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Wie gefährlich ist Thomas Kay für den Rechtsstaat?

Mit knapper Mehrheit gelang es SPD und Grünen, den parteilosen Kreistagsabgeordneten Thomas Kay von der Vorschlagsliste des Kreises Oberhavel für die Wahl ehrenamtlicher Richterinnen/Richter beim Verwaltungsgericht Potsdam zu streichen. Kay, der Mitglied der AfD-Fraktion ist, sah sich in der Debatte schweren Vorwürfen ausgesetzt. Wer ist der Mann und welche politischen Grundüberzeugungen vertritt er? Im Interview mit der BF bezieht Thomas Kay klar Stellung und erhebt seinerseits Vorwürfe gegen politische Kontrahenten.

BF: Was bedeutet es aus Ihrer Sicht, politisch rechts zu sein? Würden Sie sich selbst in politischer Hinsicht als Rechten bezeichnen?

Thomas Kay: Nein. In dem Begriff finde ich mich nicht richtig wieder. In sozialen Fragen stehe ich links. Ich bin aus Überzeugung Gewerkschafter und seit 25 Jahren Mitglied bei Verdi bzw. der Vorläuferorganisation ÖTV.
Rechts zu sein, bedeutet für mich, eher wirtschaftsliberale Positionen einzunehmen. Rechte vertreten die Interessen der Vermögenden. Nicht ohne Grund saß die FDP über Jahrzehnte auf der rechten Seite im Deutschen Bundestag. Das war und ist nicht meine Sache. Das klassische links–rechts-Schema bietet heutzutage jedoch kaum noch Orientierung.
So teile ich das Selbstverständnis des französischen Rassemblement National: in sozialen Fragen links, in der Frage der nationalen Identität eher rechts. Ich trete für nationale Interessen ein und bin für den Erhalt der Nation. Das deutsche Volk und die Nation haben einen Eigenwert, den es zu bewahren gilt.

BF: Was macht diesen Eigenwert aus?

Thomas Kay: Ich hoffe, Sie haben Zeit mitgebracht. Denn das kann ich unmöglich in zwei oder drei Sätzen beantworten. Meine Antwort auf Ihre Frage wird daher sehr unvollständig sein. Ich sage Ihnen einfach die ersten Gedanken, die mir durch den Kopf gehen. Ich denke sofort an die Musik von Bach und Beethoven. Ich denke an die großen Dichter und Denker Goethe, Schiller, Nietzsche und die unzähligen anderen. Zum Verständnis der Welt könnte man auch manche Stunde über Kopernikus reden. Den stärksten Einfluss auch auf mich und meine Entwicklung hatte Martin Luther. Über ihn könnten wir uns tage- und nächtelang austauschen. Wenn ich Luther auf einen Satz reduzieren müsste, wäre es der Mut zum eigenen Denken und zu einer eigenen Meinung. Der Eigenwert unseres Volkes und unserer Nation manifestiert sich aber auch gerade im technischen Fortschritt. Ingenieure wie Werner von Siemens Gottlieb Daimler, Carl Benz, Rudolf Diesel, Otto Lilienthal, Robert Bosch und nicht zuletzt der Computer-Pionier Konrad Zuse. Diese deutschen Leistungen haben die Welt weitergebracht. Unsere Kultur sowie die technischen Kompetenzen und Innovationen erfüllen mich mit Zufriedenheit und Stolz.
Allerdings habe ich, als ich angefangen hatte, politisch zu denken, ich muss so dreizehn oder vierzehn gewesen sein, lange mit Deutschland gehadert. Die Zeit des Nationalsozialismus, die zu unserer Vergangenheit gehört, konnte ich nicht mit meinem Verständnis von einem „guten Volk“ in Einklang bringen. Später hat sich mein Bild korrigiert. Ich habe von Dietrich Bonhoeffer gelesen, von der „Weißen Rose“, vom 20. Juli und vom Löwen von Münster, dem Bischoff Clemens August Graf von Galen, der leider fast in Vergessenheit geraten ist. Es gab auch im Dritten Reich Deutsche, die die wahrhaftigen Werte unserer Kultur vertreten haben.

BF: Sie sagten, Sie verstehen sich selbst nicht als „rechts“ stehen aber der AfD nah und gehören im Kreistag Oberhavel auch der AfD Fraktion an. Die AfD gilt durchaus als rechte Partei. Führende Vertreter bezeichnen sich selbst und die Partei auch so. Wie würden Sie Ihr Verhältnis zur AfD beschreiben und warum sind Sie dort eigentlich kein Mitglied?

