You are currently viewing PCK: Für die Mitarbeiter geht es um alles

PCK: Für die Mitarbeiter geht es um alles

PCK. Die für Brandenburg und große Teile Ost-Deutschlands so wichtige Raffinerie stand im Jahr 2022 wegen der Sanktionen gegen die Russische Föderation im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Das wird voraussichtlich auch im Jahr 2023 so bleiben. Die BF-Redakteure Gabriele Schade und Jan Müggenburg trafen sich mit Mitarbeitern des PCK, um über die Stimmung in der Belegschaft und in der Stadt Schwedt zu sprechen.

Mehr als 34.000 Menschen leben in Schwedt [1]. Mit ca. 1.200 Mitarbeitern [2] ist das PCK der wichtigste Arbeitgeber in der Stadt. Hinzu kommen noch die Beschäftigten anderer Unternehmen, die auf dem PCK-Gelände niedergelassen sind und als Dienstleister für die Raffinerie tätig werden. Die Verbundenheit der Schwedter mit „ihrem“ PCK ist fast schon sprichwörtlich. Für PCK-Manager aus dem Westen ist das oft eine neue Erfahrung. Sie sind eher Ablehnung im Umfeld industrieller Ansiedlungen gewöhnt.

Wir treffen zwei Vollblut-Schwedter in einem Lokal in Eberswalde. Peggy Lindemann ist 3-fache Mutter und alleinerziehend. Sie arbeitet im Labor des PCK und vertritt die Interessen der Mitarbeiter im Betriebsrat. Dazu gehört auch Jörg Hausburg, der beim PCK als Betriebsingenieur beschäftigt ist. Beide machen sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz, das PCK, die Stadt.

Peggy Lindemann glaubt der Bundesregierung kein Wort mehr. Nachdem es auf europäischer Ebene ein Teil-Ölembargo gab, das den Import russischen Öls über Pipelines ausdrücklich zuließ, scherten Deutschland und Polen aus dem Kompromiss aus [3]. Beide Länder erklärten, auch kein Pipeline-Öl mehr von Russland zu wollen. Ein Schock! Für Lindemann war klar: jetzt geht es um das PCK und damit um ihre Existenz. Jetzt geht es für sie um alles.

Die Bundesregierung versprach den PCK-Mitarbeitern für 2023 und 2024 100 % des Netto-Lohns zu erreichen, falls die Auslastung der Raffinerie sinkt und die Betreiber Kurzarbeit anmelden müssen. Doch selbst dieses Ziel ist nur zu schaffen, wenn die Gesellschafter bereit sind, den Zuschuss der Bundesregierung zum Kurzarbeitergeld aufzustocken [4].


„Einige Mitarbeiter geben sich damit zufrieden.“,

sagt Peggy Lindemann.

„Viele Mitarbeiter suchen Sicherheit. Sie müssen laufende Kredite bedienen oder stecken mitten im Hausbau.“

Den Versprechungen der Bundespolitiker misstraut sie. Die neuesten Meldungen bestätigen sie in ihrer Einstellung. Demnach wird es nun doch keine neue Pipeline geben, die vom Rostocker Hafen nach Schwedt führt [5], [6]. Die alte Leitung soll vielmehr für den Dauerbetrieb ertüchtigt werden. Die resolute Mittvierzigerin nimmt kein Blatt vor den Mund. Das bekamen auch schon Bundeswirtschaftsminister Habeck und Kanzler Scholz bei ihrem Besuch im Werk zu spüren.

Sorgen machen sich Lindemann und Hausburg nicht nur über die Glaubwürdigkeit von Politikern sondern auch über die zunehmende Militanz von Klimaschutzextremisten. Erst im März 2022 seilten sich Greenpeace-Aktivisten vom Haupttor ab und blockierten über Stunden die Ein- und Ausfahrt aus der Raffinerie. Nicht nur Mitarbeiter und Lieferverkehr waren davon betroffen. Auch ein Rettungswagen kam nicht heraus. Peggy Lindemann ärgerte sich über diesen Vorfall sehr, denn die lokale Polizei unternahm zunächst nichts und wartete stattdessen auf ein Einsatzkommando aus Berlin.

