Was andernorts gang und gäbe ist, soll in Brandenburg untersagt werden: Banner und Fahnen bei Brückenkundgebungen. Will die Landesregierung das Versammlungsrecht weiter einschränken? Eine Initiative aus dem Landkreis Dahme-Spreewald wehrt sich.
Bis zum 30.10.24 mittags schien alles klar. Am 02.11.24 würden Tamir Al-Abadi und seine Mitstreiter von den Freiheitsfunken Königs Wusterhausen auf eine Fußgängerbrücke über der A10 ziehen. Gut sichtbar für den vorbeiziehenden Verkehr wollten sie dort mit Fahnen und Bannern für Frieden zu demonstrieren. Neben Friedens- und Nationalfahnen sollte auch das beliebte Großbanner „Frieden schaffen ohne Waffen“ zum Einsatz kommen. Die Demo war angemeldet und Al-Abadi hatte nach zwei Kooperationsgesprächen mit der Versammlungsbehörde die Anmeldebestätigung bereits zugestellt bekommen – ohne Auflagen!
Vorsorglich hatte Al-Abadi gegenüber potenziellen Versammlungsteilnehmern von sich aus auf die besondere Lage des Versammlungsortes über dem Autobahnverkehr hingewiesen. Es sollten ausschließlich hochwertige Flaggen mitgebracht werden. Eine zusätzliche Sicherungsleine wurde seinerseits empfohlen.
Völlig überraschend vollzog die Versammlungsbehörde der Polizeidirektion Süd dann gestern eine Kehrtwende. Die Versammlungsbestätigung vom 28.10.24 wurde kurzerhand zurückgezogen. Die Nutzung von Flaggen wurde untersagt und nur die Nutzung eines beschrifteten Transparentes genehmigt. Wobei allerdings einer Befestigung des Transparentes an der Brücke ebenfalls untersagt wurde.
Nach Auffassung der Versammlungsbehörde drohen geschwenkte Fahnen die Autofahrer vom Verkehr abzulenken. Gegenüber Al-Abadi argumentiert sie „Angesichts dieser Gesamtumstände muss Ihr Interesse an der Durchführung der Versammlung mit den gewünschten Flaggen hinter dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs zurückzustehen“. Das Recht auf Versammlungsfreiheit sieht die Behörde dadurch nicht in unangemessener Weise eingeschränkt. Sie fügt an, dass das Anliegen der Versammlung auch durch das Hochhalten des Transparents erreicht werden kann.
Warum ein von vorbeifahrenden Autofahrern wahrgenommenes Transparent weniger ablenken soll als wahrgenommene Fahnen erschließt sich dem neutralen Beobachter an dieser Stelle nicht. Tamir Al-Abadi will sich mit der Entscheidung der Versammlungsbehörde nicht zufrieden geben. Gegen den Bescheid hat er heute beim Verwaltungsgericht in Cottbus einstweiligen Rechtsschutz beantragt.
Als Begründung führt Al-Abadi an, dass es seit über einem Jahr in der Region vergleichbare Versammlungen ohne solche Auflagen gibt. „Die Versammlungsbehörde stützt sich bezüglich der Gefährdung des Straßenverkehrs lediglich auf Vermutungen. Entsprechende Erfahrungswerte über eine tatsächliche Beeinträchtigung oder Gefährdung des Verkehrs gibt es nicht.“, so Al-Abadi gegenüber der BF.
Ob das „Brückenleuchten“ am Samstag, 02.11.2024 ab 10.30 Uhr auf der Brücke Goethebahn nahe Königs Wusterhausen mit oder ohne Fahnen stattfindet, liegt nun in der Hand des Verwaltungsgerichts in Cottbus. Die Entscheidung des Gerichts wird sicherlich von den Polizeidirektionen wie auch den Demo-Anmeldern mit großem Interesse verfolgt. Denn es ist ein offenes Geheimnis, dass den Polizeidirektionen die viel Aufmerksamkeit erregenden Brückendemos schon lange ein Dorn im Auge sind.
BF/Jan Müggenburg