Die Schauspielerin Sabine Winterfeldt ist vielen aus Film und Fernsehen bekannt. Am 13.06.25 tritt sie mit Stephan Noel Lang in Oranienburg auf. Die Brandenburger Freiheit sprach mit der Wahl-Brandenburgerin über ihr Engagement für den Frieden, ihr Verhältnis zu Erich Mühsam und darüber, ob sie an einen erneuten Russland-Feldzug glaubt. Offen kritisiert Winterfeldt den Zustand der Gesellschaft und fordert mehr Basisdemokratie, moralische Integrität in der Politik sowie regelmäßige Drogentests für Spitzenfunktionäre.
BF: Fr. Winterfeldt, Ihr aktuelles Programm steht ganz im Zeichen des Friedens. Angesichts der zunehmenden Eskalation im Ukraine-Krieg aber auch der anhaltenden Gewalt im Gaza-Streifen möchte man seine Bedeutung gar nicht hoch genug einschätzen. Dennoch setzen sich nur wenige Künstler so deutlich dafür ein, wie Sie und Ihr Kollege Stephan Noel Lang. Haben Sie dafür eine Erklärung?
S. Winterfeldt: Ich kann nicht beurteilen, ob das wirklich so wenige sind. Tatsache ist aber, dass die Presse es geschafft hat, den Einsatz für Frieden als „rechts“ zu framen. Ich glaube, dass dahinter eine solide Lobbyarbeit der Rüstungsindustrie steckt. Wenn selbst ein Politiker wie Jan van Aken [Partei Die Linke, Anm. d. Red.] Rheinmetall-Aktien hält, dann sagt das viel über das gesellschaftliche Klima im Land aus.
Wir haben das schon während der Corona-Krise erlebt, als Künstler über den Hebel des Geldes auf Linie gebracht wurden. Die meisten von uns sind faktisch Tagelöhner – also ohne feste Verträge. Aus der Aktion „Alles dicht machen“ haben sich einige Teilnehmer zurückgezogen. Das geschah nicht freiwillig. Es gab handfeste Drohungen, keine neuen Verträge mehr zu erhalten oder bestehende Werbeverträge zu kündigen.
Im Ukraine- und im Gaza-Konflikt hat es Propaganda erneut geschafft, die Menschen aufzustacheln und ihnen mit Russland bzw. der Hamas genau einen Schuldigen zu präsentieren. Ich weigere mich, der verbreiteten Erzählung zu folgen. Ich bin und bleibe Pazifistin. Meine Leitmotive sind: „Du sollst nicht töten!“ und „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
BF: Sehen Sie Chancen, diesen Zustand zu ändern und den Einfluss der Propaganda zurückzudrängen?
S. Winterfeldt: Ja. Genau deshalb trete ich mit dem Programm „Selig sind die Friedfertigen – eine musikalisch-literarische Hommage an den Frieden“ auf. Das Spannende daran ist, dass Zeitzeugen aus der Zeit des 1. und 2. Weltkrieges zu Wort kommen. Die Texte sind unverändert und man erkennt, dass die Propaganda schon damals genau so funktionierte wie heute. Ohne sie geht es auch nicht. Junge Leute würden sich freiwillig niemals der Gefahr eines Kriegseinsatzes aussetzen, ohne dass ihnen vorher jemand gehörig den Kopf verdreht hat. Deshalb sehe ich es auch als meine Pflicht an, etwas zu tun, damit dieser tödliche Kreislauf durchbrochen wird und wir dauerhaft in Frieden leben können.
BF: Glauben Sie, dass sich die Beteiligung Deutschlands an einem neuen Russland-Feldzug noch verhindern lässt?
S. Winterfeldt: Ich glaube nicht an diesen Krieg. Ich sehe zwar, dass die Westmächte die Eskalation wollen. Aber ich glaube nicht daran, dass wir in diesen Krieg gehen. Wer sollte da auch hingehen? Vielleicht ein paar verzogene Tofu-Kinder oder Klebstoff-Aktivisten? Die bodenständigen Arbeiterkinder sind schlau genug, um zu wissen, dass ein Krieg kein Abenteuerurlaub ist und sie dabei nur verlieren können.
Wir leben m.E. in einer Zeit der Transformation. Seit dem Ende des 2. Weltkrieges gab es immer wieder Kriege in der ganzen Welt – seit langem nun auch wieder in Europa. Die Anschläge vom 11. September 2001 waren ohne Zweifel ein Verbrechen. Was darauf folgte, war jedoch nicht besser. Die Besetzung Afghanistans, die Bombardierung Libyens, der Irak-Krieg 2003 oder der Krieg in Syrien. Sie alle brachten immer nur unendliches Leid über die dort lebenden Menschen.
