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Die Hoffnung stirbt zuletzt

Die Entscheidung über das Berufungsverfahren von Julian Assange ist vertagt. Vom 19.02. – 21.02.24 gab es in Berlin Mahnwachen für die sofortige Freilassung von Julian Assange. Gabi Schade war am 20.02.24 vor Ort und schildert in diesem Beitrag ihre Gedanken.

Heute ist der 20.Februar 2024. Am heutigen und morgigen Tag findet in London am Royal Courts of Justice die entscheidende Anhörung im Fall Julian Assange statt. Zwei Richter werden entscheiden, ob er weitere Rechtsmittel in Großbritannien einlegen darf. Sollte dagegen entschieden werden, wird es aller Wahrscheinlichkeit nach eine Auslieferung in die USA geben. Dort drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft. Im Januar 2021 war die Auslieferung von dem Londoner Gericht abgelehnt worden.

In Berlin findet vom 19. – 21.2.2024 eine Mahnwache am Brandenburger Tor direkt am Pariser Platz vor der US-Botschaft statt. Da ich schon seit Jahren das Schicksal von Julian Assange verfolge, mache ich mich auf den Weg dorthin. Am heutigen Tag soll eine Menschenkette gebildet werden. In der Bahn lese ich in einem Artikel, dass er aus gesundheitlichen Gründen bei der Anhörung nicht anwesend sein kann. Mir läuft es eiskalt den Rücken herunter, denn der ehemalige UN-Sonderbeauftragte für Folter Nils Melzer hatte im Mai 2019 Julian Assange im Gefängnis besucht. Er berichtete seinerzeit, dass dieser psychischer Folter und isolierten Haftverhältnissen ausgesetzt sei [1]. Das ist jetzt fast fünf Jahre her.

Dann lese ich den Brief seiner Mutter zu seinem 50.Geburtstag, der mich sehr berührt. Sie schreibt darin von den Schmerzen bei der Geburt, welche aber schnell vergessen waren, als sie ihren wunderschönen Sohn in den Armen hielt. Die Schmerzen der letzten Jahre, in denen sie um ihren Sohn bangen musste, seien um ein Vielfaches schlimmer. Auch ich habe zwei Söhne und mag mir nicht ausmalen, wie sehr diese Frau leiden muss.

Bei einer kurzen Erledigung in einem Geschäft höre ich, dass im Radio von der Gerichtsverhandlung berichtet wird. Das erstaunt mich doch sehr, in den Mainstreammedien davon zu hören. Als ich dann die Treppe am S-Bahnhof Brandenburger Tor hinauf gehe, hoffe ich sehr auf viele Menschen zu treffen. Mein Blick geht gleich Richtung US-Botschaft (Bild 1). Dort beginnt die Menschenkette mit einem großen Banner mit der Aufschrift „FREE ASSANGE“. Sie geht die Straße Unter den Linden entlang und es haben sich ungefähr 400 Menschen eingereiht (Bild 2).

Bild 1
Bild 2

Sie skandieren „Free Assange ! Journalismus ist kein Verbrechen !“ und „Lasst ihn frei ! Sofort !“. Auf dem Pariser Platz sind Informationsstände und viele Transparente ausgelegt (Bilder 3,4,5).

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Bild 4
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Der Assange-Truck befand sich auf der anderen Seite des Brandenburger Tores (Bilder 6). Neben einem Stand, an dem man sich die Quadratmetergröße der Zelle im Belmarsh-Gefängnis ansehen kann (Bild 7), sind mehrere Meter Wäscheleine mit gelben Bändern geschmückt (Bilder 8+9). Darauf geschrieben sind Wünsche von vielen Menschen für Julian Assange. Auch gibt es einen schwarzen Anhänger in der Größe der Gefängniszelle inklusive der Einrichtung bestehend aus einem schmalen Bett, einem kleinen Tisch mit Stuhl und einer Toilette (Bilder 10+11). Die Vorstellung so über Jahre eingepfercht zu sein, ist sehr erdrückend. Vereinzelt komme ich mit Menschen ins Gespräch. Die meisten sind sehr ernst. Auf meine Frage, was sie denken, wie die Verhandlung für Julian Assage ausgeht, antworten die meisten, dass sie eigentlich Optimisten seien, aber in diesem Fall ihre Bedenken haben.

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Bild 7
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Die Menschenkette wird dann am unteren Ende aufgelöst und die Teilnehmer kommen in einer Schlange zum Pariser Platz zurückgelaufen und skandierten nochmals lautstark vor der US-Botschaft (12+13). Dann folgen noch Rede- und Musikbeiträge. Gegen 16.30 Uhr bedankte sich der Veranstalter bei allen Teilnehmern und beendete die Mahnwache für den heutigen Tag. Er gab den Hinweis an die Zuhörer bei den Nachrichten auf die Art der Berichterstattung von Julian Assange zu achten und einen Vergleich zu dem aktuellen Todesfall von Alexei Nawalny anzustellen. Es würde bei Letzterem emotional berichtet werden, was in der Vergangenheit bei Julian Assange nicht der Fall war. Das Schicksal seiner Familie fand nie Erwähnung in den Mainstreammedien.

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Am morgigen 21. Februar 2024 findet dann der letzte Tag der Mahnwache statt und es soll dann der Urteilsspruch dort verkündet werden. Hoffen wir alle, dass dieser zum Wohle Julian Assanges gesprochen wird.

Jeremy Corbyn, der frührere Chef der britischen Labourpartei, hat heute in einem Gespräch mit der Berliner Zeitung folgendes gesagt: „Wenn Julian Assange untergeht und in ein Hochsicherheitsgefängnis verschwindet, wird jeder Journalist weltweit zweimal überlegen, bevor er Geheimnisse des Militärs veröffentlicht.“ [2]

Jeden Freitag ab 12 Uhr finden sich Menschen vor der US-Botschaft ein, um für die Freilassung von Julian Assange zu demonstrieren. Informationen dazu findet man unter:

berlin4assange@protonmail.com
www.freeassange.eu
Insta:streetaction4freespeech
Telegram: @AssangeSupportBerlin
Text und Bilder: Gabi Schade

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[1] https://www.deutschlandfunk.de/un-sonderberichterstatter-zum-fall-assange-man-hat-mir-die-100.html
[2] https://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/wikileaks-gr%C3%BCnder-julian-assange-bei-entscheidender-anh%C3%B6rung-abwesend/ar-BB1iASxd