Estéban Cortez ist gern gesehener Gast auf den Demonstrationen der Grundrechts- und Friedensbewegung. Mit Gitarre und ironisch-bissigen Texten begleitet er kritisch das aktuelle Zeitgeschehen. Neben der Musik sorgt ein Schuss Humor immer wieder für eine gelöste Stimmung unter den Teilnehmern. Die BF sprach mit dem Potsdamer über seine Musik, das Demogeschehen und das dünne Eis unter unseren Füßen.
BF: Esteban, Deine Musik hat längst die Herzen vieler Menschen erobert. Bei den verschiedenen Demos – vor allem in Ostdeutschland – bist Du gern gesehener Gast und als Teil der Bewegung kaum noch wegzudenken. Seit wann machst Du das eigentlich?
EC: Am Anfang der Corona-Krise lebte ich sehr zurückgezogen in meiner privaten Nische. Mit der Zeit beschlich mich aber ein wachsendes Unbehagen und ich verspürte das Bedürfnis gegen diese Politik etwas zu tun. Als Hobby-Musiker erschienen mir Lieder genau das richtige Mittel zu sein und ich begann Songs zu produzieren, die ich zunächst bei YouTube und Facebook veröffentlichte. Das war im Frühjahr ’21, als wir nachts in unsere Wohnungen eingesperrt wurden und uns tagsüber nur noch im Umkreis von 15 Kilometern bewegen durften. Das war der Auslöser. Irgendwann ging es dann mit Auftritten los. Naiv wie ich war, glaubte ich, dass ich das unter einem Künstlernamen unerkannt machen kann. War natürlich Quatsch. Als mein Arbeitgeber damals davon Wind bekam, war ich innerhalb von 30 Minuten meinen Job los. Zu singen „niemals würde ich die Grünen wählen“ passte offenbar nicht zum Selbstverständnis einer Verwaltung einer Brandenburger Stadt. Heute sind die Grünen raus aus dem Landtag und raus aus der Landesregierung und die besagte Stadt steht trotzdem noch. Die Aufregung war also umsonst. Für mich ein innerer Vorbeimarsch.

BF: Hat Dich die Geschwindigkeit dieser Konsequenz überrascht.
EC: Ja, das hat mich eiskalt erwischt. Ich habe grundsätzlich kein Problem damit, neue Wege zu gehen. Inzwischen bin ich beruflich für die AfD tätig. Aber dass Lieder zu singen solch ein Problem darstellen sollte, war für mich dann doch neu. Damit hatte ich nicht gerechnet.
BF: Machst Du die Musik nebenberuflich?
EC: Nein, das ist ein Hobby. Was mir Leute in den Hut werfen, deckt die Kosten – mehr nicht. Ich mache meinen Job auch gerne. Er bietet mir eine gewisse Unabhängigkeit, die andere Künstler wahrscheinlich nicht haben, wenn sie von ihrer Kunst leben müssen.
BF: Am 06.12.24 gibst Du ein Konzert im Schwanenkrug in Schönwalde-Glien. Siehst Du dieses Veranstaltungskonzept als willkommene Abwechslung zu den Demo-Auftritten oder doch als Modell für die Zukunft?
EC: Auftritte in Innenräumen sind in der kalten Jahreszeit natürlich sehr angenehm. Ob man ausschließlich darauf setzen sollte, weiß ich nicht. Ich bin da ganz gelassen. Im Moment ist so etwas ja wieder möglich. Aber wer weiß, vielleicht kommen auch wieder andere Zeiten.
BF: Mit rückläufigen Teilnehmerzahlen und schwindenden Orga-Teams steht das in der Corona-Krise entstandene Demonstrationsgeschehen auf wackeligen Beinen. Was wäre Dein Rat an die Organisatoren, wie sollten Sie darauf reagieren?
EC: Ich glaube, es ist egal, was ich dazu meine. Sie werden das schon meistern. Wer solange dabei ist, macht in irgendeiner Form weiter. Manche legen vorübergehend eine Pause ein. Viele organisieren die Demos 1x monatlich. Aber keiner sagte „nie wieder“.
