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Wenn Emotionen auf Übereifer treffen

Die Eskalation einer polizeilichen Maßnahme im Rahmen einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung mit Testzwang und Impfdruck, die am 21.01.2022 in Hennigsdorf stattfand, mündeten am 10.01.2023 in eine Gerichtsverhandlung. Ein Gastbeitrag von Petra Weißwange.

Angeklagt waren Herr G. (77) und seine Ehefrau G. (77), beide in ihrem Wohnort in Oberhavel für ihr jahrzehntelanges gesellschaftliches Engagement bekannt und geschätzt. Der Tatvorwurf: Angriff auf Amtsträger, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Schädigung von Vollstreckungsbeamten. Letzteres sollen die Angeklagten sogar gemeinschaftlich begangen haben.

Auf dem Sitzungs-Terminplan war eine Verhandlung wegen gefährlicher Körperverletzung angesetzt. Dem Normalbürger kommen jetzt vielleicht Bilder von Kriminellen, die sich in ihrer Wohnung verbarrikadieren, oder die Bilder von Silvester in den Sinn, als sich Menschen zu Gruppen zusammenrotteten, um gezielt Rettungskräfte und Polizisten zu beschießen. Umso sprachloser machte die Unverhältnismäßigkeit, mit der die von der Staatsanwältin vorgetragenen Anklagepunkte aufgebauscht wurden, wobei die polizeilichen Aussagen nicht hinterfragt wurden. Das Verhalten der Richterin, die in der Mitte hinter Scheiben und FFP-2-Maske thronte, zeigte, dass das Gericht kein Interesse an der Aufklärung des Sachverhaltes hatte. So versuchte die Richterin wiederholt Klärungsversuche des Rechtsanwaltes des Herrn G. mit Bemerkungen in der Art, „Wie lange brauchen Sie noch, um sich neue Fragen auszudenken“ oder „die Sache ist schon längst geklärt“, abzuwürgen. Von Unparteilichkeit keine Spur!

Letztlich reduzierten sich die Anschuldigungen auf drei Ereignisse:

  1. auf die Annäherung des Herrn G. an eine polizeiliche Maßnahme, wobei Herr G. eine Tischglocke in der Hand schwenkte, die die Hand eines Polizisten getroffen haben soll, als dieser Herrn G. mit ausgestrecktem Arm stoppte;
  2. auf die später am Rande der Abschlusskundgebung auf dem Postplatz vorgenommene Identitätsfeststellung, bei der Herr G. wegen dem nicht ordnungsgemäßen Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Wiederholungsfalle ein Platzverweis angedroht wurde. Dabei blieb zweifelhaft, ob der schwerhörige und zudem stark erregte Herr G. bei der Geräuschkulisse auf dem Platz die Ansprache des Polizeibeamten in vollem Umfang wahrgenommen hat;
  3. auf den Zugriff von zwei Polizeibeamten, die, nachdem Herr G. nach der Identitätsfeststellung wieder zu seinen Begleitern in die Mitte des Platzes zurückgelaufen war, sich von der anderen Seite näherten und beide Arme des damals 76-jährigen Herrn G. ergriffen, um erneut eine polizeiliche Maßnahme durchzusetzen.

Bei dem sich aus der dritten Situation ergebenden Gerangel ging – unterstützt durch einen Griff an den Kopf von Herrn G. durch Polizeiobermeister P. – Herr G. und Polizeiobermeister R. zu Boden. Als Herr G. – wie er in seiner Eingangserklärung angab – in Todesangst um Hilfe rief, versuchte seine Ehefrau, die Angeklagte G., die erklärte, dass sie durch ihren jahrzehntelangen Einsatz als Ärztin gewohnt sei, dass die Polizei ihr den Weg zum Hilfebedürftigen freimacht, in Panik sich einen Weg zu ihrem mehrfach vorerkrankten Mann zu bahnen, der mittlerweile durch mehrere Polizeibeamte auf dem Boden fixiert war und nach Luft rang. Dabei habe Frau G., so der Vorwurf der Staatsanwältin, einen Polizeibeamten mindestens zweimal geschlagen, u.a. mit einer vermeintlichen Handtasche.

