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Steht auf für unser Selbstbestimmungsrecht!

Ein Aufruf zur Beteiligung an einer Verfassungsbeschwerde gegen den Bundestag wegen verfassungswidriger Ratifizierung des Freihandelsabkommens mit Kanada (CETA), die unser Wahl- und Selbstbestimmungsrecht untergräbt.
Ein Gastbeitrag von Adi Golbach, Werder (Havel)

FREIHANDELSABKOMMEN – GEFAHR UND CHANCE
„Freihandelsabkommen“ ist ein harmlos klingendes Wort, mit dem jedoch große Gefahren für Demokratie und Selbstbestimmung verbunden sind. Sie betreffen zentrale Bereiche wie Demokratie, Arbeitnehmerrechte und Umweltschutz.

Damit hat dieses Thema aber auch das Potenzial, endlich alle freiheits- und friedliebenden Kräfte in diesem Land zu bündeln, eingeschlossen Parteilose, Nichtwähler, Gewerkschaften, Friedensbewegung. Doch natürlich auch Parteimitglieder, die für die Ziele „Frieden schaffen ohne Waffen“, bürgerliche Freiheitsrechte, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz stehen. Dies sind zugleich die Ziele, welche die meisten Menschen hierzulande unterstützen, jedenfalls dann, wenn ihnen nicht durch eine manipulative Presse der Kopf verdreht wird.

GemeinWOHL-Lobby
Es ist an der Zeit, dass wir die kreative Kraft der Menschen in unserem Land voll ausschöpfen und gemeinsam eine lebenswerte Zukunft schaffen. Das ist das Kernziel der GemeinWOHL-Lobby [1] (siehe auch Textkasten unten). Deshalb arbeiten wir an einer erstmals in der deutschen Geschichte vom Volk selbst gegebenen Verfassung. Und wir mischen uns auch schon jetzt im Rahmen des Grundgesetzes für die Belange des Gemeinwohls ein. Dazu gehört aktuell der Kampf gegen die Freihandelsabkommen mit einer Verfassungsbeschwerde.

GRÜNDE DER VERFASSUNGSBESCHWERDE
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen den Deutschen Bundestag. Dieser hat es unter Verstoß gegen das Grundgesetz unterlassen, vor der Ratifizierung der Verträge am 1.12.2022 eine Volksabstimmung über die Ersetzung des Grundgesetzes durchzuführen. Durch diese Ratifizierung droht uns der Verlust unseres völkerrechtlich verankerten Selbstbestimmungsrechts. Das Grundgesetz darf nämlich gemäß Artikel 20 und 146 GG nur vom deutschen Volk durch eine andere Verfassungsordnung ersetzt werden [2].

Im Geltungsbereich der Freihandelsabkommen JEFTA (EU-Japan), EUSFTA (EU-Singapur) und CETA (EU- Kanada) würde das Grundgesetz nicht mehr gelten. Diese neuen Freihandelsverträge würden unter der Leitung von Handelsausschüssen ausgeführt, die an den Parlamenten vorbei Beschlüsse fassen und Verträge sogar verändern könnten. Die deutschen Staatsorgane wären in diesen Handelsausschüssen nicht vertreten! Der Bundestag hätte keinen Einfluss mehr auf diese Beschlüsse. Das Grundgesetz hätte dort somit seine Gültigkeit verloren.

WORUM GEHT ES DEN GLOBALEN KONZERNEN?
Worum es den globalen Konzernen tatsächlich geht, sagte Percy Barnevik, Exvorstandspräsident des multinationalen Konzerns ABB (ein Energie- und Automatisierungstechnikkonzern mit Hauptsitz in Zürich) in seiner Ansprache zum jährlichen Meeting des Konzerns bereits 1996:

Ich definiere Globalisierung als die Freiheit unserer Firmengruppe, zu investieren, wo und wann sie will, zu produzieren was sie will, zu kaufen und zu verkaufen, wo sie will, und alle Einschränkungen durch Arbeitsgesetze oder andere gesellschaftliche Regulierungen so gering wie möglich zu halten.“

Beispiel CETA
CETA bedeutet »Comprehensive Economic and Trade Agreement« und ist ein Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada über zollfreien Handel und Investitionsschutz.