Man muss einfach sehen, dass in dieser Zeit viele neue Kontakte und auch Freundschaften entstanden sind. Das gilt für mich selbst auch. Mein Freundeskreis ist deutlich größer geworden und erstreckt sich inzwischen über weite Teile des gesamten Landes. Aktuell gebe ich auch mal Konzerte im privaten Kreis.

BF: Deine Fans warten bereits ungeduldig auf das neue Album. Wann ist es so weit?
EC: Am 12.12.24 wird es zunächst online auf den Streaming-Plattformen verfügbar sein. Die CD folgt dann im Januar.
Die meisten Titel sind übrigens bereits auf YouTube veröffentlicht. Tatsächlich ist es bei mir so, dass auf eine Songidee rasch eine erste Aufnahme folgt und dann möchte ich auch meist gern Feedback bekommen zunächst von meiner Frau und dann natürlich von den Leuten da draußen. YouTube bietet dafür einfach die notwendige Geschwindigkeit. Marketing-technisch ist das natürlich schlecht.
BF: Dein YouTube-Kanal hat bereits fast 40.000 Abonnenten. Findest Du, dass die Aufmerksamkeit, die Du gerade auch in den alternativen Medien erfährst, dieser stattlichen Zahl gerecht wird?
EC: Ich hatte es nicht darauf angelegt. Es hat sich einfach so ergeben. Vorbild war für mich damals in der C-Zeit Taylor, der sein komplettes Album GEMA-frei und kostenlos zum Download bereitgestellt hat. Ich dachte mir, ‚OK, das mache ich auch.‘.
BF: Deine Videos sind durchaus anspruchsvoll gestaltet. Wer produziert sie?
EC: Das machen meine Frau und ich. Wir haben uns auch in dieser Hinsicht im Laufe der Zeit künstlerisch weiterentwickelt. Wir probieren immer wieder etwas Neues aus und erschließen uns autodidaktisch neue Techniken. Allerdings macht es die moderne Technik auch leicht, sich schnell einzuarbeiten.
BF: Der Titel „Meinungsdelikt“ beschreibt die zunehmende Repression gegen die freie Meinungsäußerung. Du selbst lässt Dich davon nicht erkennbar einschüchtern. Was ist Dein persönliches Rezept gegen den wachsenden Druck zum Regierungskonformismus?
EC: Ganz ehrlich: Ich denke nicht darüber nach. All die Dinge, die heute geschehen – Jobverlust, Hausdurchsuchungen – waren früher unvorstellbar. Wahrscheinlich hätte ich Schwierigkeiten, damit klarzukommen, wenn ich pausenlos darüber nachdenken würde.
BF: Wie lange wird Dir Deiner Meinung nach noch die grundgesetzlich verbriefte Freiheit der Kunst einen gewissen Schutz gewähren?
EC: In den sozialen Netzwerken lese ich immer wieder Kommentare wie „Du hast ja Mut!“. Das freut mich natürlich. Gleichzeitig bedeutet das damit verbundene Erstaunen aber auch, dass die aktuellen Einschränkungen zumindest zum Teil akzeptiert werden.
Es mag sein, dass ich mich aktuell auf dünnem Eis bewege. Aber ich glaube, für die herrschenden Politiker ist das Eis dünner.
BF: Auf Deinem YouTube-Kanal äußerst Du auch Enttäuschung über Künstler-Kollegen wegen ihres Schweigens zu den aktuellen Entwicklungen. Was wäre Dein Rat an die bereits aufgeweckten aber schweigenden Kollegen, um den Sprung über den eigenen Schatten zu schaffen?
EC: Ich frage mich schon lange, warum die Kollegen nicht auf die Straße gehen. Die Leute sind da, sie freuen sich, sind dankbar für die Musik und ein aufwendiges Marketingkonzept braucht man auch nicht. Sicherlich ist es für Künstler schwieriger, die von ihrer Kunst leben müssen. Das ist bei mir anders. Dennoch wäre mein Rat: Nicht darüber nachdenken, einfach machen!
BF: Vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Jan Müggenburg für die Brandenburger Freiheit.