Als Zeugen wurden sechs unmittelbar in die Maßnahmen involvierte Polizeibeamte im Alter zwischen 22 und 36 Jahren befragt, darunter auch die drei geschädigten Polizisten. Der erste räumte ein, dass der Schlag mit der Glocke auch eine reflexartige Abwehr des Herrn G. gewesen sein könnte. Der zweite wertete die Umklammerung seines Beines durch die Beine des Angeklagten in dem Moment, als er Herrn G. mit einem weiteren Polizeibeamten auf dem schneeglatten Boden wegschleifen wollten, als Widerstand und Angriff gegen sich. Der dritte gab an, die Schläge gegen seinen Kopf nicht gesehen, sondern nach einem gefühlten Schlag beim Umdrehen Frau G. erkannt zu haben. Hauptkommisar R. gab an, einen Schlag von Frau G. mit einer Handtasche eindeutig gesehen zu haben, was sich aber auf dem polizeilichen Videomitschnitt aufgrund der schlechten Beleuchtung und des allgemeinen Durcheinanders nicht belegen ließ.

Das Durchschnittsalter der an den Maßnahmen beteiligten Polizisten von 28 Jahren lässt erahnen, warum die Situation auf dem Postplatz in Hennigsdorf vor dem KZ Denkmal mit der Inschrift „Den Toten zum Gedenken, den Lebenden zur Pflicht“ eskalierte. Die Zeugenaussagen waren in sich plausibel, jedoch widersprüchlich in der Frage, weswegen der körperliche Zugriff auf Herrn G. erfolgte.

Offensichtlich konnten sich die Beamten nicht in die panikartige Lage des Rentnerehepaars versetzen, das nach einem langen Leben im Dienste der Gesellschaft und als Stütze für viele Hilfebedürftige nun plötzlich über Nacht durch einige aus ihrer ärztlichen Sicht unsinnige Verordnungen, zu Kriminellen gestempelt abgeführt werden sollten.

In der Verhandlung stellte sich dann noch heraus, dass keiner der geladenen Beamten die damals gültige „Zweite Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg“ gelesen hatte, in der unter § 4 Abs. 4 diejenigen Personengruppen aufgeführt werden, die vom Tragen einer Maske befreit sind. Die Polizeibeamten folgten unreflektiert den Anweisungen der Einsatzleitung bzw. des Zugführers zur Durchsetzung der Versammlungsauflagen. Der Bürger in Uniform ist damit Geschichte!

In ihrem Plädoyer wertete die Staatsanwaltschaft die Vorkommnisse als tätliche Angriffe auf die Polizeibeamten und hob strafverschärfend die Häufung der Tatbestände, das gemeinschaftliche Vorgehen zum Widerstand und im Fall von Frau G. die besondere Schwere des Falles hervor, und war sich nicht zu schade, die schon eingangs erwähnten Fernsehbilder von Attacken auf Notärzte, Feuerwehr und Polizei heraufzubeschwören.

Die Verurteilung der Beklagten zu 10 Monaten bzw. 9 Monaten Haft, die in beiden Fällen auf Bewährung von drei Jahren ausgesetzt wurde, ruft nur Kopfschütteln hervor. Die Richterin betonte dabei noch die angebliche kriminelle Energie und warf Herrn G. vor, sich als Opfer polizeilicher Gewalt zu inszenieren und die „angebliche Schwerhörigkeit“ als Schutzbehauptung anzuführen.

Man glaubt zu träumen! Und doch ist es dasselbe Gerichtsgebäude, in dem ein Staatsanwalt vor wenigen Jahren in einem Verfahren gegen einen Mann, der mit einem Brandsatz die Wohnung eines Bekannten entzündet hatte, worin mehrere Personen fast ums Leben kamen und lebenslängliche Schäden davon trugen, erklärte, dass der Ankauf der Zutaten für den Brandsatz wenige Tage vor der Tat – also Schwarzpulver, Brandbeschleuniger und Benzin – dem Angeklagten nicht als Vorsatz ausgelegt werden könnte.

Hier treten die völlig absurden unterschiedlichen Maßstäbe zutage, mit denen in Deutschland „Recht gesprochen“ wird. Diese Gerichtsverhandlung hat erneut gezeigt, wie schwer unser Grundgesetzes – hier Artikel 3 – zuletzt durch die Corona-Maßnahmen eingeschränkt und das Rechtssystem beschädigt wurde!