Seit 2009 wurde der Vertrag unter strenger Geheimhaltung verhandelt. Wirtschaftslobbyisten erhielten erheblichen Einfluss auf den Vertragstext. Öffentlichkeit und Parlamente blieben von den Verhandlungen ausgeschlossen. Nach der Ratifizierung des Vertrags auf europäischer Ebene ist es bereits im September 2017 in großen Teilen vorläufig in Kraft getreten. Danach ging es zur Ratifizierung auf nationaler Ebene in die Parlamente der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten.

Der Bundestag hat am 1. Dezember 2022 einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Ratifizierung des CETA angenommen und damit ratifiziert. CETA wird nur deshalb noch vorläufig ohne die Paralleljustiz angewandt, weil noch nicht alle Mitgliedsstaaten der EU den Vertrag ratifiziert haben. Derzeit fehlen noch elf weitere Länder, sowie die EU und Canada.

KRITIK AN CETA
Gewerkschaften, Umweltschutzverbände und Verbraucherschutzverbände, Millionen Menschen auf beiden Seiten des Atlantiks wehren sich. Mehr als 300.000 Menschen haben 2016 in Deutschland protestiert. Weil CETA unsere Demokratie aushebelt sowie den Umweltschutz und die Rechte von Arbeitnehmern und Kommunen massiv untergräbt, z.B. Verordnungen zu Gentechnik, Fracking und umweltschädliche Teersande. CETA ist ein Abkommen »neuen Typs«, das in Gesetzgebungsprozesse eingreift. Und Demokratie einschränkt.

PRIVATISIERUNG ALS EINBAHNSTRASSE
Privatisierung und Aushöhlung der öffentlichen Daseinsfürsorge: Dienstleistungsbereiche werden dem Zwang zur Privatisierung und Deregulierung überantwortet. Neu entstehende Bereiche, etwa bei digitalen Diensten, im Gesundheits- oder Bildungsbereich, werden automatisch der öffentlichen Kontrolle entzogen. Einmal deregulierte und privatisierte Bereiche dürfen nicht mehr zurückgenommen werden. Wenn z.B. eine Kommune ein Krankenhaus oder ein Wasserwerk privatisiert hat, kann es dieses nicht zurückkaufen, selbst nach schlechten Erfahrungen mit privaten Betreibern. Die öffentliche Förderung von Einrichtungen der kulturellen Daseinsvorsorge, wie z.B. Volkshochschulen, ist ebenfalls gefährdet. Ausländische Investoren könnten unter CETA sogar gegen neue Abgaben klagen, etwa gegen eine Vermögenssteuer.

SUPRANATIONALE GERICHTSBARKEIT
CETA schafft eine Paralleljustiz für Investoren. CETA verankert die Investitionsfreiheit mit einklagbaren Rechten. Damit kommen auf die Staaten Klagen in Milliardenhöhe zu. Bereits die Androhung von Klagen lässt Regierungen vor Gesetzgebungsinitiativen zurückschrecken, die zu Konflikten mit den Konzernen führen könnten. Im Fall einer Konzernklage wird allein auf Grundlage dieses Handelsvertrags entschieden. Gesetze und Verträge zum Umweltschutz, zu Menschen- und Arbeitnehmerrechten spielen keine Rolle.

Unternehmen können die Vertragsstaaten vor Schiedsgerichten verklagen, wenn sie ihre Profite durch Gesetzgebungen in den Ländern eingeschränkt sehen. Beispiele aus Verträgen mit Investorenschutz: Mexiko wurde von einem US-Konzern wegen einer Zusatzsteuer auf Maissirup verurteilt, Ägypten vom französischen Veolia nach der Erhöhung des Mindestlohnes. Unternehmen mit Sitz in einem Vertragsstaat, dessen Gesetze bestimmte Dinge erlauben (z.B. Fracking, Erdölbohrungen in Naturschutzgebieten), haben das Recht, den anderen Vertragsstaat auf Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns zu verklagen. Und Achtung: von den Klagemöglichkeiten könnten nicht nur Konzerne aus der EU und Kanada Gebrauch machen, sondern auch Tochterunternehmen, z.B. in den USA.

