Ein offener Brief und ein Interview von Markus Meckel in der Berliner Zeitung sorgen für Unruhe unter DDR-Bürgerrechtlern. Hildegard Vera Kaethner – früher selbst Unterstützerin des Neuen Forums – sieht bei Meckel kein Alleinvertretungsrecht für frühere DDR-Oppositionelle und wehrt sich gegen eine Vereinnahmung. Mit einem offenen Brief erinnert sie an die Friedensziele der Bewegung und belebt die Verfassungsdebatte mit ihrer Erinnerung an die DDR-Übergangs-Verfassung.
Sehr geehrter Herr Markus Meckel,
zu den in Ihrem Interview getroffenen Aussagen über kommunistische und sozialistische Ideen als auch zu Ihrer Forderung für mehr deutsche Waffen in die Ukraine, erinnere ich daran, dass die DDR- Bürgerrechtler sich zum überwiegenden Teil für die Friedensbewahrung und Völkerverständigung, unabhängig von der Staatsverfassung, aussprachen. Widerspiegelung dessen ist die Tatsache, dass aktuell über 70 % der Ostdeutschen deutschen Kriegswaffen in die Ukraine ablehnen und stattdessen Verhandlungslösungen auf dem Wege der Diplomatie fordern.
Die historischen Wurzeln der Absage jeglichen deutschen Säbelrasselns lassen sich in der Verfassung des Runden Tisches vom April 1990, ausgearbeitet von Bürgerrechtlern vom Frauenverband; FDGB, der Vereinigten Linken; Bund Demokratischer Aufbau, Bauernverband e.V. der DDR, Neues Forum, finden. In dieser DDR-Übergangs-Verfassung ist das Bekenntnis des Ziels der Schaffung einer gesamteuropäischen Friedensordnung, welche den 2.Weltkrieg in Deutschland geschaffene Lage auf der Grundlage der Aussöhnung der Völker, die von den Deutschen unterdrückt und verfolgt wurden, verankert. Des Weiteren ist im Artikel 43 festgelegt, dass die Staatsflagge der DDR die Farben schwarz -rot- gold mit dem Wappen des Mottos “Schwerter zu Pflugscharen“ trägt.
Die Runde -Tisch-Verfassung ist von westdeutscher Seite als auch von Vertretern der DDR- Bürgerbewegung, die sich als westdeutsche Steigbügelhalter verstanden, abgewiegelt worden. Ein führender Vertreter dieser DDR-Übergangsverfassung, Herr Wolfgang Ullmann
(Demokratie jetzt) stellte 1993 dazu fest: “All das wurzelt in der Sprache der Friedlichen Revolution und ihrem eingangs zitierten Kernsatz „Wir sind das Volk!“
Ullman fährt fort: „Seine Ablehnung (gemeint ist der Verfassungsentwurf) kam aus dem gleichen politischen Kalkül, das nach der Vereinigung alles tat, um eine öffentliche Diskussion über die im Grundgesetz vorgesehene Anwendung des Artikels 146 im Rahmen des Vereinigungsprozesses zu verhindern.“(Ullmann, Der Verfassungsentwurf des Runden Tisches-reelle Chance oder Utopie). Sehr geehrter Herr Meckel, Sie schlugen vor, das BRD-Grundgesetz zur Verfassung zu erklären. Ich denke, dieses Grundgesetz sollte eine Ergänzung auch hinsichtlich des eindeutigen Bekenntnisses zum Frieden als auch zur Stärkung von Menschen- und Bürgerrechten erfahren. Die Regelung des Art. 132 des Verfassungsentwurfes lautet: „ …. dass die in dieser Verfassung garantierten Menschen – und Bürgerrechte auf dem gegenwärtigen Hoheitsgebiet der DDR auch dann fortgelten, wenn sie Rechte begründen, die im Grundgesetz nicht enthalten sind.“ Diese Rechte sind eng mit dem Sozialismus-Begriff verbunden. Als Erinnerung daran, verweise ich abschließend auf das Bekenntnis von Thomas Mann zum Sozialismus, das er wie folgt formulierte: „Das Bekenntnis zur sozialen Republik und zur Überzeugung, dass der geistige Mensch bürgerlicher Herkunft heute auf die Seite des Arbeiters und der sozialen Demokratie gehört.“
Hildegard Vera Kaethner, geb. Jaab
(Neue Forums-Unterstützerin in der exDDR )
Foto: Hildegard Vera Kaethner