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Opfer der Desinformation

Antisemitische Vorfälle, rechtsextreme Gruppierungen, Verschwörungstheoretiker oder wenigstens die AfD als Initiator von Versammlungen gegen die Corona-Maßnahmen. Irgendetwas sollte sich doch finden lassen, um das erhöhte Versammlungsgeschehen in Brandenburg im 2. Quartal 2022 zu erklären und Maßnahmen-kritische Versammlungen als rechtsextreme Propagandaplattformen zu entlarven. Mit vielen Vorurteilen und Klischees bestückt leitet die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (DieLinke) ihre Kleine Anfrage an die Brandenburger Landesregierung ein (Drucksache 7/5771) [1].

Johlige beruft sich in der Vorbemerkung zu ihrer Kleinen Anfrage auf „Presseberichte“, ohne dabei auch nur eine Quelle anzuführen. Die notwendigen Fakten zur Bestätigung ihrer Vorurteile sollte nun endlich die Landesregierung liefern. Doch die Rechnung ging nicht auf.

„Erkenntnisse, wonach es bei den Versammlungen im 2. Quartal 2022 zu antisemitischen Vorfällen gekommen sein soll, sind der Landesregierung nicht bekannt.“,

heißt es in der Antwort des Innenministeriums [2]. Damit ergibt sich auch im Vergleich zum 1. Quartal kein anderes Bild [3].

Generell bemerkt das Innenministerium:

„Die Beantwortung der Fragen erfolgt auf der Grundlage von Angaben zu offiziell bei der Versammlungsbehörde angemeldeten Versammlungen sowie der Auswertung polizeilicher Daten, die aus Gründen der Gefahrenabwehr oder der Verhinderung von Straftaten oder der Strafverfolgung erhoben wurden. Eine lückenlose Beantwortung aller Frageninhalte im Sinne dieser Anfrage ist daher nicht möglich. Über im Zusammenhang mit Versammlungen festgestellte Straftaten der politisch motivierten Kriminalität wird im Rahmen parlamentarischer Fragen fortlaufend berichtet.“

Diese Einschränkung lässt natürlich Raum für Interpretationen und Spekulationen. Mit einem gewissen Hang zu Verschwörungstheorien werden Demo-Mottos wie „Zurücknahme sämtlicher Grundrechtseinschränkungen“ (Hennigsdorf), „Für Freiheit, Menschenrechte und Selbstbestimmung“ (Mahlow) oder „Spaziergang für ein friedliches Miteinander, für Meinungsfreiheit und Demokratie“ (Forst) schnell zur raffinierten Tarnung rechtsextremistischer Aktionen uminterpretiert.

Interpretationsspielraum bleibt auch bei der Zahl angegebener Straftaten. Dazu zählen beispielsweise Verstöße gegen das Versammlungsgesetz. Sie können von innerhalb der Versammlung auftreten oder auch von außen herangetragen werden, z. B. von Störern. Letzteres ist gar nicht so selten. Erst am Montag, 01.08.2022, kam es in Oranienburg wieder dazu. Ein Passant am Randes des Aufzuges wollte den Teilnehmern seine Geringschätzung mit zwei ausgestreckten Mittelfingern deutlich machen, hektisch und aggressiv gestikulierend. Möglicherweise sollte damit sogar Gewalt provoziert werden. Doch deeskalierende Ordner und besonnene Teilnehmer beruhigten die Lage noch bevor die Polizei eingreifen musste.

Ob Andrea Johlige mit der Antwort auf ihre Kleine Anfrage zufrieden ist bleibt ungewiss. Bis zum 06.08.2022 gab es keine Mitteilung dazu auf ihrer Webseite [4]. Allerdings leistete Johlige der Brandenburger Demokratie- und Bürgerrechtsbewegung unfreiwillig einen wertvollen Dienst. Der Anhang in der Antwort des Innenministeriums enthält eine hervorragende Übersicht, über kleinere Gruppen auch in entlegeneren Landesteilen [2], [3]. Für den Vernetzungsprozess in Brandenburg sind dies also wichtige Dokumente.

[1] https://www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de/starweb/LBB/ELVIS/parladoku/w7/drs/ab_5700/5771.pdf
[2] https://www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de/starweb/LBB/ELVIS/parladoku/w7/drs/ab_5900/5952.pdf
[3] https://www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de/starweb/LBB/ELVIS/parladoku/w7/drs/ab_5500/5553.pdf
[4] https://andrea-johlige.com/category/landtag/anfragen/ , abgerufen am 13.08.2022, 13.00 Uhr

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  • Beitrags-Kategorie:Politik