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Direkte Demokratie in Brandenburg: Grenzen des Volksabstimmungsgesetzes

2. Teil

Im ersten Teil dieser Beitragsserie haben wir das Brandenburger Volksabstimmungsgesetz und die damit verbundenen Abläufe beleuchtet. In diesem zweiten Teil sollen die Grenzen des Gesetzes untersucht werden.

Auf den ersten Blick erscheint die Brandenburger Gesetzgebung zu Volksabstimmungen (VAGBbg) sehr bürgerfreundlich [1]. Insbesondere das Quorum von 80.000 Unterstützern für das Volksbegehren (2. Stufe) fällt im Bundesvergleich gering aus [2]. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass der Landtag vielfach am längeren Hebel sitzt. Mit der Ausschöpfung von Fristen und Klagemöglichkeiten kann er das Verfahren erheblich in die Länge ziehen. Für die Durchsetzung von politischen Forderungen gegen den Landtag brauchen Basisdemokraten also einen starken Willen und einen langen Atem.

Schon die Ausformulierung des politischen Willens kann zum Problem werden. Wer hier auf kurze, plakative Forderungen setzt (Beispiel: „Wir fordern Hundetoiletten an jeder Straßenecke!“) ist bei der rechtlich korrekten Umsetzung in einem Gesetz auf die Mitwirkung des Landtages angewiesen. Dabei sind einem Aufweichen des eigentlichen Anliegens durch den Landtag natürlich Tür und Tor geöffnet.

Eine solide Kenntnis der bestehenden Rechtsgrundlage ist für die Initiatoren einer Volksinitiative Grundvoraussetzung. Man muss schlicht wissen, welche Gesetze und Paragraphen zur Verwirklichung des eigenen Anliegens an welcher Stelle zu ändern oder zu ergänzen sind. Weltfremde Vorhaben und Gesetzestexte, die zu Konflikten mit anderen Gesetzen führen, werden auf Antrag der Landesregierung oder des Landtages im Handumdrehen vom Verfassungsgericht kassiert.

Die Idee, komplexe, handwerklich gut gemachte Gesetze zum Gegenstand einer Volksinitiative zu machen, scheitert jedoch an einem völlig banalen Grund. Der Gegenstand der Volksinitiative einschließlich Begründung muss mit seinem vollen Wortlaut auf dem Unterschriftenbogen enthalten sein. Mit dieser Regelung werden dem Umfang des Textes enge Grenzen gesetzt oder den Initiatoren große Steine in den Weg gelegt. Spätestens hier wird klar: Die Macht liegt bei den gewählten Repräsentanten und nicht beim Volk.

So verwundert es auch nicht, dass es über Volksinitiativen in Brandenburg bislang noch nie zu einem Volksentscheid kam [3]. Lediglich 2 Initiativen erfüllten mit erfolgreichen Volksbegehren die Voraussetzungen dafür [4]. Bevor es jedoch zum Volksentscheid kam, gab es in dem einen Fall eine Einigung mit dem Landtag und in der Folge ein entsprechendes Gesetz, das das Anliegen der Volksinitiative in seinem Kern berücksichtigte.

Der andere Fall zeigt, dass es bei der Ausformulierung der Beschlussvorlage der Volksinitiative auf sehr viel Fachwissen, Geschick und strategische Weitsicht ankommt. Die Initiatoren der VI zur Durchsetzung eines Nachtflugverbots am BER erreichten die Annahme ihres Anliegens durch den Brandenburger Landtag. Dieses Anliegen bestand jedoch darin, der Landesregierung lediglich den Auftrag zu Verhandlungen mit den Mitgesellschaftern der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH über ein Nachtflugverbot zu erteilen. Die Landesregierung verhandelte dann auch verschiedentlich. Allerdings blieben diese Bemühungen ohne Ergebnis [5], [6]. Der Erfolg des Volksbegehrens verpuffte.

Kritik am Brandenburger Verfahren äußerte früher auch schon der Verein Mehr-Demokratie [7]. Neben der Forderung nach mehr Planbarkeit der Initiativen durch klare Regelung von Fristen will der Verein auch haushaltswirksame Volksbegehren zulassen. Ein zentrales Anliegen von Mehr Demokratie e.V. ist die Zulassung freier Unterschriftensammlungen auf der Straße für das Volksbegehren. Bislang geht dies nur durch Eintrag auf den Ämtern oder per Post.

Auch online-Eintragungen würden das Sammeln von Unterstützer-„Unterschriften“ erleichtern. Mehr Demokratie e.V. plädiert für diesen Vorschlag [7]. Tatsächlich steht der Punkt auch im Koalitionsvertrag von SPD, CDU und Grünen [8]. Seine Umsetzung noch in dieser Legislaturperiode erscheint allerdings unwahrscheinlich.

Eine Bürgerinitiative aus Oranienburg, die all die bekannten Missstände durch eine Volksinitiative ändern wollte, ist offensichtlich selbst gescheitert. Die VI erscheint in der Übersicht Brandenburger Volksinitiativen gar nicht [9]. Eine entsprechende Webseite ist nicht mehr zu erreichen. Lediglich eine Petitionsplattform erinnert noch an den Versuch [10], das Gesetz selbst von „unten“ zu reformieren.

Hier geht es zum ersten Teil.

[1] https://bravors.brandenburg.de/gesetze/vagbbg

[2] https://www.mehr-demokratie.de/uebersichtstabellen-counter/volksentscheid-verfahren/

[3] https://wahlen.brandenburg.de/wahlen/de/volksgesetzgebung/uebersicht-volksentscheide-in-brandenburg/

[4] https://wahlen.brandenburg.de/wahlen/de/volksgesetzgebung/uebersicht-volksbegehren-in-brandenburg/

[5] https://www.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.359842.de

[6] https://www.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.377947.de

[7] https://bb.mehr-demokratie.de/brandenburg/volksbegehren/reform

[8] https://www.brandenburg.de/media/bbl.a.3833.de/Koalitionsvertrag_Endfassung.pdf, S.22 oben

[9] https://wahlen.brandenburg.de/wahlen/de/volksgesetzgebung/uebersicht-volksinitiativen-in-brandenburg/

[10] https://www.openpetition.de/petition/online/volksinitiative-fuer-faire-volksbegehren-und-volksentscheide