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Mit dem Autokorso zur Regionalversammlung

In Beetz soll ein nahegelegener Wald einem Windkraftprojekt weichen. Mit viel Herz und Leidenschaft stemmen sich Bürger dagegen. Die BF sprach mit Madeleine Gierschner von der IG gegen Windkraft im Wald über die Probleme, die Windräder nach sich ziehen, über die Aktionen ihrer Initiative und wie die Politik darauf reagiert.

BF: Am 27.06.2024 veranstalten Sie mit der Interessengemeinschaft gegen Windräder im Wald einen Autokorso von Neuruppin nach Kyritz. Warum sind Sie gegen Windräder im Wald?

Madeleine Gierschner: Die Antwort auf die Frage ist komplex – genauso komplex wie die Flora und Fauna des Waldes. Der Wald kühlt, das ist gut für’s Klima. Dieser Fakt ist wissenschaftlich längst bewiesen. Es ist völlig unverständlich, dass es bei der Vernichtung von Waldflächen für Windkraftanlagen wirklich um den Klimaschutz gehen soll.
Darüber hinaus sind natürlich auch viele schützenswerte Tierarten bedroht, in unserer Region übrigens auch der Rotmilan das Brandenburger Wappentier. Er findet bei uns immer weniger Horstplätze. Hr. Habeck setzt zur Zeit das Artenschutzgesetz für Windkraftanlagen außer Kraft. Die Folge ist, dass die Abstände zwischen den Anlagen und den Horsten immer geringer werden.
Die Windkraftanlagen werden zudem immer leistungsstärker. Mit der Leistung steigt in der Regel auch der Flächenbedarf. Dabei gilt es zu beachten, dass die Flächen um die Anlagen kontinuierlich frei und zugänglich bleiben müssen beispielsweise für große Kräne, die man zu Wartungszwecken benötigt. Die unmittelbar angrenzenden Bäume erfahren so einen zusätzlichen Trockenstress. Die Trockenheit wiederum erhöht auch die Waldbrandgefahr – wohlgemerkt zusätzlich zu der Gefahr, die von brennenden Windradteilen ausgehen kann.
Eigentlich verpflichtet uns der Green-Deal der EU dazu, zusätzliche Bäume zu pflanzen. Tatsächlich tun wir genau das Gegenteil. Wir haben auch die Sorge, dass Flächen, die einmal für die industrielle Nutzung umgewidmet wurden, nie wieder für neue Wälder zur Verfügung stehen.

BF: Richtet sich Ihr Protest gegen ein bestimmtes Windkraft-Projekt?

Madeleine Gierschner: Bei uns geht es um das Projekt Kremmen-Birkholz Grund West. Im Rahmen dieses Vorhabens sollen dort 5 große Windkraftanlagen mit einer Höhe von bis zu 270m entstehen. Dort wird viel Natur in Mitleidenschaft gezogen, viele Rotmilane und auch die Kraniche, die im Herbst im nahegelegenen Linumer Bruch rasten.

BF: Meinen Sie DEN Linumer Bruch, der jedes Jahr im Herbst zum Pilgerort für viele Ornithologen und Naturfreunde wird?

Madeleine Gierschner: Ja, genau den meine ich.

BF: Schauen Sie nur auf die Auswirkungen, die Windkraftanlagen in der Natur hinterlassen oder befassen Sie sich auch mit den Auswirkungen auf nahegelegene Siedlungen und den dort lebenden Menschen?

Madeleine Gierschner: Selbstverständlich geht es auch um die Menschen. Der betroffene Wald ist nicht nur Teil eines Naherholungsgebiets sondern auch Wasserschutz- und Trinkwasserschutzgebiet. In der Nähe liegen ein Hotel am See und die Sana-Kliniken. Neben den landschaftlichen Beeinträchtigungen fürchten Betroffene zurecht auch den Infraschall und seinen Einfluss auf den menschlichen Organismus. Hierzu gab es bereits eine Stellungnahme der Klinik und auch eine Info-Veranstaltung.

BF: Autokorsos zählen bereits zu den anspruchsvolleren Formen des Straßprotestes. Mit welchen Aktionsformen hat Ihre Initiative bereits Erfahrungen gesammelt?

