You are currently viewing Hauptsache Wasserstoff

Hauptsache Wasserstoff

Brandenburgs Landesregierung setzt auf einen tiefgreifenden Strukturwandel mit Wasserstoff als Energieträger, kann aber keine Angaben über den zu erwartenden Effekt auf die Treibhausgas Emissionen machen. Klar ist lediglich: Trotz vergleichsweise hoher Stromproduktion aus erneuerbaren Energien wird das Bundesland in großem Umfang Wasserstoff importieren müssen. Wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion zieht die „Deindustrialisierung Brandenburgs“ als „realistische Gefahrenlage“ in Betracht. Führt die Wasserstoff-Strategie der Landesregierung Brandenburg in eine Sackgasse?

Der Ausstieg Brandenburgs aus der Kohlenstoff-basierten Energiegewinnung ist beschlossene Sache. Gegenüber 1998 sollen in Brandenburg die Treibhausgas-Emissionen – vor allem CO2 – deutlich sinken. Im Bereich Energiewirtschaft um 69% und in der Industrie um 75% und das schon bis 2030. Wenn es nach dem Willen der Landesregierung geht, sinken die Treibhausgasemissionen bis 2045 in den Sektoren Energiewirtschaft, Verkehr und Gebäude sogar auf 0% sowie in der Industrie auf ca. 5% gegenüber 1990 [1].

Große Teile der Wirtschaft nutzen allerdings noch immer konventionelle Energieträger wie Kohle, Öl und Gas. Die Landesregierung verordnet der Wirtschaft daher einen tiefgreifenden Strukturwandel insbesondere in der Energiewirtschaft und der Industrie. Die Wirtschaft soll sich von den Kohlenstoff-basierten Technologien verabschieden und auf Wasserstoff-basierte Quellen umsteigen.

Ist Wasserstoff wirklich die Lösung für die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen? Mit dem Begriff „Wasserstoff“ verbinden viele Zeitgenossen vor allem „grünen“ Wasserstoff, der durch Elektrolyse aus Wasser gewonnen wird. Dieser Prozess ist nur dann CO2 neutral, wenn für ihn Strom aus erneuerbaren Energien wie Windkraft oder Photovoltaik eingesetzt wird. Doch es gibt auch andere Arten der Wasserstoffgewinnung. Grauer Wasserstoff wird aus fossilen Energieträgern hergestellt mit signifikanten CO2-Emissionen. Blauer Wasserstoff ist Grauer Wasserstoff mit Kohlendioxidabscheidung und Speicherung (CCS). Er ist bilanziell CO2-neutral. Türkiser Wasserstoff wird unter Abspaltung von festem Kohlenstoff hergestellt und gilt damit auch als CO2-neutral [2].

Für den Verarbeitungsprozess ist die Art der Wasserstoffgewinnung (grün, türkis, blau, grau) unerheblich. Wasserstoff ist Wasserstoff. Das gilt aber nicht für die C02 Bilanz und das Ziel, Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren. Mit Blick auf diese Zielsetzung ist es geradezu entscheidend, wie der verarbeitete Wasserstoff gewonnen wurde. Hohe Anteile „grauen“ Wasserstoffs machen das Ziel der CO2-Neutralität zunichte.

Doch

„Klimaneutraler Wasserstoff (egal welcher Erzeugungsart) ist derzeit nicht konkurrenzfähig zu Grauen Wasserstoff“,

erklärt die Brandenburger Landesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten Frank Bommert (CDU) [3]. Dies liege

„insbesondere am noch fehlenden Markt und an der fehlenden bzw. falsche Anreize setzenden Regulatorik.“,

so die Landesregierung [3]. Bommerts eigentliche Frage, wie hoch der Anteil von Grauem Wasserstoff am für Brandenburg zu erwartenden Energieverbrauch in den Jahren 2025, 2030, 2035, 2840 und 2045 sein wird, beantwortet die Landesregierung nicht.

Offen räumt die Landesregierung dagegen ein, dass

„der Bedarf an klimaneutralem Wasserstoff die inländische Erzeugung perspektivisch deutlich übersteigen [wird]. Daher müssen zusätzlich Importkapazitäten und entsprechende Wasserstofftransportinfrastrukturen aufgebaut werden.“ [3].

