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Lassen wir sie nicht davon kommen!

Der Brandenburger Petitionsausschuss lehnt das Rückgängigmachen der Folgen von Verstößen gegen die Maskenpflicht ab. Wie Petitionen in Brandenburg funktionieren und welche Möglichkeiten es außerdem gibt, einen Prozess zur Aufarbeitung der katastrophalen Corona-Politik anzustoßen. Ein Kommentar von Jan Müggenburg.

Eigentlich sollte es in diesem lange geplanten Beitrag nur um das Thema Petitionen an den Brandenburger Landtag gehen. Er war als Fortsetzung einer Reihe von Artikeln geplant, die sich mit den Möglichkeiten direkter Bürgerbeteiligung in Brandenburg beschäftigen. Doch meine Befassung mit diesem Thema fiel mit der Ausstrahlung der denkwürdigen Lanz-Sendung im Februar zusammen, in der Karl Lauterbach die Corona-Regeln im Außenbereich kurzerhand als „Schwachsinn“ bezeichnete und ganz nebenbei den Ländern die Verantwortung dafür zuschob [1].

Der Aufschrei in der Telegram-Gemeinde war natürlich groß. Aber sonst? Was folgte darauf? Gab es einen medialen Nachhall, reumütige Entschuldigungen oder gar Rücktritte? Nein, nichts davon. Bis heute weiß niemand, welche Maßnahmen von den politisch Verantwortlichen als untauglich eingestuft werden und welche nicht. Das Infektionsschutzgesetz ist weiterhin in Kraft. Nach Angaben der Landesregierung wurden in Brandenburg 2,45 Mio. € an Bußgeldern gezahlt [2] und noch immer werden Menschen in Brandenburg wegen Verstößen gegen die „Schwachsinns“-Regelungen verurteilt [3].

So lag es nahe, die Theorie mit der Praxis zu verbinden und selbst eine Petition gegen dieses offensichtliche Unrecht und für ein Amnestiegesetz einzureichen. Gesagt, getan. Den Petitionstext können Interessenten in der nebenstehenden Infobox abrufen.

Das Verfahren

Für das Einreichen einer Petition muss man nicht eine der gängigen Online-Petitionsplattformen nutzen. Der Brandenburger Landtag bietet selbst verschiedene Zugänge, um direkt mit dem Parlament in Kontakt treten zu können [4]. Schriftlich geht das unter Verwendung eines dafür vorgesehenen Formulars [5]

per Brief an
Landtag Brandenburg
Petitionsausschuss
Alter Markt 1
14467 Potsdam

per Fax an die Nummer:
0331 / 966 1139

Alternativ wird auch die Nutzung eines online-Formulars angeboten. Hinweise hierzu sind in der nebenstehenden Infobox zusammengefasst.
ACHTUNG! Das Senden einer einfachen E-Mail an den Petitionsausschuss wird nicht akzeptiert.

Das Verfahren ist gut, unbürokratisch, effizient, schnell. Wenige Tage nach dem Einreichen der Petition im online-Verfahren hatte ich die Eingangsbestätigung auf dem Tisch. Knapp 5 Wochen nach dem Eingang befasste sich der Petitionsausschuss bereits mit meinem Anliegen. Einen Tag später ging der Bescheid an mich per Post raus.

Die Mühelosigkeit, mit der sich eine Petition an den Landtag einreichen lässt, darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Formalismus keine Rechtsansprüche in der Sache selbst bietet. Petenten sind Bittsteller! Wer Rechtsverbindlichkeit wünscht und mehr Druck auf den Landtag und die Landesregierung ausüben möchte, sollte sich doch eher mit den beiden Artikeln zum Thema Volksentscheide befassen. Hier geht’s zum Teil 1 und zum Teil 2 .