Thomas Kay: Die AfD ist sehr wirtschaftsliberal ausgerichtet. Für mich hat die soziale Frage eine zentrale Bedeutung. Mein politisches Denken ist hier stark von Bismarck geprägt.
Der „Rechtsstempel“, der der Partei genauso wie mir aufgedrückt wird, ist bei der Wahrheitsfindung wenig hilfreich. Um es auf den Punkt zu bringen, wenn Deutschland von einer faschistischen oder anderen extremen Ideologie bedroht wäre, wäre ich auf der Seite unseres Landes und der Freiheit. Solche Gefahr geht von der AfD meines Erachtens nach nicht aus, ganz im Gegenteil, die AfD hat den Meinungskorridor erweitert. Durch die AfD gibt es in unseren Parlamenten endlich wieder Debatten, die diesen Namen auch verdienen. Eine Mitgliedschaft in der AfD will ich nicht dauerhaft ausschließen. Im Moment genieße ich allerdings, dass mir das Partei-Innenleben erspart bleibt. So kann ich mich ganz und gar auf meine Aufgabe als Stadtverordneter und Kreistagsmitglied konzentrieren. Aus meiner Zeit in der CDU und bei den Republikanern habe ich hinsichtlich Parteiarbeit nicht nur gute Erfahrungen gesammelt. Die AfD in Oberhavel und in ganz Brandenburg verfügt über wirklich herausragende Parteipolitiker. Ich vertraue den Verantwortungsträgern der AfD.

BF: Was sind Ihre politischen Ziele? Welche Werte und Prinzipien leiten Sie in Ihrer politischen Arbeit?

Thomas Kay: Der Zustand unseres Landes und seine innere Verfasstheit bereiten mir große Sorgen. Es fehlt an sozialem Ausgleich. Das freie Wort muss endlich wieder mehr Raum bekommen. Ich bin davon überzeugt, dass die Meinungsfreiheit in Deutschland in weiten Teilen nicht mehr gegeben ist. Kritische Äußerungen, ob zu Corona, der Migrationspolitik oder anderen Themen müssen wieder möglich werden, ohne ausgegrenzt zu werden. Wer wissen will, was Meinungsfreiheit wirklich ist, dem empfehle ich, Noam Chomsky zu lesen.
Meine persönlichen Leitplanken sind das römische Recht, die griechische Philosophie und der christliche Glaube.

BF: Eines der bedeutendsten Merkmale von Rechtsextremismus ist Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit. Kritik an der Zuwanderung nach Deutschland wird häufig mit Fremdenfeindlichkeit gleich gesetzt. Welches Verhältnis haben Sie zu in Deutschland lebenden Ausländern und der aktuellen Zuwanderung. Muss man Menschen in Not nicht helfen?

Thomas Kay: Hier muss man differenzieren. Da sind auf der einen Seite Gastarbeiter, die in den 60er, 70er und 80er Jahren nach Deutschland kamen. Die Migrationspolitik war damals sehr unüberlegt. Das Ergebnis sind Neukölln und Kreuzberg. Unter den Folgen dieser Politik leide auch ich. Auch mir wurde damals ein Stück Heimat genommen. Trotzdem hatte ich zu meinen ausländischen Mitschülern ein gutes Verhältnis. Ich ging in eine Klasse mit deutscher Minderheit. Diese Erfahrung hat mich natürlich geprägt.
Dennoch bin ich der Ansicht, dass wir eine qualifizierte Arbeitsmigration brauchen. Sie beginnt für mich mit einer punktgenauen Bedarfsanalyse und setzt sich mit der Prüfung fort, wer klar definierte Anforderungen erfüllt. Das wäre das kanadische Modell, das übrigens auch von der AfD gefordert wird. Unser Problem: von denjenigen, die wir bräuchten, will kaum einer nach Deutschland kommen.
Auf der anderen Seite sehe ich neuere Fluchtbewegungen von Menschen, die beispielsweise vor dem Krieg in der Ukraine flüchten. Als Christ sehe ich mich hier zur Hilfe verpflichtet. Allerdings sollte die Hilfe auch nur solange gewährt werden, bis keine Hilfe mehr nötig ist. Gerade bei den Ukrainern sehe ich in dieser Hinsicht keine Probleme. Alle ukrainische Flüchtlinge, mit denen ich sprach, wollten nach dem Krieg wieder in ihr Land zurückkehren, um es aufzubauen.
Die letzte Gruppe sind die sogenannten „vollziehbar Ausreisepflichtigen“. Brandenburgs Innenminister Stübgen teilte kürzlich mit, dass es per 22.02.2023 allein in Oberhavel 299 Personen gab, die das Land verlassen müssen. Wenn man den Rechtsstaat würdigen will und sich selbst ernst nimmt, sollte man das auch umsetzen. Letztlich würden damit Unterkünfte für 299 Ukrainer frei. Wir haben in ganz Deutschland und in Oberhavel ein politisch motiviertes Abschiebeproblem.