Als Nutznießer der Misere sehen Lindemann und Hausburg vor allem US-amerikanische Flüssiggashändler. Hausburg verweist darauf, dass der damalige Bundeswirtschaftsminister Altmaier bereits 2019 die politischen und rechtlichen Weichenstellungen für den LNG-Import aus den USA vorgenommen hat, vgl. [7], [8].

Bei beiden sitzt der Frust über die eigenen Kollegen und Mitbürger tief.

„Für mich ist es schwer zu verstehen, dass so viele Menschen nicht sehen, was hier läuft … dass wir nur noch die Interessen der USA verfolgen. Das habe ich auch Habeck und Scholz vorgeworfen.“,

meint Peggy Lindemann. Und Jörg Hausburg fügt hinzu:

„Viele Kollegen haben Angst vor Sanktionen bis hin zum Job-Verlust, wenn sie ihre Meinung äußern.“

Doch anstatt laut und deutlich ihre Meinung zu sagen und sich gegen die existenzbedrohende Politik aufzulehnen, schlucken viele lieber die „Beruhigungspille“, die die Politik mit dem Versprechen auf eine Gehaltsgarantie für 2 Jahre verabreicht. Außerdem glauben sie an die Transformation des PCK in eine grüne Raffinerie.

Zu der Frage, ob das möglich ist, meint Jörg Hausburg:

„Ja, das kann man schaffen. Allerdings gilt es zu beachten, dass Wasserstoff vor allem als Energiespeicher dient und mit dem heutigen Stand der Technik nur sehr wenig effizient gewonnen werden kann. Außerdem darf man nicht übersehen, dass er den in der chemischen Industrie eingesetzten Kohlenstoff nicht ersetzen kann.“

Hierfür wäre ein viel tiefgreifenderer Strukturwandel nötig, der in den kommenden 2 Jahren einfach nicht geleistet werden kann.

Zum Thema Energiekosten ergänzt Hausburg noch:

„Der energetische und anlagentechnische Aufwand für eine Wasserstoffwirtschaft ist wegen der notwendigen Verflüssigung und den Drücken von bis zu 700bar enorm. „Grün“ erzeugter Strom ist nach jetzigem Stand vielfach so teuer wie derzeit und wegen geringer Wirkungsgrade bei der Transformation muss dafür auch ein Vielfaches an Energie aufgewendet werden.“

Trotz allem sind die zweifelhaften Aussichten für das PCK nicht Lindemanns und Hausburgs größte Sorge. Noch bedrohlicher wirkt auf sie, die sich immer schneller drehende Eskalationsspirale im Ukraine-Konflikt. Die Sorge, dass Deutschland immer tiefer in diesen Konflikt hineingezogen wird, bewegt sie. Für die Zukunft wünschen sich beide vor allem Eines: Frieden.

„Die Leute müssen endlich wach werden. Heute Panzer, morgen Kampfflugzeuge und was folgt dann?“,

fragt Jörg Hausburg kritisch. Peggy Lindemann meint:

„Ich wünsche mir, dass von den Menschen Frieden und Liebe ausgehen. Denn das, was Du aussendest, kommt auch wieder zu Dir zurück.“


[1] https://www.schwedt.eu/de/schwedt-entdecken/stadtportraet/statistik/30847
[2] https://www.bundesanzeiger.de, Geschäftsbericht 2021, veröffentlicht am 09.08.2022
[3] https://www.deutschlandfunk.de/embargo-oel-russland-krieg-ukraine-100.html
[4] https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/XYZ/zukunftspaket-transformation-der-raffinerien-schwedt-und-leuna.pdf?__blob=publicationFile&v=4
[5] https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-Vorpommern/Keine-zweite-Pipeline-zwischen-Rostock-und-Schwedt,oelhafen110.html
[6] https://www.tagesspiegel.de/potsdam/brandenburg/pck-raffinerie-in-brandenburg-bund-plant-keine-zweite-pipeline-von-rostock-nach-schwedt-9245826.html
[7] https://www.youtube.com/watch?v=mJLYIXmahNM
[8] https://www.youtube.com/watch?app=desktop&v=Z2Px_09yJtU

  • Beitrags-Autor:
  • Beitrags-Kategorie:Sonstige