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Interview mit Mediendissident Jörg Senße

Es ist ein ungleicher Kampf, wenn Jörg Senße den RBB vor Gericht herausfordert. Seit etwa einem Jahr verweigert er die Zahlung des Rundfunkbeitrages. Im Interview mit der BF erläutert der Brandenburger aus Groß Kreutz seine Motive und spricht von seiner Hoffnung auf ein größtmögliches Maß an Öffentlichkeit während seiner Verhandlung.

BF: Sie verweigern die Zahlung des Rundfunkbeitrages seit einem Jahr. Warum haben Sie überhaupt mit dem bestehenden System der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gebrochen? Worin besteht Ihre Kritik?

Jörg Senße: Der ÖRR berichtet m.E. völlig unausgewogen und viel zu einseitig. Seinem Auftrag aus Medienstaatsvertrag und Grundgesetz wird er nicht gerecht. Das geht soweit, dass Medien heute die Realität von Menschen schaffen. Viele Leute gehen damit leider sehr unkritisch um.

BF: Zu wessen Gunsten oder wessen Lasten fällt diese Einseitigkeit aus?

Jörg Senße: Zugunsten der Regierung mit links-grüner Tendenz. Das sehen Sie am woken Auftreten und dem Gendern. Untersuchungen unter Volontären haben bereits gezeigt, dass diese politische Richtung überrepräsentiert ist.
Viele Aussagen im ÖRR werden nicht wertneutral getroffen. Die Wortwahl der Journalisten steuert die Wertung und nimmt eine Einordnung von Personen, Ereignissen oder politischen Vereinigungen vor. Dabei wären die Medien als 4. Säule der Demokratie so wichtig. Aktuell funktioniert das aber nicht mehr.
Die alternativen Medien mit ihrem wachsenden Zuspruch stellen zwar ein Korrektiv dar, haben aber mit ihrer wackeligen Finanzierung einen klaren Nachteil. Die zwangsweise Finanzierung des ÖRR halte ich nicht für gerechtfertigt, solange der ÖRR gegen die Interessen der Bevölkerung gerichtet ist, was sich z.B. an der ständigen Kriegspropaganda zeigt.

BF: Unterstützen Sie alternative Medien finanziell?

Jörg Senße: Ja. Im letzten Jahr waren es etwa 500 Euro, die an verschiedene Medien aus dem alternativen Bereich gingen. Mir geht es also nicht um’s Geld sondern um die mangelhafte Leistung des ÖRR.
Über die Höhe der Beiträge kann man gerne diskutieren, ebenso über die Frage, in welchem Umfang Unterhaltungsangebote enthalten sein sollen. Für die indiskutable Leistung des ÖRR im politischen Bereich möchte ich jedoch nicht zahlen.

BF: Gab es einen besonderen Anlass, der das Fass zum Überlaufen brachte?

Jörg Senße: Das war zweifellos die Berichterstattung während der Corona-Zeit. Alle genannten Kritikpunkte sind dabei wie unter einem Brennglas konzentriert zutage getreten. Kritiker der Maßnahmen wurden nicht gehört. Begriffe wie „Leugner“ wurden wie selbstverständlich eingesetzt. In den Medien bestimmte eine Handvoll sogenannter Experten den öffentlichen Diskurs. Kritische Experten wurden dagegen ausgegrenzt und verunglimpft.
Viele Sachverhalte, die als Verschwörungstheorie dargestellt wurden, haben sich inzwischen bewahrheitet. Dennoch gibt es immer noch keine offensive Aufarbeitung der medizinischen, politischen und journalistischen Fehler. Im Gegenteil, Ansätze zur Aufarbeitung werden eher verhindert, wie kürzlich die Löschung eines kritischen MDR-Beitrages aus der Mediathek zeigt, offenbar weil dort kritisch über Verunreinigungen bei mRNA-Injektionen berichtet wurde.

BF: Halten Sie eine Reform des ÖRR für möglich und falls ja, wie könnte solch ein Prozess ablaufen?

