Stadtwerke Oranienburg präsentieren eine Lösung für private Hausbauer. Umgang mit der Versorgung von gewerblichen Betrieben weiter offen. Brandenburger Landesregierung unterstützte und hat dabei auch eigene Interessen. CDU-Landtagsabgeordnete Walter-Mundt kritisiert Habeck und fordert finanzielle Unterstützung vom Bund.
Die Stadtwerke Oranienburg realisieren ab Mai wieder Hausanschlüsse für Bürgerinnen und Bürger in Oranienburg. Auch Leistungserhöhungen über die bestehende Versorgung hinaus, beispielsweise für den Anschluss von Wärmepumpen sowie von Ladeinfrastruktur, sollen dann wieder möglich sein. Interessenten können ab sofort entsprechende Anträge stellen [1], [2].
Die Lösung beinhaltet, dass die E. DIS Netz, Betreiber des vorgelagerten Hochspannungsnetzes, an ihrem bestehenden Umspannwerk aufgrund interner Vorkehrungen und einer lösungsorientierten Vorgehensweise eine erhöhte Leistung zur Verfügung stellen kann. Vorbehaltlich einer technischen Prüfung können voraussichtlich ab September 2024 für das Ortsnetz der Stadtwerke Oranienburg weitere Leistungserhöhungen durch E.DIS bereitgestellt werden. Auf diese Maßnahmen haben sich die Stadtwerke Oranienburg und die E. DIS verständigt [1].
Um erneute Kapazitätsengpässe auszuschließen, wird von den Stadtwerken die Errichtung eines temporären Ersatz-Umspannwerks vorbereitet. Zugleich treiben die Stadtwerke den Neubau ihres eigenen Umspannwerks voran, dessen Inbetriebnahme für 2026 geplant ist [1]. Unklar bleibt in der Mitteilung der Stadtwerke [1], zu welche Kosten diese Sondermaßnahmen verursachen und wie sie sich auf den Strompreis der Kunden auswirken.
Zustande kam die Lösung mit Unterstützung der Brandenburger Landesregierung [1]. Bereits am 19.04.24 stellten Ministerpräsident Woidke und Wirtschaftsminister Steinbach eine baldige Lösung auf einer SPD-Wahlkampfveranstaltung in Oranienburg in Aussicht. Steinbach sprach auf der Veranstaltung von 3 Modellen, die in Zusammenarbeit mit der E.DIS diskutiert würden. Details zu den Plänen nannte er seinerzeit jedoch nicht.
Für die SPD-geführte Landesregierung geht es unterdessen um viel mehr. Während des Wahlkampfes möchte sie mit einem bundesweiten Spitzenplatz bei den wirtschaftlichen Wachstumsraten glänzen. Zweifel an einer zuverlässigen Energieversorgung könnten dem Standort schaden und Unternehmen davor abschrecken, sich in Brandenburg niederzulassen. Ganz zu schweigen von verunsicherten Bürgern, die bei den Wahlen im Juni und September aus Verärgerung ihr Kreuz nicht (mehr) bei der SPD machen.
Doch damit nicht genug. Brandenburg hat früh auf den Ausbau erneuerbarer Energien gesetzt. Die Auswirkungen sind nahezu überall im Land in Form hoch aufschießender Windkraftanlagen zu sehen. Doch der aktuelle Bestand reicht für den angestrebten Ersatz von Kohle, Öl und Gas nicht. Ein weiterer massiver Ausbau von Windkraft und Photovoltaik wäre erforderlich. Zum Ausbau der Windkraft ist Brandenburg nach dem Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) sogar verpflichtet [3]. Doch der Ausbau hat einen politischen Preis. Mit jeder weiteren Windkraftanlage in Wohnortnähe gründet sich auch eine Bürgerinitiative, die dagegen ist. Das Bewusstsein für die Probleme mit dem Ausbau der Erneuerbaren wächst in der Bevölkerung und mit ihm der Widerstand.
Einen Vertrauensverlust erlitt das Energiewendekonzept bereits im letzten Jahr. Im September erklärte Wirtschaftsminister Steinbach bei einem Bürgerdialog in Oranienburg noch, er würde die Batterien von E-Autos als Zwischenspeicher überschüssiger Energie benötigen. Der Plan war von Anfang an äußerst fragwürdig, da die in einer Autobatterie gespeicherte Energie nur einmal verwendet werden kann – entweder für die Rückspeisung ins Netz oder für die Fahrt mit dem privaten PKW. Die Zulassungszahlen für E-Autos lagen jedoch schon damals hinter den Erwartungen zurück. Die Einstellung der Förderung Ende 2023 machte Steinbachs Pläne endgültig zunichte.
Weitere Zweifel am Gesamtkonzept der Energiewende wollen die stets bundestreuen Brandenburger Sozialdemokraten unbedingt vermeiden. Daher verwundert es nicht, dass die Stadtwerke Oranienburg in ihrer Mitteilung vom 29.04.24 eine freundlichere Darstellung der Problemursachen wählten. Bei der Aufzählung der Gründe für den Engpass wird der Einbau von Wärmepumpen und Ladeinfrastruktur zwar noch genannt. Diesen Punkt stufen die Stadtwerke aber als „untergeordneten Teil“ ein. Das las sich in der Mitteilung vom 08.04.24 [4] noch ganz anders.
Dieser stark relativierenden Sicht widerspricht die CDU-Landtagsabgeordnete Nicole Walter-Mundt, die für ihre Partei auch in der Oranienburger Stadtverordnetenversammlung und im Kreistag sitzt:
„… Aber auch die neuen bundespolitischen Regeln zum Einbau von Wärmpumpen, zum Ausbau der E-Ladeinfrastruktur und der E-Mobilität tragen genauso wie das immense Wachstum der Stadt zur jetzigen Situation bei. Das darf auch das Wirtschaftsministerium um Robert Habeck und Michael Kellner nicht verkennen, wenn sie jetzt ausschließlich auf die hausgemachten Probleme zeigen“, [5]
Walter-Mundt beziffert in einer Mitteilung der CDU Oranienburg die Mehraufwendungen der Stadt auf 13,8 Mio. Euro und fordert eine Beteiligung des Bundes:
„Selbstverständlich muss der Bund die Kommunen, die örtlichen Stadtwerke und die Netzbetreiber auch in die Lage versetzen, die Energie- und Wärmewende zu stemmen. Wenn jetzt Oranienburg knapp 13,8 Millionen Euro aus eigener Kraft aufwenden muss, um das Netz für die neuen Anforderungen zu ertüchtigen, wo bleibt da eigentlich der substanzielle, auch finanzielle Beitrag des Bundes?“ [5].
Während sich private Hausbauer und Grundstücksbesitzer freuen dürfen, bleibt das Schicksal für Gewerbetreibende ungewiss. Auf die Bedürfnisse von Industrie und Gewerbe gehen die Stadtwerke in ihrer Mitteilung mit keinem Wort ein.
[1] https://stadtwerke-oranienburg.de/loesung-fuer-oranienburg-ab-sofort-werden-neue-hausanschluesse-wieder-realisiert/
[2] https://stadtwerke-oranienburg.de/wp-content/uploads/2024/SWO-FAQ-Stromnetz.pdf
[3] https://www.gesetze-im-internet.de/windbg/anlage.html
[4] Mitteilung der Stadtwerke Oranienburg vom 10.04.24
[5] https://www.cdu-oranienburg.de/news/lokal/219/Zur-aktuellen-Stromsituation-in-Oranienburg.html
Text: Jan Müggenburg