Auch Banken, Finanzdienstleister können ein Schiedsverfahren verlangen. Im Falle einer Finanzkrise könnten Finanzinvestoren dagegen klagen, an den Kosten beteiligt zu werden.

ABER!
Wir Bürger nicht. Auch Gewerkschaften nicht, z.B. wenn gegen Arbeits-Vorschriften verstoßen wird. Verstöße gegen Arbeitnehmer- und Umweltrechte sind nicht einklagbar. Es gibt keine Möglichkeit, gemeinwohlschädigende Handlungen der Konzerne zu sanktionieren. Gegen die Beschlüsse der Handelsausschüsse kann nicht geklagt werden. Die Regierungen können die Beschlüsse im EU-Rat zwar ablehnen, aber sie können ohne weiteres überstimmt werden. Und wenn sie dann die Beschlüsse nicht ausführen, obwohl sie nicht zugestimmt haben, können sie von der EU verklagt werden, dass sie die EU-Bestimmungen nicht einhalten. Das kann regelmäßig für die Bürger sehr teuer werden.

CETA wäre nach Inkrafttreten völkerrechtlich bindend. Es würde sich nur schwer zurücknehmen lassen. Die berüchtigte »Zombieklausel« sieht für den unwahrscheinlichen Fall einer Kündigung des Vertrages sogar vor, dass die Klagerechte für Investoren noch weitere 20 Jahre wirksam bleiben. Darüber hinaus ist CETA als ein »lebendes Abkommen« konzipiert. Ein »Regulierungsforum« soll geplante Gesetze und Vorschriften „frühestmöglich“ daraufhin prüfen, ob sie Konzerninteressen beeinträchtigen. Bedeutet konkret: noch vor Einbringung in das Parlament.

Wirtschaftslobbyisten können also unliebsame Gesetzesentwürfe aus dem Verkehr ziehen, noch bevor Parlament und Öffentlichkeit davon erfahren. Der »Gemischte CETA-Ausschuss« könnte den Vertrag nachträglich sogar verändern und erweitern – ohne Rückbindung an Parlamente.

WAS KANN JEDER TUN?
Sich an der Verfassungsbeschwerde beteiligen! Das geht ganz einfach auf www.gemeinwohl-lobby.de/verfassungsbeschwerde; Vollmacht für einen Anwalt unterschreiben und an Sammeladresse schicken. Das war’s. Es kommen keinen Kosten auf Euch zu und keine nachträglichen Verpflichtungen.

WIE SIND DIE ERFOLGSAUSSICHTEN DER BESCHWERDE?
Das Bundesverfassungsgericht hat in vorherigen CETA-Urteilen anerkannt, dass mehrere Vertragsbestandteile nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sein könnten. Allerdings ohne genauere Untersuchung. Deshalb ist eine erneute Verfassungsbeschwerde wichtig.

Nach dem Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts [1] sind die Staatsorgane nicht berechtigt, das Grundgesetz eigenmächtig aufzugeben. Nur das Volk darf das.

Die Bürgerinitiative GemeinWOHL-Lobby wurde Ende 2020 von der bekannten Bürgerrechtlerin Marianne Grimmenstein gegründet. Sie hatte 2016 gegen das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, CETA, die mit 70.000 Klägern größte deutsche Bürgerklage vor dem Bundesverfassungsgericht organisiert. Etwa eine halbe Million Menschen unterschrieben damals ihre Petition. Zahlreiche Organisationen schlossen sich der Initiative an. In Berlin kam es im Oktober mit 250.000 Teilnehmern zu einer der größten Demonstrationen überhaupt. Dieses Potenzial müssen wir auch jetzt wieder mobilisieren!

Der Autor Adi Golbach ist Ansprechpartner der GemeinWOHL-Lobby für Berlin und Land Brandenburg. Er gehört auch zum Koordinationskreis der Montagsdemonstrationen in Werder (Havel) und der Initiative „Werder steht auf“.

[1] www.gemeinwohl-lobby.de
[2] https://ogy.de/vpj8; https://ogy.de/8575

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