfalls kosmetische Verbesserungen am Haushaltsplan erreichen. Ein Defizit von rund 22 Mio. Euro aus der laufenden Verwaltungstätigkeit zu eliminieren – allein für dieses Jahr -, ist für ihn auf diesem Weg nicht machbar [1]. Stattdessen forderte Füllmann eine grundlegende Überarbeitung des Haushaltsentwurfes.
Um Zeit für die Ausarbeitung eines Konsolidierungsplanes zu gewinnen, fordert er eine vorläufige Haushaltsführung [1]. Mit diesem Verfahren könnte die Stadt über den betreffenden Zeitraum den Zahlungsverpflichtungen nachkommen, zu denen sie rechtlich verpflichtet ist. Die finanziellen Handlungsspielräume werden dabei jedoch erheblich eingeschränkt und unterliegen strengeren Kriterien insbesondere für neue Maßnahmen [4]. Außerdem rückt die Kommune stärker in den Fokus der kommunalen Aufsichtsbehörde.
[1] https://embed.contentflow.net/media/eadee716-b982-487a-aa1e-86e0b3f14859
[2] Haushaltsvorbericht 2025 und 2026 der Stadt Oranienburg – Anlage zur Beschlussvorlage 0159/2024
[3] https://bravors.brandenburg.de/verordnungen/komhkv
[4] https://bravors.brandenburg.de/verwaltungsvorschriften/rerl_1_13
Text, Grafiken, Bildbearbeitung (Titelbild): Jan Müggenburg