Madeleine Gierschner: Die Aktion am 27.06.24 ist keineswegs unser erster Autokorso. Wie beim ersten Mal endet der Korso direkt vor der Regionalversammlung, die dieses Mal im Kulturhaus in Kyritz tagt und neue Windvorranggebiete billigen soll. Wir wollen dort mit möglichst vielen Mitstreitern lautstark präsent sein und auf unsere Anliegen aufmerksam
machen. Wir freuen uns, dass die Aktion von anderen Initiativen aus der Region unterstützt wird. Auch wenn es bei jedem um ein anderes lokales Windkraft-Projekt geht, haben wir meist doch die gleichen Ziele. Los geht es am 27.06.24 um 13.15 Uhr. Wir treffen uns um 12.45 Uhr am Hugo-Eckener-Ring in Neuruppin bevor wir dann im Korso nach Kyritz fahren.
Ansonsten findet man uns jeden Samstag von 11-12 Uhr zum offenen Kaffee-Klatsch in Beetz hinter dem Ortseingang (von Sommerfeld kommend). Die Aktion wird von den Bürgern sehr gut angenommen. Ein Sympathisant bringt uns inzwischen regelmäßig Quarkkeulchen. Für uns ist das eine gute Gelegenheit, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und die Probleme, die Windkraft im Wald nach sich zieht vorzustellen. Die meisten Menschen sind sich dessen gar nicht bewusst. Windkraft hat für sie ein sehr positives Image. Das ging mir genauso, bis ich begann, mich mit den Details zu befassen.
Natürlich beantworten wir vor Ort auch gerne die Fragen der Leute, die bei uns vorbeischauen. Viele wollen beispielsweise wissen, wo die Energie herkommen soll, wenn nicht überall Windkraftanlagen gebaut werden.

E-Mail: IG-gegen-windraeder-im-wald@web.de

BF: Und wie lautet ihre Antwort?

Madeleine Gierschner: Lassen Sie mich zunächst klarstellen, dass wir nicht generell gegen Windkraft sind. Das Problem ist, dass das Pferd hierzulande von der falschen Seite her aufgezäumt wird. Denn die Netze sind nach unserer Auffassung gar nicht geeignet, die geschaffenen Windkraftkapazitäten aufzunehmen. Manche Windräder stehen aus diesem Grund still teilweise sogar bis 2030. Das ist heute schon klar.
Für eine zuverlässige Stromversorgung brauchen wir einen gesunden Mix aus Photovoltaik, Windkraft, Gas, Kohle und Atomstrom.

BF: Wie haben Politik und Medien darauf reagiert?

Madeleine Gierschner: Gemischt. Unser Verhältnis zur MAZ in Oranienburg würde ich als schwierig beschreiben. Es gab zwar Artikel über uns. Sie fielen jedoch recht lieblos aus. Außerdem wurden viele Dinge einfach weggelassen. Mit der MAZ-Redaktion in Neuruppin läuft das deutlich besser. Ansonsten gab es noch einen kurzen Bericht im RBB über uns.
Lokale Politiker sind für uns durchaus ansprechbar. Das gleiche gilt auch für Landrat Tönnies und seinen Dezernenten Herrn Hamelow. Von ihnen erhielten wir wichtige Tipps für weitere Ansprechpartner.
Ganz wichtig ist natürlich für uns in Oberkrämer Bürgermeister Busse, denn wir haben in der Regionalversammlung kein echtes Rederecht und schon gar kein Vorschlagsrecht. Hr. Busse hat uns zugesichert nach alternativen Flächen für die Windkraftanlagen zu suchen. Dennoch fühlen wir uns von ihm ein wenig im Stich gelassen. Wir hatten erwartet, dass er zu dem Windkraftvorhaben eine Stellungnahme vom LFU (Landesamt für Umweltschutz) einholt.
Regelrecht enttäuscht sind wir von Dietmar Woidtke und Daniel Keller. Unsere Fragen haben sie beim Bürgerdialog in Wittstock zwar freundlich entgegengenommen. Aber bis heute haben wir trotz mehrfacher Erinnerungen keine Antworten erhalten.

BF: Man gewinnt den Eindruck, dass sich mit jedem neuen Windkraftprojekt auch eine lokale Initiative bildet, die dagegen ist. Wie sinnvoll ist dieser dezentrale und zersplitterte Protest? Stehen Sie mit anderen Gegenwind-Initiativen im Austausch?

Madeleine Gierschner: Jedes Projekt hat seine lokalen Besonderheiten. Insofern sind dezentrale Initiativen durchaus sinnvoll. Natürlich gibt es zwischen all diesen Initiativen viele Gemeinsamkeiten. Austausch und Vernetzung sind deshalb ebenso zweckmäßig. Wir haben uns Gegenwind Deutschland e. V. angeschlossen. In einem größeren Netzwerk lassen sich Synergien erschließen und beispielsweise größere Aktionen vor Ministerien in Potsdam besser planen.

BF: Das Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) verpflichtet die Brandenburger Landesregierung bis Ende 2027 1,8% bzw. bis Ende 2032 2,2% der Landesfläche für die Windenergienutzung auszuweisen. Sehen Sie Spielräume für die Regionalen Planungsgemeinschaften auf andere Flächen als die Wälder auszuweichen?

Madeleine Gierschner: Ja, wir sehen dieses Potenzial. Es gibt genügend Brachflächen, die dafür genutzt werden können. Es muss nicht zwingend der Wald sein. Dazu könnte man beispielsweise auf die Eigentümer zugehen und über einen Ankauf geeigneter Flächen verhandeln.

BF: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Jan Müggenburg für die Brandenburger Freiheit.

Fotos: Jan Müggenburg

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