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Lebensmittelausgabe bei Wind und Wetter

Vor einigen Wochen wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass die Lebensmittelausgabe der Oranienburger Tafel e.V. in Velten-Süd am Bürgerhaus seit Jahren unter freiem Himmel stattfindet. Dieser Zustand wurde mir als Zumutung für die Menschen, die auf die Lebensmittelausgabe angewiesen sind, beschrieben. Am 13. Februar 2025 nahm ich mir Zeit, um mir ein Bild von dieser Situation zu machen und auch um mit den Menschen vor Ort zu sprechen. Ein Bericht von Gabriele Schade

Es ist ungemütlich kalt an diesem Februartag. Über Nacht hatte es geschneit. Als ich gegen 13 Uhr am Bürgerhaus in der Herman-Aurel-Ziegler-Straße eintreffe, stehen dort ein weißer kleiner LKW sowie ein blauer Transporter der Oranienburger Tafel. In dem LKW befinden sich fertig gepackte Kisten. Diese wurden am Morgen in Oranienburg von den dortigen ehrenamtlichen Mitarbeitern der Tafel gepackt. Es stehen mehrere Menschen in einer Reihe am LKW, um ihren Berechtigungsausweis vorzulegen und den Obolus von 5 Euro zu zahlen. Danach kann jeder eine Kiste mit Lebensmitteln in Empfang nehmen. Andere stehen in kleinen Gruppen zusammen und unterhalten sich. Es sind Menschen unterschiedlichsten Alters dort zu sehen. Einige Kisten mit Gemüse stehen auf dem schneebedeckten Rasen. Dort kann sich jeder nehmen, was er braucht. Aus dem blauen Transporter werden Backwaren wie Brot und Brötchen verteilt. Insgesamt sind vier Mitarbeiter der Oranienburger Tafel vor Ort. Jeder erhält eine Kiste, die mit unterschiedlichsten Lebensmitteln befüllt ist. Diese müssen dann in die eigenen mitgebrachten Taschen umgefüllt werden. Da keine Tische vorhanden sind, wird das Umfüllen am Boden im Schnee erledigt. Für ältere Menschen ist das schwer zu bewerkstelligen. Man hilft sich gegenseitig. Jedoch ist es für alle, ob jung oder alt, eine Zumutung und entwürdigend.

Ich komme mit einigen älteren Damen ins Gespräch. Sie erzählen mir, dass dieser Zustand schon seit Jahren so sei. Man habe schon vor Jahren versucht über eine Unterschriftensammlung einen Raum im Bürgerhaus zu bekommen, um nicht die ganze Zeit in der Kälte stehen. Auch sei es manchen Menschen unangenehm, in aller Öffentlichkeit bei der Tafel gesehen zu werden. Viele Ältere hätten ihr ganzes Leben gearbeitet und trotzdem reicht die Rente nicht und sie müssen zur Tafel gehen.

Bereits im Dezember 2018 machten die Tafel-Kunden über eine Unterschriftenaktion, die an die Stadtverwaltung Velten gerichtet war, auf die unzumutbare Situation aufmerksam [1].

Ein Mann berichtet mir, dass daraufhin von der Stadt Velten der Fahrradkeller im Bürgerhaus zur Verfügung gestellt wurde. Dieser ist jedoch sehr beengt. Es würden lediglich zwei Mitarbeiter der Tafel darin Platz finden und eine Person könne auch nur seine Kiste in Empfang nehmen. Die Treppe ist sehr steil (siehe Bilder) und für ältere und gehbehinderte Menschen nicht zu benutzen. Nachdem dann ein Mann auf der Treppe gestürzt sei und sich die Nase gebrochen hatte, wurde der Keller nicht mehr genutzt. Es bestand auch die Möglichkeit den Fahrstuhl zu benutzen. Jedoch beschwerten sich dann die Senioren, welche zur gleichen Zeit im Bürgerhaus zugegen waren. Die Stadt Velten und die Bürgermeisterin hätten in all den Jahren nicht wirklich ein Interesse gezeigt, Abhilfe zu schaffen und den Menschen vielleicht für ein bis zwei Stunden einen Raum zur Verfügung zu stellen.

Für manche ist der Donnerstag die einzige Möglichkeit mit anderen Menschen in Verbindung zu kommen und sich auszutauschen. Die Aktivitäten im Seniorenverein sind meistens mit Kosten verbunden und deshalb für die Menschen mit geringem Einkommen nicht durchführbar. Sie sind somit vom sozialen Leben ausgeschlossen und wünschen sich, wie beispielsweise in Hennigsdorf, einen Raum, in dem man zusammen mit anderen Menschen eine Tasse Tee oder Kaffee trinken kann.

Die Menschen, die ich getroffen habe sind alle sehr dankbar dafür, dass es die Tafel in Velten gibt.

Während der Zeit der Corona-Regierungsmaßnahmen mussten die Menschen in den damals vorgegebenen Abständen in langer Warteschlange auf der Straße stehen. Das Ordnungsamt Velten kam vorher vorbei und zeichnete die einzuhaltenden Abstände mit Kreide auf die Straße. Da das Bürgerhaus geschlossen war, stand keine Toilette zur Verfügung. Es wurde seinerzeit auch keine Miettoilette zur Verfügung gestellt.

