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Wie die SPD Hohen Neuendorf ihren Wahlvorschlag für die Kommunalwahl aufpoliert

Trotz Unvereinbarkeit mit seinem Job als Landrat schicken die Hohen Neuendorfer Sozialdemokraten Alexander Tönnies für die Wahl zur Stadtverordnetenversammlung ins Rennen. Redlich ist das nicht, illegal aber auch nicht.

Klappern gehört zum Geschäft. Doch teure Werbekampagnen sind nicht alles. Wer bei Kommunalwahlen punkten will, sorgt dafür, dass sich bekannte Namen auf seiner Wahlliste befinden. Erfolgreiche Handwerker, Schulleiter, prominente Künstler oder Politiker sind gern gesehene Zugpferde. Sie fallen auf dem Wahlzettel auf und schaffen Vertrauen. Dabei ist es unerheblich, ob sie letztlich wirklich in die Stadtverordnetenversammlung, Gemeindevertretung oder den Kreistag einziehen. Die Stimmen, die sie erhalten, helfen letztlich der gesamten Liste.

In Hohen Neuendorf (Landkreis Oberhavel) setzt die SPD den medial dauerpräsenten Landrat Alexander Tönnies auf ihre Liste für die Wahl zur Stadtverordnetenversammlung [1]. Ebenfalls mit dabei: Holger Mittelstädt [1]. Mittelstädt ist heute Bildungsdezernent in der Kreisverwaltung von Oberhavel und wegen seiner früheren Tätigkeit als Leiter der örtlichen Waldgrundschule sehr bekannt.

Bei beiden Kandidaten ist eine Mitgliedschaft in der SW Hohen Neuendorf mit ihrer aktuellen Tätigkeit als Landrat bzw. Dezernent in der Kreisverwaltung von Oberhavel unvereinbar. Im Brandenburgischen Kommunalwahlgesetz (BbgKWahlG) heißt es dazu:

„Bedienstete des Landes oder eines Landkreises, die vorbereitend oder entscheidend unmittelbar Aufgaben der Kommunal-, Sonder- oder Fachaufsicht über Gemeinden, Ämter oder Landkreise wahrnehmen, können nicht zugleich der Vertretung einer beaufsichtigten Gemeinde, dem Amtsausschuss eines beaufsichtigten Amtes oder der Vertretung eines beaufsichtigten Landkreises angehören.“, vgl. BbgKWahlG §12 (1) Ziffer 3 [2].

Diese Regelung ergibt durchaus Sinn, denn in ihrer Eigenschaft als Landrat bzw. Dezernent (nächste Leitungsebene der Kreisverwaltung) sind beide Herren sehr wohl mit Aufgaben der Kommunal- und Fachaufsicht der Städte und Gemeinden des Landkreises Oberhavel befasst. Als Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung wären sie womöglich an Beschlüssen beteiligt, die sie auf der Kreisebene dann selbst auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen. Sie würden sich quasi selbst kontrollieren.

Die Unvereinbarkeit zwischen dem Job beim Landkreis und dem Mandat in einer Vertretung einer untergeordneten Gemeinde macht den Wahlvorschlag aber nicht unzulässig. Denn theoretisch ist es denkbar, dass ein Kandidat im Falle seiner Wahl den Dienst beim Landkreis quittiert und frei von Interessenskonflikten in die SVV oder Gemeindevertretung einzieht. Bei einem Gehalt von mehr als 10.000 Euro monatlich [3] dürfte solch ein Schritt für Landrat Tönnies allerdings sehr unwahrscheinlich sein. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welches die wahren Motive für die Kandidatur von Tönnies und Mittelstädt sind.

Bei der Kommunalwahl vergeben die Wähler ihre 3 Stimmen an einzelne Personen eines Wahlvorschlages (z. B. Partei- oder Wählergruppen-bezogene Liste) oder verteilen sie auf die Kandidaten mehrerer Wahlvorschläge. Obwohl Listen gar nicht direkt gewahlt werden, ist der Anteil aller auf sie fallenden Stimmen maßgeblich für die Festlegung der Sitze, die auf den Wahlvorschlag bzw. die Liste entfallen. Dabei ist es zunächst unerheblich, ob die Stimmen innerhalb des Wahlvorschlages gleichmäßig verteilt sind oder ob sie sich bei einzelnen Kandidaten konzentrieren.

Da auch ein Kandidat mit besonders vielen Stimmen letztlich nur 1 Platz in der Kommunalvertretung einnehmen kann, profitieren die anderen Kandidaten auf seiner Liste von seinem guten Abschneiden. Die Mandate für die Vertretung werden in der Reihenfolge der erreichten Stimmen verteilt. Die Reihenfolge auf der Liste spielt dabei zunächst keine Rolle. Sie wird erst relevant, wenn zwei Kandidaten die gleiche Stimmenzahl erhalten haben. Dann zieht derjenige in die Vertretung ein, der auf der Liste weiter oben steht. Mit diesem Verfahren ist es durchaus möglich, dass Bewerber in die SW, den Gemeinderat oder den Kreistag einziehen, die gar keine Stimmen erhalten haben, vgl. BbgKWahlG 548 Absatz (5) [2].

Interessant wird es, wenn die Zahl der auf eine Liste entfallenen Mandate ganz wesentlich vom überdurchschnittlich guten Abschneiden eines einzelnen Kandidaten bestimmt wird und genau dieser Kandidat, die Wahl nicht annimmt oder wegen der oben angesprochenen Unvereinbarkeit das Mandat nicht antreten kann. In diesen Fällen verbleiben nämlich die für die Liste errungenen Sitze bei ihr. Der Zugpferd-Kandidat verschwindet von der Aufstellung der mit einem Mandat begünstigten Personen und alle für seine Liste errungenen Sitze werden unter den verbliebenen Kandidaten dieser Liste in der Reihenfolge der erreichten Stimmen verteilt [2].

Genau dieser Umstand dürfte es sein, den sich die Hohen Neuendorfer SPDler zunutze machen. Sie lassen Landrat und Bildungsdezernent auf ihrer Liste kandidieren und im Falle ihrer Wahl erklären sie ihren Verzicht oder lassen schlicht die Frist bis zum Einreichen eines Nachweises über die Beendigung des Dienstverhältnisses beim Landkreis verstreichen, BbgKWahlG 551 Absatz (2) [2]. Illegal ist das nicht, aber redlich ganz sicher auch nicht.

[1] https://hohen-neuendorf.de/sites/default/files/beteiligungsverfahren/bekanntmachung_der_zur_kommunalwahl_2024_zugelassenen_wahlvorschlaege.pdf
[2] https://bravors.brandenburg.de/gesetze/bbgkwahlg
[3] https://www.politische-bildung-brandenburg.de/themen/landraete-brandenburg

Text: Jan Müggenburg

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