Mit welchen Argumenten der Petitionsausschuss ein Amnestiegesetz ablehnt

Nach weniger als 6 Wochen flatterte mir also der Ablehnungsbescheid des Petitionsausschusses ins Haus – ganz unbürokratisch, effizient und schnell. Der Petitionsausschuss werde sich nicht für mein Anliegen im Brandenburger Landtag einsetzen. Das Schreiben war von Carla Kniestedt unterzeichnet, der ehemaligen RBB-Journalisten, die heute für die Grünen im Landtag sitzt und dort nicht nur den Petitionsausschuss leitet sondern auch im Sozial- und Gesundheitsausschuss vertreten ist [6].

Der Mitteilungstext verweist auf die aktuelle Beschlusslage des Landtages:

„In seiner 80. Sitzung am 26. Januar 2023 hatte der Landtag einen vergleichbaren Antrag einer Fraktion (Landtags-Drucksache 7/7046), der allerdings noch weiter gefasst war, weil er alle Verstöße gegen die Corona-Verordnungen betraf, mehrheitlich abgelehnt.“

Zudem verweist die Stellungnahme des Petitionsausschusses darauf, dass der Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz (ASGIV) den Verordnungen der Gesundheitsministerin einschließlich den darin festgelegten Maskenpflichten nicht widersprach. Dies wäre nach dem Brandenburger Infektionsschutzbeteiligungsgesetz (IfSBG) [7] durchaus möglich gewesen. Der Gesetzestext des IfSBG räumt das Widerspruchsrecht zwar dem Landtag und nicht ausdrücklich dem Ausschuss ein. Es erscheint aber durchaus sinnvoll, dass die Beurteilung der Verordnungen durch den zuständigen Fachausschuss des Parlaments vorgenommen wird.

Dieser Sachverhalt ist durchaus bemerkenswert. Denn Abgeordnete im Brandenburger Landtag können sich nicht damit herausreden, dass sie keinen Einfluss auf die Maßnahmen hatten. Lediglich die Mehrheitsverhältnisse im Ausschuss zeigen hier Grenzen auf. Und die Mehrheitsverhältnisse im Ausschuss entsprechen in etwa jenen im Parlament selbst.

Die Verweise auf die Beschlusslage im Parlament und im Ausschuss (ASGIV) mögen auf den ersten Blick plausibel erscheinen. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie sich auf Vorgänge in der Vergangenheit beziehen.

An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass alle in der Petition angeführten fachlichen Quellen neueren Datums waren und erst nach dem 26.01.2023 veröffentlicht wurden. Das gilt auch für Lauterbach’s Einstufung der Regeln im Außenbereich als „Schwachsinn“. Faktisch lag also eine veränderte Sachlage vor verglichen mit dem Zeitpunkt als die Maßnahmen von Ministerin Nonnemacher verordnet und vom Ausschuss abgesegnet wurden – aber auch gegenüber dem 26.01.2023 als die Amnestie im Landtag verhandelt wurde. Diesen Umstand berücksichtigte der Petitionsausschuss in keiner Weise.

Stattdessen vertröstet er auf die eingesetzten Untersuchungsausschüsse:

„Es bleibt abzuwarten, welche Schlussfolgerungen die vom Landtag Brandenburg zur Corona-Politik eingesetzten Untersuchungsausschüsse im Rückblick zu den staatlich verordneten Corona-Maßnahmen ziehen werden.“

Für Betroffene von Bußgeldern und laufenden Gerichtsverfahren ist das ein schwacher Trost. Angesichts der aktuellen Faktenlage wäre ein Aussetzen laufender Gerichtsverfahren das Mindeste. Ganz offensichtlich verstecken sich die Mitglieder des Petitionsausschusses mehrheitlich hinter dem Untersuchungsausschuss und spielen auf Zeit.

Brandenburg ist zwar das einzige Bundesland mit Untersuchungsausschüssen zur Corona-Politik im Landesparlament, doch das hat noch nicht viel zu bedeuten, denn:

  1. Auch die Untersuchungsausschüsse sind mehrheitlich mit Unterstützern des Regierungskurses besetzt.
  2. Über die Arbeit der Untersuchungsausschüsse ist bislang wenig bekannt. Zum ersten Untersuchungsausschuss, der seine Arbeit bereits im letzten Jahr einstellte, gibt es bis heute noch keinen Abschlussbericht.


