Mit einer Menschenkette zwischen den Botschaften der Ukraine und Russlands will eine Gruppe von Bürgern ein Zeichen für den Frieden setzen und die Konfliktparteien zu Verhandlungen aufrufen. Die BF sprach mit den Organisatoren Sandrine Knothe und Bernd Gutte über ihre Motivation, logistische Herausforderungen und das Corona-Handicap der Friedensbewegung.
BF: Am 20.07.24 wollen Sie mit einer Menschenkette in Berlin eine symbolische Verbindung zwischen den Botschaften der Ukraine und Russlands schaffen. Warum wollen Sie sich nicht schlicht für oder gegen eine der Konfliktparteien positionieren?
S. Knothe: Der Krieg hat zweifellos eine lange Vorgeschichte. Die Wurzeln des Konflikts reichen zurück bis zum Ende des Kalten Krieges. Wir wollen uns keine Schuldzuweisungen anmaßen. Fakt ist, dass dort Tag für Tag junge Menschen ihr Leben lassen. Das muss aufhören! Mit großer Sorge beobachten wir die zunehmende Zuspitzung und Eskalation in der Ukraine, die dazu führen können, dass auch wir hier immer weiter in den Konflikt hineingezogen werden. Anfangs ging es noch um logistische Hilfe und Helme. Dann wurden Panzer geliefert. Heute reden wir ganz offen über die Entsendung von Soldaten. Als Mutter will ich nicht, dass meine Kinder als Kanonenfutter verheizt werden.
Kriege werden letztlich nur durch Verhandlungen beendet. Jedes Leben, dass dort gelassen wird, ist eines zu viel. Deshalb fordern wir Verhandlungen – jetzt! In diesem Punkt sind wir ganz bei Helmut Schmidt: „Lieber 100 Stunden umsonst verhandeln, als eine Minute schießen.“
Gleichzeitig wollen wir auch an Russland das Zeichen senden, dass nicht alle Menschen in Deutschland der Kriegslogik folgen und Frieden wollen.
B. Gutte: Für den Ausbruch des Krieges gibt es keine Unschuldigen. Dafür sind beide Seiten verantwortlich.
Zur Wende wurde den Russen zugesagt, dass es keine NATO-Osterweiterung geben würde. Zumindest wurde das medial so verkauft. Heute will sich daran niemand mehr erinnern. Die Russen fühlen sich dadurch provoziert und hintergangen. Der sich anbahnende Beitritt der Ukraine zur NATO war dann für die Russen so etwas wie das Überschreiten der roten Linie ganz ähnlich wie seinerzeit die Stationierung sowjetischer Kernwaffen auf Kuba, die zur Kuba-Krise führte. Trotzdem fordern wir auch von Russland Kompromiss- und Verhandlungsbereitschaft.
BF: Die Friedensbewegung wird in Deutschland zu einem bedeutenden Anteil von Menschen gestellt, die auch schon gegenüber den Corona-Maßnahmen kritisch waren. Sind die üblichen Brandsiegel wie „Covodioten“ oder „Verschwörungstheoretiker“ und die daran anknüpfende Distanzierungspraxis ein Hindernis, um eine breite und wirksame Friedensbewegung aufzubauen?
S. Knothe: Nein. Ganz und gar nicht! Das ist ein ganz anderes Thema. Die Corona-Zeit ist vorbei und mein Eindruck ist, dass das negative Framing von damals nicht mehr funktioniert, wenn es um den Krieg geht.
B. Gutte: Für die breite Masse war die Lösung mit der Impfung ja sehr einfach. So einfach lässt sich das Problem des Krieges nicht lösen. Das sollte den Leuten klar sein.
Unser Verteidigungsminister will bekanntlich das Land kriegstüchtig und zu einer logistischen Drehscheibe für das Militär machen. Die mentale Vorbereitung der Menschen dazu läuft bereits auf allen Ebenen. Allerdings führt das Maß der Einflussnahme dazu, dass man hierbei überreizt. Da bin ich mir sicher.
BF: Trotz der zunehmenden Eskalation in der Ukraine und der hohen Symbolkraft Ihrer Aktion muss man Ihr Konzept als ambitioniert einordnen. Wie wollen Sie eine ausreichende Zahl von Menschen mobilisieren?
S. Knothe: Wir nutzen vor allem private Kontakte und die Netzwerke, die wir in der Corona-Zeit gewonnen haben. Außerdem suchen wir den Schulterschluss mit anderen Friedensinitiativen wie die Friko und gehen auf alternative Medien wie die NachDenkSeiten und den Demokratischen Widerstand zu und natürlich freuen wir uns auch über das Interesse der Brandenburger Freiheit.
BF: Logistisch bleibt Ihr Vorhaben dennoch eine große Herausforderung. Haben Sie eigentlich einschlägige Erfahrungen mit solchen Aktionen?
S. Knothe: Ich war bereits an der Organisation der Kundgebungen zum Tag der politischen Gefangenen beteiligt und konnte dort wertvolle Erfahrungen sammeln. Meines Erachtens war dieses Format sogar noch anspruchsvoller, weil eine Bühne organisiert sowie Künstler und Politiker für Beiträge gewonnen werden mussten. Die Abläufe waren wesentlich komplexer und erforderten mehr Koordination.
Wir sehen einfach die sehr reale Gefahr eines nuklear geführten 3. Weltkrieges und wir sehen uns in der Verantwortung, etwas zu tun. Wer, wenn nicht wir?
B. Gutte: Ich sehe das ähnlich wie Sandrine. Wir stehen einfach in der Verantwortung. Die Tatsache, dass ich selbst eher mit kleineren Aktionen Erfahrungen gesammelt habe, ist für mich zweitrangig. Man wächst mit seinen Aufgaben.
BF: Wie viele Teilnehmer werden benötigt, damit die Menschenkette auch wirklich von der einen zur anderen Botschaft reicht?
S. Knothe: Die Strecke beträgt ca. 1,4km. Der Abstand wischen den Menschen beträgt etwa 1,5m. Das bedeutet, wir benötigen knapp 1.000 Teilnehmer. Übrigens wollen wir die Teilnehmer, die ja die gesamte Strecke nicht überblicken können, über den Erfolg der Aktion informieren.
BF: Ärgert es sie manchmal, dass größere Bevölkerungsteile den Ernst der Lage nicht wahrnehmen und dagegen aufbegehren?
S. Knothe: Mich ärgert eher, dass Leute, die den Ernst der Lage erkannt haben, nichts dagegen tun.
B. Gutte: Ja, diese Leute gibt es wirklich und mich ärgert es insbesondere dann, wenn man sieht, dass sie auch Kinder haben.
BF: Letzte Frage. Gehören Sie einer Partei oder sonstigen politischen Vereinigung an?
S. Knothe: Nein.
B. Gutte: Ich auch nicht. Wir sind einfache Bürger, die ihre Verantwortung wahrnehmen.
BF: Vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Jan Müggenburg für die Brandenburger Freiheit.
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