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Schweigegeld? Ja oder Nein?

Die Stadt Frankfurt (Oder) und die FWA (Frankfurter Wasser und Abwasserwirtschaft) haben im Frühjahr einen Vergleich mit dem Kohlekonzern LEAG geschlossen.

Der Sulfatgehalt des Frankfurter Trinkwassers ist durch den Kohleabbau in der Lausitz stetig steigend. Frankfurt Oder erhält sein Trinkwasser über das Wasserwerk in Briesen und damit aus der Spree.

Eine hohe Sulfatkonzentration im Trinkwasser, ist für Säuglinge, kleine Kinder, sowie vorerkrankte Menschen bedenklich und kann Durchfälle auslösen. Außerdem schädigt Sulfat die Rohrleitungen und kann zu Korrosionsschäden führen und damit zu erheblichen Kosten für den Wasserversorger und die Bevölkerung.

Eine zusätzliche Gefahr für die Qualität des Trinkwassers birgt die Flutung des Cottbusser Ostsees.

Das Landesbergbauamt hat 2019 die Flutung des Ostsees, (ein ehemaliger Tagebau in Cottbus-Nord), genehmigt, ohne die Sorgen der Stadt Frankfurt (Oder), zu berücksichtigen. Daraufhin klagten die FWA und die Stadt Frankfurt (Oder) gegen den Planfeststellungsbeschluss für das Großprojekt der LEAG. Es ist zu befürchten, dass mit der Ausleitung aus dem Ostsee, die bekannte Sulfatbelastung in der Spree weiter zunimmt und die Trinkwasserversorgung der Stadt gefährdet wird.

Das zuständige Verwaltungsgericht Cottbus legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mehrere Fragen zur Vorentscheidung vor, weil die Klage die Europäische Wasserrahmenrichtlinie berührt.

Doch bevor sich die Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofes dazu äußern konnte, verständigten sich LEAG und Frankfurt (Oder) im Frühjahr 2023 auf einen Vergleich. Der Konzern zahlt 5 Millionen Euro für die Wiederinbetriebnahme des Wasserwerkes in Müllrose.

Mit dessen Wiederaufbau kann die Stadt die Bevölkerung mit Grundwasser versorgen, da dieses auf Grundwasser zugreift. Ob die Summe ausreichend ist und warum dieser Vergleich nicht öffentlich gemacht wurde, ist allerdings unklar.

Erst mit der Recherche des Essener Netzwerkes CORRECTIV kam dieser Vergleich ans Licht der hiesigen Öffentlichkeit. In Cottbus gab es vor zwei Wochen die Premiere eines Theaterstückes mit dem Namen „Kraftwerk“ in diesem geht es um „Kohle, Wasser und die Ewigkeit“. Auch Frankfurt (Oder), der Wasserverband und der mit der LEAG geschlossene Vergleich kommen darin vor.

Die Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofes hat dennoch ihre Position äußern können. Sie war der Ansicht das Landesbergbauamt hätte vor der Genehmigung des Projektes (Flutung des Ostsees) die Belange der FWA und der Menschen der Stadt Frankfurt (Oder) stärker berücksichtigen müssen. Die erteilte Genehmigung hätte nicht ohne Auflagen erfolgen dürfen und wäre nach ihrer Ansicht damit ungültig.

Wenn diese Position auch nicht rechtlich bindend ist, so hätte sie vom Verwaltungsgericht auch nur schlecht ignoriert werden können. Für das Projekt Ostsee hätte dies durchaus Folgen haben können.

Auch andere Gemeinden, die ebenso mit durch den Bergbau belastetem Trinkwasser der Spree versorgt werden, wären von einem Urteil vielleicht positiv betroffen gewesen. Auch Umweltverbände, die teilweise mehrfach aus verschiedenen Gründen gegen die LEAG Klagen eingereicht hatten, sehen den Frankfurter Vergleich sehr kritisch. Für den Bergbaukonzern LEAG hätte ein Urteil des Cottbusser Verwaltungsgerichtes, dass sich an die Positionen des Europäischen Gerichtshofes angelehnt hätte durchaus weitaus teurer werden können. Wie lange sich aber ein Prozess hingezogen hätte – seit der Klage sind über drei Jahre vergangen und der Ostsee wird bereits geflutet – ist für eine Stadt wie Frankfurt (Oder) auch ein Unsicherheitsfaktor, den man nicht außer Acht lassen darf. Ebenso ist die Empfehlung des EuGHs wohl nicht bindend für ein Urteil.

Nach Recherchen von CORRECTIV, enthält der Vergleich aber noch weitergehende Verpflichtungen. So dürfen weder Stadt noch FWA sich zukünftig dazu äußern, dass der Konzern die Trinkwasserversorgung erschwere oder gar gefährde.

Heinrich Strößenreuther (CDUler und Klimaexperte) sieht in dieser Vereinbarung ein „vorsätzliches Handeln gegen gesundes Wasser“, berichtet Correctiv. Laut Strößenreuther sei hier mit krimineller Energie gegen die Interessen eines ganzen Landstriches gehandelt worden. Die freien Wähler im Landtag wollen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses prüfen. Bisher ist auf den Seiten des Landtages dazu allerdings nichts zu finden.