Aus diesem Grund ist es mir auch zu einfach, immer alles auf die Flüchtlinge abzuwälzen. Sie kommen meist aus reichen Ländern, ohne selbst Zugang zum Reichtum ihrer Länder zu haben. An dieser Stelle fehlt es mir bei den sogenannten „Rechten“ oft auch an dem notwendigen Maß an Empathie. Wir müssen nach oben schauen und nicht nach unten.
Immer mehr Menschen erkennen diese Zusammenhänge. Wir befinden uns quasi in einem breit angelegten Lernprozess und in einer Art Aufwachphase. Dieses Momentum ist eine riesige Chance, das wir mit unserem Programm aber auch mit den Demos von Friedlich Zusammen nutzen wollen.
BF: Neben Liedern von Bettina Wegner, Rio Reiser u.a. nehmen Texte von Erich Mühsam einen relativ breiten Raum im Programm ein. Was verbindet Sie mit Erich Mühsam?
S. Winterfeldt: Erich Mühsam ist für mich der radikalste Pazifist im deutschsprachigen Raum. Ich finde es einerseits lustig und andererseits auch perfide, wie die heute Herrschenden ihn für sich vereinnahmen wollen. Mühsam hat sich nie vereinnahmen lassen und er war auch nicht käuflich.
Er war immer gegen den Krieg – in jedem seiner Texte. In dieser Haltung ähnelt er m.E. Julian Assange.
Für mich verkörpert Mühsam in idealer Weise die perfekte Verbindung zwischen strengem Pazifismus und Humanismus.
BF: Erich Mühsam wurde 1934 von den Nazis in Oranienburg ermordet. Die Stadt Oranienburg will Mühsam bei der Neugestaltung der KZ Gedenkstätte im Zentrum Oranienburgs einen besonderen Platz einräumen. Angesichts der angespannten Finanzlage der Stadt könnte die Umsetzung dieser Pläne aber auch zum Stillstand kommen. Andererseits ist die Stadt nicht bereit, den Hinweis auf Ihr Programm im städtischen Veranstaltungskalender zu veröffentlichen. Wie bewerten Sie diesen Vorgang?
S. Winterfeldt: Darüber kann ich nur spekulieren. Vielleicht sind es Vorbehalte gegen mich oder Vorbehalte gegen Sie als Organisator der Veranstaltung. Vielleicht haben wir es aber auch ganz einfach nur mit einer kleinen Gruppe von Schreibtischtätern zu tun, die im vorauseilenden Gehorsam und im Glauben, etwas Gutes zu tun, solche Entscheidungen treffen. Einige von ihnen sollten am besten mal wieder zu Heinrich Mann greifen und den „Untertan“ lesen.
Ich rede grundsätzlich mit jedem. Aber Leute, die immer nur Befehle befolgen oder unhinterfragt verbreiteten Narrativen folgen, sind mir suspekt.
BF: Sie sprechen damit die System-stabilisierende Rolle der loyalen Helfer in den mittleren Hierarchieebenen an. Wie könnte man deren Einfluss beschränken?
S. Winterfeldt: Ganz ehrlich: unser System ist verrottet und muss von Grund auf reformiert werden. Leider haben wir es nach dem Mauerfall versäumt, es einer sorgfältigen, kritischen Prüfung zu unterziehen.
Es ist unfassbar, was alles mit unseren Steuergeldern passiert und wie wenig die Bürger darüber erfahren. Wir brauchen m.E. mehr Basisdemokratie und mehr Transparenz. Politiker müssen für Ihr Handeln auch Haften insbesondere bei Steuerverschwendung und nachgewiesener Korruption.
Im Übrigen ist auch unser Beamtenapparat zu groß geworden. Beamte sollten auch in die sozialen Sicherungssysteme einzahlen.
Und dann stelle ich mir immer wieder die Frage, wer eigentlich charakterlich geeignet ist, für andere Menschen Verantwortung zu übernehmen. Während das auf der kommunalen Ebene noch funktioniert – durchaus auch Partei-übergreifend – sehe ich zunehmende Persönlichkeitsdefizite je weiter man auf der Karriereleiter nach oben schaut. Auf Bundesebene sind wahrscheinlich schon 90% ungeeignet. Hier wären regelmäßige Drogentests vielleicht ein Weg, die Qualität des Personals aufzubessern.
BF: Frau Winterfeldt, vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Jan Müggenburg für die Brandenburger Freiheit, der für die Bürgerinitiative Oberhavel-Steht-Auf die Veranstaltung mit Sabine Winterfeldt und Stephan Noel Lang organisiert.