Jörg Senße: Grundsätzlich halte ich eine Reform des ÖRR für möglich. Genau dazu soll mein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Potsdam einen Anstoß geben. Der Weg dorthin ist zweifellos schwierig. Er erfordert vor allem einen Wandel in den Köpfen der Mitarbeiter. Wir wissen von kritischen Mitarbeitern, die den ÖRR verlassen haben und jetzt bei alternativen Medien arbeiten. Aber das ist eine kleine Minderheit.
Vor allem muss die Verflechtung von Politik und Medien aufgebrochen werden. Kontrollmechanismen müssen wieder funktionieren. Die Rundfunkbeiräte in ihrer jetzigen Form haben versagt. Sie sollten mit Bürgern besetzt werden und ihre Besetzung sollte von einem höheren Maß an Rotation begleitet sein.
Die Details für eine Reform müssen aber von Kritikern mit mehr Expertise kommen. Als Nahziel möchte ich dazu beitragen, dass der ÖRR über Gerichtsverfahren unter Druck gerät. Ich setze darauf, dass über dieses Verfahren die Debatte über die Defizite des ÖRR und seine Reform auf eine höhere Ebene getragen wird.

BF: Am 31.01.24 stehen Sie vor dem Potsdamer Verwaltungsgericht. Bitte erklären Sie uns, warum. Wer klagt dort gegen wen?

Jörg Senße: Ich klage gegen den RBB als für mich zuständige Landesrundfunkanstalt, die ARD und ZDF vertritt. Seit 1 Jahr verweigere ich die Zahlung der Rundfunkbeiträge.
Meine Begründung hat medienpolitischen Charakter. Auf die einzelnen Kritikpunkte bin ich ja bereits eingegangen.


Jörg Senße gegen den RBB
31.01.2024, um 11.00 Uhr
Verwaltungsgericht Potsdam
Sitzungssaal 005 im EG
Friedrich-Ebert-Straße 32
14469 Potsdam

Welche Risiken gehen Sie mit dem Verfahren ein?

Jörg Senße: Am Ende könnten auf mich Gerichtskosten und die Anwaltskosten der Gegenseite in Höhe von etwa 350-500 Euro zukommen. Grundlage dafür ist der vom Gericht festgelegte Streitwert, d.h. die Summe der von mir nicht gezahlten Gebühren. Unter dem Strich steht dann ein Betrag, den sich wahrscheinlich jeder leisten kann, dem dieses Anliegen wichtig ist.

BF: Sie wünschen sich für Ihr Verfahren ein hohes Maß an Öffentlichkeit und während der Verhandlung die Unterstützung von Mitbürgern, die dem Finanzierungsmodell des ÖRR ebenfalls kritisch gegenüber stehen. Warum ist Ihnen diese Öffentlichkeit so wichtig?

Jörg Senße: Es geht nicht um das Finanzierungsmodell sondern um die Objektivität der Berichterstattung. Das Ziel ist nicht die Abschaffung des ÖRR sondern ihn wieder dorthin zu bringen, wo er laut Grundgesetz und Medienstaatsvertrag stehen sollte: unabhängig, sachlich und der Wahrheit nach bestem Wissen und Gewissen verpflichtet. Als vierte Säule der Demokratie muss der ÖRR staatsfern sein und gleichermaßen kritisch gegenüber allen politischen und gesellschaftlichen Akteuren berichten.
Ein großes öffentliches Interesse könnte dem Gericht signalisieren, dass es ein brennendes Thema behandelt, mit dem ich nicht allein dastehe. Es könnte bei den Juristen die Erkenntnis fördern, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk reformbedürftig ist.
Den Angaben der Bürgerinitiative Leuchtturm-ARD zufolge gibt es etwa 200 ähnlich gelagerte Fälle, die vor Gerichten anhängig sind. Eines davon ist bereits in der 3. Instanz vor dem Bundesverwaltungsgericht. Ich würde mich zunächst freuen, beim Gericht in der 1. Instanz mit meinen Argumenten erfolgreich durchzudringen. Falls erforderlich bin ich aber auch bereit, in die zweite Instanz zu gehen.
Ursprünglich war die Idee, mehr Leute für dieses Vorgehen zu bewegen. Möglicherweise gibt ein hohes Maß an Öffentlichkeit dem einen oder anderen einen Anstoß zum Nachdenken. Übrigens gibt es in der Bürgerinitiative Leuchtturm-ARD viele verschiedene Möglichkeiten, sich einzubringen.

BF: Georg Thiel saß für seine Weigerung aus ähnlichen Motiven für 181 Tage in Haft. Würden Sie auch so weit gehen?

Jörg Senße: Nein, ich neige nicht zum Märtyrertum. Sollte ich vor Gericht scheitern, würde ich aber auf anderen Wegen daran arbeiten, mein Ziel zu erreichen.

BF: Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei der Verhandlung.

Das Gespräch führte Jan Müggenburg für die Brandenburger Freiheit.
Foto: Jan Müggenburg