Nach Aussage des Oberbürgermeisters von Frankfurt (Oder) beschränkt sich die Schweigeklausel lediglich auf den Gegenstand des Vergleichs, also die Flutung des Cottbusser Ostsees. In allen anderen Aussagen, für darüber hinaus gehende Probleme mit der LEAG, sind Stadt und FWA in ihren Handlungen frei, auch was Klagen gegen den schädlichen Einfluss von Tagebauen betrifft.

Dieser Aussage konträr gegenüber steht die Aussage von Annika Joeres, einer der drei Reporterinnen von CORRECTIV. Diese teilte der MOZ auf Nachfrage mit, dass sie bei dem Vorwurf bleiben, dass die Stadt sich auf unbestimmte Zeit nicht mehr zu den negativen Folgen des Bergbaus der LEAG aufs Trinkwasser äußern dürfe. Das Recherchekollektiv teilte mit, dass man drei Juristen zur Beurteilung der Vertragsklausel hinzugezogen hätte. Das Reportertrio forderte die Stadt, sowie den Kohlekonzern LEAG auf, den Vertrag der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Bisher (20. Oktober 2023) gibt es von Seiten der Pressestelle der Stadt Frankfurt (Oder) dazu keine Stellungnahme.

Laut CORREKTIV sagte der Umweltrechtler Alexander Brade von der Universität Leipzig, auf Anfrage: „Sowohl die Stadt Frankfurt (Oder) als auch die Frankfurter Abwassergesellschaft FWA verpflichten sich, sich künftig gegenüber Dritten nicht mehr dazu zu äußern, wenn die Tätigkeiten der Leag die Trinkwasserversorgung Frankfurts gefährdet oder erschwert. Die Klausel beinhaltet eine Verschwiegenheitspflicht, die über den eigentlichen Gegenstand des Vertrages – den Folgekosten der Flutung des Cottbuser Ostsees – hinausgeht.“ Sie gelte „uneingeschränkt und zeitlich unbegrenzt,“.

Am Samstag, den 30.09.23 lud sich der Frankfurter Oberbürgermeister, Rene Wilke in Cottbus zu einer Podiumsdiskussion, nach der ausverkauften Aufführung von „Kraftwerk“ ins Cottbusser Theater selbst ein. Das Gespräch war ohne ihn geplant. Es gab eine heiße Diskussion zwischen den Correctiv Reporterinnen Annika Joeres, Elena Kolb, sowie dem Autor von „Kraftwerk“ Calle Fuhr und dem Frankfurter Oberbürgermeister. Herr Wilke zeigte sich verletzt und wütend, weil das Stück ihn und die Stadt in die Nähe von mafiosen Strukturen rückt. Er betonte, dass die Deutung der „Schweigeklausel“ aus dem Zusammenhang gerissen wurde und ihre Interpretation nicht stimmt. Er las, nach einem Artikel im Märkischen Sonntag vom 7.10.23 dort öffentlich aus dem Vertrag vor.

Auf Nachfrage der Zeitung Märkischer Sonntag, sagte der Stadtsprecher Uwe Meier, dass die erhöhten Sulfatwerte nicht Bestandteil des Vertrages sind und diese auf der Webseite der FWA veröffentlich werden.

Sollte Correctiv weiter Halb- und Unwahrheiten über die Stadt Frankfurt (Oder) verbreiten, behalte man sich juristische Mittel vor. Ersteres wäre eine Unterlassungsklage, so Herr Meier weiter zum Märkischen Sonntag.

Ob diese rechtlichen Mittel eingeleitet wurden und oder der Vergleich zwischen Stadt und Leag öffentlich gemacht wurde oder wird, ist derzeit nicht bekannt.

Wenn alles mit rechten Dingen zugegangen ist, und die Stadt nur für sauberes Trinkwasser ihrer Bürger sorgen wollte, warum schlägt dieser Vergleich solche Wogen?? Warum sind die Bürger nicht in eine Entscheidung, ob man einen Vergleich eingeht oder den Klageweg weiter beschreitet, einbezogen worden? Auch wenn die Stadtverordnetenversammlung, der Hauptausschuss und die Gesellschafterversammlung, dieser Vereinbarung zugestimmt haben sollen, wie einem MOZ-Artikel zu entnehmen war.

Auf jeden Fall könnte es interessant sein, sich eine der Vorstellungen des Stückes „Kraftwerk“ im Cottbusser Staatstheater anzusehen. Dieses wird noch am 24.11/20.12/30.1 und am 20.2.2024 im Staatstheater Cottbus, der Kammerbühne, Wernerstraße 60, aufgeführt.

Kerstin Welke
Frankfurter Freigeist

Quellen:
[1] correctiv 23.09.23
https://correctiv.org/aktuelles/kampf-um-wasser/2023/09/23/wasser-gefaehrdet-leag-erkauft-schweigen/
[2] correctiv 27.09.23
https://correctiv.org/aktuelles/kampf-um-wasser/2023/09/27/kohlekonzern-leag-leugnet-schweigedeal-zu-unrecht/
[3] correctiv 28.09.23
https://correctiv.org/aktuelles/kampf-um-wasser/2023/09/28/schweigedeal-der-leag-opposition-erwaegt-untersuchungsausschuss/
[4] MOZ 24.09.23
[5] MOZ 28.09.23
[6] Märkischer Markt 1.10.23
[7] Märkischer Markt 07.10.23