BF: Die Unterbringungssituation für Flüchtlinge gilt schon jetzt als sehr angespannt. Landrat Tönnies informierte auf der letzten Kreistagssitzung darüber, dass Oberhavel in diesem Jahr voraussichtlich 2400 Flüchtlinge aufnehmen muss, nachdem es im letzten Jahr bereits 3000 waren [1]. Davon werden etwa 30% Ukrainer sein [2]. 299 frei werdende Unterkünfte werden also noch nicht einmal den Bedarf für ukrainische Kriegsflüchtlinge decken. Die Verhältnisse dürften in anderen Landkreisen ähnlich ausfallen. Wie soll die Gesellschaft mit diesem Problem umgehen?

Thomas Kay: Wir werden nicht umhinkommen, genau zu prüfen, wer eine Bleibeperspektive hat. Wir werden allen, die kein Bleiberecht haben, mit Nachdruck helfen müssen, zurückzukehren. Wichtig ist, dass wir uns in diesem Zusammenhang vergegenwärtigen, dass bei allen sog. Flüchtlingswellen in den 70er Jahren aus dem Libanon, in den 80ern aus Vietnam und Sri Lanka und auch der Flüchtlings-Tsunami-Welle von 2015 ein nicht unerheblicher Teil Menschen trotz Wegfall des Fluchtgrundes in Deutschland geblieben ist. Der Rechtsstaat hat sich hier lächerlich gemacht und ganz erheblich dazu geführt, dass Teile der genannten Personengruppen keinen Respekt vor unserem Staat haben. Wenn wir uns die Clan-Strukturen in Berlin-Neukölln ansehen, hat sich ein Staat im Staate gebildet. Die einzige Kraft, die hier konsequentes Vorgehen verspricht, ist die AfD. Das hat mit Ausländerfeindlichkeit nichts zu tun, sondern mehr mit der Würdigung des Rechtsstaates.
Meiner Meinung nach wäre in den meisten Fällen Hilfe vor Ort in den Herkunftsregionen günstiger für die Betroffenen und in finanzieller Hinsicht auch für uns.
Leider will das der politische Gegner das nicht wahr haben.

BF: Auf Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und SPD/LGU/Tierschutzpartei wurden Sie von der Vorschlagsliste des Kreises Oberhavel für die Wahl ehrenamtlicher Richterinnen/Richter beim Verwaltungsgericht Potsdam gestrichen. Die Antragsteller sehen die AfD aus verfassungsrechtlicher Sicht offensichtlich nicht als Verdachtsfall sondern als erwiesenermaßen verfassungsfeindlich an und Sie als trojanisches Pferd, das den Staat „sturmreif schießen“ soll [3]. Ein Missverständnis oder ein politisches Manöver?

Thomas Kay: Das ist eindeutig ein politisches Manöver und zudem nicht besonders intelligent vorgetragen. Meines Erachtens wurde das auch so in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Ich war angenehm überrascht über die vielen positiven Reaktionen und den Zuspruch, den ich erhalten habe z. T. sogar von Menschen, die ich vorher gar nicht kannte. Eine derartige Welle der Solidarität habe ich in meiner gesamten Zeit als Kreistagsabgeordneter noch nicht erfahren. SPD und Bündnis 90/Grüne haben sich damit keinen Gefallen getan. Wer darin eine Gefahr sieht, dass ich als trojanisches Pferd den Staat „sturmreif schießen“ könnte, hat weder die Prinzipien unseres Rechtsstaates noch der deutschen Justiz verstanden. Die Antragsbegründung wurde wohl weniger aus Sorge um unseren Staat geschrieben, sondern wie ich vermute unter Einfluss von zuviel Rotwein aus dem Tetrapack.