Klar ist also, dass der für die Energieerzeugung und industrielle Prozesse benötigte Wasserstoff zu großen Teilen importiert werden muss, egal wie viele Windräder hierzulande noch errichtet werden. Dabei ist Brandenburg im Bereich der erneuerbaren Energien sehr gut aufgestellt. Im Bundesvergleich (ohne MV und Saarland) lag es 2019 bei der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien pro Kopf auf Platz 2 nur knapp hinter Schleswig-Holstein, das mit seinen windreichen Küstenregionen die Statistik anführt [4].

Setzt man die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energieträgern ins Verhältnis zum jeweiligen BIP des Bundeslandes liegt Brandenburg im Bundesvergleich in 2019 sogar vorn, dicht gefolgt von Schleswig Holstein und Sachsen-Anhalt (Abb. 2).

Abb. 1, Quelle [4]
Abb. 2, eigene Darstellung, Datenquelle [5], [6]

Wenn also schon die Brandenburger Landesregierung angibt, dass die eigenen Kapazitäten für die Erzeugung klimaneutralen Wasserstoffs perspektivisch nicht reichen und gleichzeitig grauen Wasserstoff für wettbewerbsfähiger hält, dann sollten sich gerade auch die wirtschaftlich starken Bundesländer Gedanken darüber machen, wie sie ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit aufrechterhalten. Daran ändern auch die installierten Off-shore-Kapazitäten nichts, die in den EE-Bilanzen der Länder nicht auftauchen. Jene 442028 Berliner, die am 12.04.23 für eine schnellere Reduktion der THG-Emissionen stimmten, sollten sich dagegen fragen, wie sie in Zukunft leben wollen und wovon.

Wie die Landesregierung sicherstellen will, dass der importierte Wasserstoff dann auch tatsächlich „klimaneutral“ ist, erläutert sie in ihrer Antwort an Bommert nicht. Somit läuft das Projekt Gefahr, vollends in die Absurdität abzugleiten. Denn es könnte sich herausstellen, dass der tiefgreifende und kostspielige Strukturwandel in Brandenburgs Wirtschaft dazu führt, dass das Land zwar selbst kaum noch CO2 emittiert, der für alle Lebensbereiche erforderliche Wasserstoff aber in Wahrheit grauer Import-Wasserstoff ist. Die mit seiner Herstellung verbundenen CO2-Emissionen entstehen dann lediglich an anderen Orten auf der Welt.

Es gibt aber noch eine weitere Option, die „Klimaziele“ der Regierung zu erreichen. Das wäre ein weitgehender Verzicht, ein Verzicht auf wirtschaftliche Aktivität und damit auf einen erheblichen Teil des erarbeiteten Wohlstandes. Dass dies keine abwegige, dystopische These ist, beweist Punkt 7 in Bommerts Kleiner Anfrage. Auch Bommert – immerhin stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion und ihr wirtschaftspolitischer Sprecher – zieht die „Deindustrialisierung Brandenburgs einschließlich des Verlustes von Tausenden Arbeitsplätzen“ als „realistische Gefahrenlage“ zumindest in Betracht. Seine Frage danach beantwortet die Landesregierung leider nur ausweichend [3].

[1] https://lfu.brandenburg.de/sixcms/media.php/9/Ziele-Klimaplan-Brandenburg.pdf
[2] https://mwae.brandenburg.de/media/bb1.a.3814.de/Energiestrategie2040.pdf
[3] https://www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de/starweb/LBB/ELVIS/parladoku/w7/drs/ab_7300/7361.pdf
[4] https://www.foederal-erneuerbar.de/uebersicht/bundeslaender/BW|BY|B|BB|HB|HH|HE|MV|NI|NRW|RLP|SL|SN|ST|SH|TH|D/kategorie/strom/auswahl/548-stromerzeugung_aus_e/jahr/2019/sicht/diagramm/#goto_548 , abgerufen am 23.04.2023
[5] https://www.foederal-erneuerbar.de/uebersicht/bundeslaender/BW|BY|B|BB|HB|HH|HE|MV|NI|NRW|RLP|SL|SN|ST|SH|TH|D/kategorie/strom/auswahl/175-stromerzeugung_aus_e/sicht/diagramm/#goto_175
[6] https://www.statistikportal.de/de/vgrdl/ergebnisse-laenderebene/bruttoinlandsprodukt-bruttowertschoepfung/bip

26.04.2023: Nachtrag zum Verhältnis aus Strom, der aus erneuerbaren Energien gewonnen wurde und dem BIP der Bundesländer in 2019 einschl. Abb. 2 sowie den Absätzen unmittelbar über und unter Abb. 2. Quellen [5] und [6] wurden entsprechend ebenfalls ergänzt.