Welche Lehren kann die Bürgerrechtsbewegung aus diesem Vorgang ziehen?

Sind Petitionen ein sinnvolles Mittel? Hierzu gibt es von mir ein klares Jein. Wer eine Petition aufsetzt, die gängigen Narrativen widerspricht, darf über eine Ablehnung nicht enttäuscht sein. Ähnlich wie beim Beschreiten des Rechtsweges liegt der Sinn dieses Mittels vor allem darin, die Fehler der Corona-Politik immer wieder anzusprechen sowie alte und neue Belege für die katastrophalen Auswirkungen vorzulegen.

Die verantwortlichen Politiker können immer wieder angeschrieben werden – direkt per E-Mail oder abgeordnetenwatch.de . Ein gutes Beispiel lieferte kürzlich der Rat für ethische Aufklärung Brandenburg mit einem Schreiben an alle Brandenburger Landtagsabgeordneten. Die BF berichtete hier.

Für die ganz Mutigen besteht auch die Möglichkeit, direkt in die kommunalen Vertretungen, in die Kreistage, Stadtverordneten- und Gemeindeversammlungen zu gehen. Denn oft gab es schon auf diesen Ebenen überschießende Reaktionen und Verstöße gegen geltende Gesetze und Verordnungen. Die Bürgerinitiative Oberhavel-Steht-Auf ist dazu übergegangen, die öffentlichen Versammlungen der kommunalen Vertretungen in ihrem Telegram-Kanal zu publizieren [9]. Aufarbeitung fängt von unten an!

Wer sich lieber persönlich der Landesregierung vorstellen möchte, sollte die Termine des Bürgerdialogs „Zur Sache, Brandenburg!“ im Auge behalten [10]. Neben Ministerpräsident Woidke stellen sich dabei auch wichtige Minister den Fragen der Bürger. Für 2023 sind folgende Termine geplant:

16.05. Landkreis Havelland
13.06. Landkreis Prignitz
12.09. Landkreis Oberhavel
10.10. Stadt Potsdam
14.11. Landkreis Teltow-Fläming
28.11. Landkreis Elbe-Elster
05.12. Landkreis Oberspreewald-Lausitz

Der für den 18.04.2023 geplante Besuch der Landesregierung im Landkreis Ostprignitz-Ruppin wurde vorläufig abgesagt. Ein Ersatztermin wird gesucht. Interessenten sollten sich regelmäßig über die Webseite der Staatskanzlei [10] informieren.

Auftritte mit Namen und Gesicht in solchen Runden sind kein Zuckerschlecken. Die Ausgrenzung und Diffamierung wird weitergehen. Sie gehört zu den wichtigsten Methoden, sich einer sachlichen Auseinandersetzung zu entziehen. Doch es gibt auch einen Hoffnungsschimmer. Im kommenden Jahr sind in Brandenburg Wahlen – Europawahlen, Landtagswahlen und Kommunalwahlen. Bei solchen Gelegenheiten geben sich Politiker gern volksnah und zeigen sich ansprechbar. Die Zeit läuft also für uns. Nutzen wir unsere Chance und lassen wir sie nicht davon kommen!

[1] https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/140941/Lauterbach-Manche-Coronamassnahmen-waren-Schwachsinn
[2] https://www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de/starweb/LBB/ELVIS/parladoku/w7/drs/ab_6500/6501.pdf
[3] https://brandenburgerfreiheit.de/wie-man-opfer-zu-taetern-macht/
[4] https://www.landtag.brandenburg.de/de/das_petitionsverfahren/13674
[5] https://www.landtag.brandenburg.de/media_fast/6/PetitionsvordruckStand%205-1-23.pdf
[6] https://www.landtag.brandenburg.de/de/kniestedt_carla/11830
[7] https://bravors.brandenburg.de/gesetze/ifsbg
[8] https://www.parlamentsdokumentation.brandenburg.de/starweb/LBB/ELVIS/parladoku/w7/drs/ab_7000/7046.pdf
[9] https://t.me/oberhavel_steht_auf
[10] https://www.brandenburg.de/sixcms/detail.php/bb1.c.611182.de