BF: Wären Sie bereit, mit Kritikern wie Dirk Blettermann (SPD), der Sie auch persönlich scharf angegriffen hat [1], ein klärendes Gespräch zu führen?

Thomas Kay: Unbedingt. Sofort. Gerne. Ich bin immer bereit, in den Dialog zu treten.

BF: Ihre Familie hat selbst eine starke Verbindung zur Sozialdemokratie. Ella Kay – eine Verwandte – war Widerstandskämpferin in der NS-Zeit. Trifft Sie der Vorwurf, die freiheitlich-demokratische Grundordnung beseitigen zu wollen?

Thomas Kay: Ja, dieser Vorwurf trifft mich sehr da ich mich der demokratischen Grundordnung in besonderem Maße verpflichtet fühle. Es trifft zu, dass meine entfernte Verwandte Ella Kay im Widerstand war, ich möchte aber auch nicht unerwähnt lassen, dass meine Großeltern nicht Mitglied einer Massenorganisation im Dritten Reich waren. Sie haben allen Anwerbeversuchen widerstanden. Darauf bin ich stolz.

BF: Wie bewerten Sie den Umstand, dass der auch gegen Sie gerichtete Vorwurf, die freiheitlich-demokratische Grundordnung abschaffen zu wollen ausgerechnet von politischen Kräften erhoben wird, die bis vor Kurzem noch vehement für massive Grundrechtseinschränkungen eintraten?

Thomas Kay: Das ist in der Tat ein Widerspruch in sich. Zu den Vorwürfen gegen mich und auch gegen meine politischen Freunde halte ich fest, dass genau das Gegenteil der Fall gewesen ist. Ich habe in der Corona-Zeit das Wort ergriffen, bin auf die Straße gegangen und habe mich dafür eingesetzt, dass die freiheitlich demokratische Grundordnung wiederhergestellt wird. Der Vorwurf gegen mich soll wohl eine Art Ablenkungsmanöver sein. Beim Thema Corona gibt es viel im Zusammenhang mit den Grundrechtseinschränkungen aufzuarbeiten. Ich muss leider deutlich werden. Statt mir zu unterstellen, die freiheitlich demokratische Grundordnung abschaffen zu wollen, wäre die Frage nach Recht und Gerechtigkeit zu stellen. Es gab ja nicht nur lächerliche Dummheiten im Zusammenhang mit Corona (nächtliches Ausgehverbot ohne Maske), sondern die Tatsache wie Lauterbach und seine Helfershelfer sich gegen diesen Staat und die Menschen strafbar gemacht haben. Ob das die Nötigung von Pflegeberufen zu einer Impfung war oder der Frage wie es sich mit den Impfnebenwirkungen verhält, die zu schweren Erkrankungen und in vielen Fällen auch zum Tod der Menschen führten. In einer freiheitlich demokratischen Grundordnung wie ich sie mir vorstelle, würden wir uns eher mit schrecklichen Tatsachen als mit Unterstellungen beschäftigen. Abschließend möchte ich Ihnen sagen, dass diese Vorwürfe von der SPD ja schon fast einen bitteren Geschmack erzeugen.
Ich vermisse das Bemühen, einen demokratischen Minimalkonsens herzustellen.
Dass solche Vorwürfe ausgerechnet von der SPD kommen ist geschichtsvergessen. Die SPD hat unter den Verhältnissen im 3. Reich selbst extrem gelitten. Dass sie einer derartigen Verharmlosung das Wort redet, ist schlimm. Dass sie durch die gegen mich gerichteten Vorwürfe in schon abstoßender Weise das Dritte Reich verharmlosen ist unentschuldbar.
Ich danke Ihnen für Ihre Fragen und Ihre Zeit.

Hr. Kay, vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Jan Müggenburg für die Brandenburger Freiheit.

[1] https://www.oberhavel.de/Politik-und-Verwaltung/Kreistag/Livestream/ , ab ca. 00:11:00
[2] https://www.oberhavel.de/Politik-und-Verwaltung/Kreistag/Livestream/ , ab ca. 00:32:00
[3] https://www.oberhavel.de/Politik-und-Verwaltung/Kreistag/Livestream/ , ab ca. 01:07:00

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