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Protest wirkt: Sporthalle in Zehdenick nun doch für den Schulsport, Traglufthalle für 140 Flüchtlinge

Der Druck war einfach zu groß. Der Landkreis Oberhavel verzichtet auf die Unterbringung von Flüchtlingen in der Sporthalle am Wesendorfer Weg. Stattdessen werden die Flüchtlinge nun in einer noch zu errichtenden Traglufthalle untergebracht. Die für alle Seiten zufriedenstellend wirkende Lösung hat einen Haken: Sie ist extrem teuer und angesichts anhaltender Flüchtlingsströme auch nur ein kleiner Beitrag.

Am 25.08.23 zog der Landkreis Oberhavel die Reißleine. In einer Pressemitteilung [1] informierte er die Öffentlichkeit darüber, dass die vorübergehende Unterbringung von Flüchtlingen in der Schulsporthalle im Wesendorfer Weg in Zehdenick vom Tisch ist. Ihre Unterbringung soll nun in einer neu zu errichtenden Traglufthalle erfolgen.

Die Sporthalle steht damit wieder dem Schul- und Vereinssport zur Verfügung. „Das ist mir auch im Hinblick auf die vielen Sportstunden, die schon während der Coronapandemie ausfallen mussten, besonders wichtig“, erklärt Landrat Tönnies. Im Frühjahr befand Tönnies sogar: „Sporthallen zu nutzen, bleibt für uns weiter die letzte Option.“ [2].

Doch Traglufthallen dieser Art sind keine neue Erfindung. Somit stellt sich die Frage, warum Tönnies die Belegung von Sporthallen erst als letztes Mittel ansah, dann zu diesem Mittel griff und letztlich doch noch die Traglufthalle als Lösung aus dem Hut zauberte. Hier drängt sich der Verdacht auf, dass die Zehdenicker Bürgerproteste ihre Wirkung nicht verfehlt haben.

Am 13.07.2023 veranstaltete eine Zehdenicker Bürgerinitiative einen Bürgerdialog auf dem Gelände der ehemaligen Havelland-Grundschule. Die BF berichtete hier. Etwa 350 Bürgerinnen und Bürger kamen, doch Landrat und SVV-Vorsitzender Krüger blieben der Veranstaltung fern. Nur einen Tag später führte die AfD auf dem Zehdenicker Marktplatz eine Kundgebung durch. Auch hier bewegte sich die Teilnehmerzahl in ähnlicher Größenordnung. Hinzu kommen die anhaltend hohen Umfragewerte für die AfD auf allen Ebenen: Bund, Land und Kommunen.

Außerdem widmete die Initiative „Zehdenick steht auf“ ihre Kundgebungen am 31.07.23 und 14.08.23 dem Thema. Spätestens damit sollte dem politischen Establishment klar geworden sein, dass der Protest gegen die Zweckentfremdung der Sporthalle auf einer breiten Basis steht. Der Druck zu handeln war groß.

Die 50x40m große Traglufthalle kann bis zu 140 Menschen aufnehmen. Das vorliegende Konzept integriert bereits Küchen- und Sanitäranlagen und kann in nur 8 Wochen realisiert werden. Ein Standort für die Halle in Zehdenick muss allerdings noch gefunden werden [1].

Dennoch wird die Traglufthalle die Unterbringungsprobleme des Landkreises nicht substanziell lösen. Trotz reduzierter Prognose steht Oberhavel immer noch vor einem Aufnahmesoll von mehr als 1.300 Menschen für den Rest des laufenden Jahres. Bis Ende des Jahres entstehen in Oranienburg 50 weitere Plätze hinter dem Schloßpark. Bis Ende 2024 folgen insgesamt 300 weitere Plätze in Oranienburg-Eden und Lehnitz, 90 weitere Plätze Anfang 2025 in Marwitz. Das war’s. Zuwenig für die avisierten Flüchtlingszahlen.

In der Planung befinden sich Unterkünfte in Hohen-Schöpping und jetzt neu auch in Liebenwalde. In welchem Umfang dort Unterbringungsplätze entstehen und in welchem zeitlichen Rahmen sie realisiert werden, bleibt völlig unklar. Bis Ende 2024 wird das sicher nichts mehr.

Der Landkreis weiß, dass auch in den kommenden Jahren weitere Menschen kommen werden. Langfristig geht er offenbar von monatlich mehr als 150 Menschen aus, die untergebracht werden müssen [1]. Das ist mehr als eine Traglufthalle aufnehmen kann – wohlgemerkt pro Monat! Die Kosten für die Halle betragen übrigens 2,9 Mio. Euro! Und das sind nur die Kosten für ihre Errichtung. Im Falle der Zehdenicker Halle unterstützt das Land mit der Übernahme der Neben- und Bewirtschaftungskosten – „je nach der Belegung der Unterkunft und abhängig vom ausländerrechtlichen Status der zugewiesenen Bewohnerinnen und Bewohner“ [1].

Das wirft natürlich die Frage auf, welchen ausländerrechtlichen Status die in der Halle untergebrachten Menschen eigentlich haben. Erst Ende Juni informierte das Brandenburger Innenministerium darüber, dass Personen, die keine konkrete Aussicht auf einen Anspruch auf einen Aufenthaltstitel haben, nicht mehr weitergeleitet werden [3]. „Stattdessen verbleiben sie zukünftig in der Zuständigkeit der Zentralen Ausländerbehörde und werden an den Standorten der Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht und versorgt.“ [3]. Sofern Zehdenick Flüchtlinge aus dieser Gruppe aufnimmt, sollte der Landkreis nicht nur auf die anteilige Übernahme der Neben- und Bewirtschaftungskosten durch das Land pochen sondern auch auf seine Beteiligung an den Errichtungskosten bestehen.

[1] PM des Landkreises Oberhavel vom 25.08.23, „Unterbringung von Geflüchteten: Nutzung von Sporthallen vermeiden“, https://www.oberhavel.de/Quicknavigation/Startseite/Unterbringung-von-Gefl%C3%BCchteten-Nutzung-von-Sporthallen-vermeiden.php?object=tx,2244.1&ModID=7&FID=2244.90991.1
[2] PM des Landkreises Oberhavel vom 27.04.23, „Sichere Orte für geflüchtete Menschen“, abgerufen am 26.08.2023, https://www.oberhavel.de/Politik-und-Verwaltung/Verwaltungsstruktur/B%C3%BCro-des-Landrates/Presse-und-%C3%96ffentlichkeitsarbeit/Pressemitteilungen/index.php?ModID=255&object=tx%2C2244.1.1&La=1&NavID=2244.87&text=Sichere+Orte+f%FCr+gefl%FCchtete+Menschen&kat=1%2C&monat=&jahr=&kuo=1
[3] https://mik.brandenburg.de/mik/de/start/service/presse/pressemitteilungen/detail-pm-und-meldungen/~30-06-2023-brandenburg-stellt-verteilpraxis-von-fluechtlingen-um

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