Mir wird auch berichtet, dass wöchentlich am Freitag und Sonntag jeweils Räume im Bürgerhaus für Menschen der muslimischen Glaubensrichtung zur Verfügung gestellt werden. Dieses sorgt teilweise für Unmut bei den Menschen, die jede Woche bei Wind und Wetter auf der Straße stehen müssen.

Trotz der schlechten Witterung werden an dem Donnerstag in einer knappen Stunde 76 Kisten ausgegeben. Das ist die Menge, die im Durchschnitt ausgegeben wird. Es würden noch mehr Menschen kommen, wenn die Ausgabe diskreter erfolgen würde. Das höre ich häufiger.

Da am gleichen Abend die erste Stadtverordnetenversammlung der Stadt Velten in diesem Jahr tagte, habe ich die unzumutbaren Umstände dort in der Einwohnerfragestunde geschildert und um kurzfristige Abhilfe in Form einer Überdachung für die Ausgabe und einen Raum zum Aufenthalt gebeten. Die Bürgermeisterin Frau Hübner (SPD) teilte mir mir, dass es kurzfristig nicht möglich sei, eine Überdachung zur Verfügung zu stellen, da es sich um eine Anbaumaßnahme handeln würde. Zu der Thematik mit dem Raum hätte sich schon der Pfarrer mit der zuständigen Fachbereichsleiterin in Verbindung gesetzt. Sie teilte mit, dass sie meine Anregungen mitnimmt und versucht, Abhilfe zu schaffen.

Die AfD-Stadtfraktion hatte zu der Thematik mit den Gebetsräumen im Bürgerhaus mehrere Anfragen an die Verwaltung gestellt. Es stellte sich heraus, dass durch die Initiative des Pfarrsprengels Velten seit dem 26.05.2023 Räume für Menschen mit muslimischer Glaubensrichtung vermietet werden. Die Stadtverordneten mussten darüber nicht informiert werden, da es sich um ein Geschäft der laufenden Verwaltung handelte. Benachteiligungen anderer Glaubensrichtungen oder gemeinwohlorientierter Gruppen seien laut Frau Hübner nicht vorhanden. Die evangelische Kirche benutzt auch wöchentlich einen Raum. Von den insgesamt siebzehn Räumen sind zwölf Räume u.a. an die Senioren und den Spendenladen dauervermietet. Auch sind Räume für Rehasport und Tanzgruppen vergeben.

Am Ende des öffentlichen Teils der Stadtverordnetenversammlung äußerte dann Herr Gehring (AfD) sich zu dem Sachverhalt, dass die Menschen, die die Tafel aufsuchen im Freien stehen müssen und gleichzeitig aber Gebetsräume für Menschen muslimischen Glaubens zur Verfügung gestellt werden. Er wies daraufhin, dass es seit 2018 bekannt sei, dass ein Raum benötigt werde. Auch Frau Mihatsch von Pro Velten bat eindringlich darum, den Tafel-Kunden einen Raum, vielleicht auch an einem anderen Ort im Stadtgebiet, zur Verfügung zu stellen. Herr Noack (SPD) machte darauf aufmerksam, dass die SPD sich schon in der vergangenen Legislaturperiode dem Thema angenommen hatte und seiner Fraktion die Zustände bekannt seien. Seinerzeit wurden Gespräche geführt und der Wunsch geäußert, an diesem Standort zu bleiben. Er bat die Stadtverwaltung mit den zuständigen Akteuren zu sprechen Frau Hübner sagte abschließend dazu, dass sie selbstverständlich mit dem Träger sprechen werde.

Eine Woche nach meinem Besuch der Lebensmittelausgabe erfuhr ich, dass an dem Tag leider nicht alle Tafel-Kunden versorgt werden konnten. Da es an dem Tag keine Spenden gab, konnten nur 72 Kisten vorbereitet werden. Einige Menschen mussten mit leeren Taschen wieder nach Hause gehen.

An diesem Tag konnte in Oranienburg mangels der Spenden keine Ausgabe erfolgen. Diese erfolgt dort täglich von Montag bis Freitag. Ich erfuhr außerdem, dass von der Partei Die Linke Mitglieder vor Ort waren und Flyer zur anstehenden Bundestagswahl verteilten. Helfende Hände sollen allerdings nicht dabei gewesen sein.

Unter den Vorschlägen zum Bürgerhaushalt 2025 befindet sich dieses Mal auch eine Idee, um bedürftige Menschen zu unterstützen. Es wird eine sogenannte monatliche „Pop-Up“-Tafel im Kommunikationszentrum oder in der Ofenstadthalle vorgeschlagen.

Die Bürger von Velten und Geschäfte aus der Nähe könnten im regelmäßigen Abstand Lebensmittel und Kleidung abgeben. Diese können dann von Bedürftigen abgeholt werden. Die Stadt müsste dafür Räumlichkeiten zur Verfügung stellen und sollte es nicht genug Freiwillige geben, auch Personal stellen.

Das Thema scheint immer mehr in der Öffentlichkeit anzukommen. Ich hoffe sehr, dass zeitnah Gespräche mit den betroffenen Menschen geführt werden und dass Lösungen für die Probleme gefunden werden.

Text und Fotos: Gabriele Schade

[1] https://www.maz-online.de/lokales/oberhavel/velten/tafel-kunden-wollen-nicht-im-freien-warten-6AKNW3GYJMILSG5IJGUXO2YJ5Y.html

www.brandenburgerfreiheit.de

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