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Rettet den Liepnitzwald

Im Landkreis Barnim wehrt sich eine Bürgerinitiative gegen die Abholzung ihres Waldes. Auf einer Fläche von 201ha soll der Wald neuen Windkraftanlagen weichen. ‚Unsinn!‘, sagen die Aktivisten und bitten ihre Mitbürger in Berlin und Brandenburg um Unterstützung.

Etwa 80 Teilnehmer trafen sich am 10.09.2023 in Lanke zu einem Spaziergang im nahegelegenen Wald. Doch trotz des angenehmen Ambientes war der Grund für die Zusammenkunft sehr ernst. Die Bürgerinitiative „Hände weg vom Liepnitzwald“ wollte auf die drohende Abholzung ihres Waldes aufmerksam machen. Hans-Jürgen Klemm, Sprecher der Initiative, führte noch auf dem Parkplatz in Lanke in die Problematik ein.

Das Anliegen der Initiative: Den Wald retten und mit Vernunft und Augenmaß in der Energiepolitik umsteuern. Mit einer Bauhöhe von bis zu 300m und unter Berücksichtigung der gegebenen Kurvenradien haben moderne Windräder einen Flächenbedarf von 1- 1,5ha. Zuviel finden Klemm und seiner Mitstreiter befreundeter Initiativen, die an diesem heißen Spätsommertag mit dabei sind.

Wenn Bäume, die selbst CO2 speichern, im Namen des Klimaschutzes den Windkraftanlagen weichen müssen, hat der Einsatz der Windkraft längst seine ursprüngliche Zielsetzung verlassen. Klemm rechnet den interessierten Zuhörern vor, wie viel CO2 eigentlich die Menschen am Tag ausstoßen und fragt, wann man uns wohl das Atmen verbieten wird. Die CO2-Einsparung ist zum Dogma geworden und die Windkraft zum Geschäft. Der neueste Trend: Repowering. Kleinere Windräder ohne Förderung werden abgerissen und durch größere Windkraftanlagen mit Förderung ersetzt.

Die Bürgerinitiative versteht sich grundsätzlich als überparteilich. Aus seinem Frust auf die Grünen macht Klemm aber kein Geheimnis. Für nur 7 moderne Windkraftanlagen muss eine Waldfläche weichen, die jener der Startbahn West am Frankfurter Flughafen entspricht. Die Proteste gegen die Startbahn West waren in den 70er und 80er Jahren ein starker Bezugspunkt für die deutsche Umweltbewegung. Die Grünen waren seinerzeit einer der wichtigsten Akteure darin.

Sprecher Klemm

Stolz verweist die Bürgerinitiative auf die aktuelle Fassung des Regionalplans Uckermark-Barnin. In seinem westlichen Teil weist er keine Windvorranggebiete mehr aus. Diesen Erfolg führt die Initiative auf ihre eigene Arbeit zurück. Doch aus ihrer Sicht bleibt noch viel zu tun.

Dabei läuft den Umweltschützern allerdings die Zeit davon. Der Regionalplan Uckermark-Barnim liegt seit Ende Juni vor [1], [2]. Stellungnahmen gegen den Plan können Bürger nur noch bis zum 09. Oktober 2023 abgeben. Die Stellungnahmen sind direkt an die Regionale Planungsgemeinschaft zu richten:

Regionale Planungsgemeinschaft Uckermark-Barnim
Paul-Wunderlich-Haus.
Am Markt 1
16225 Eberswalde

oder per E-Mail an beteiligung [at]uckermark-barnim.de.

Neben den angegebenen Quellen im Internet können die Planungsentwürfe auch in Papierform in der Planungsstelle der Regionalen Planungsgemeinschaft in Eberswalde und den Landratsämtern Uckermark und Barnim eingesehen werden. Dies ist auch außerhalb der Regelöffnungszeiten [1] möglich. Termine können telefonisch vereinbart werden.

Jeder kann Einwendungen gegen den Entwurf des Regionalplanes in Form einer Stellungnahme abgeben. Es ist nicht notwendig, Einwohner des Landkreises Uckermark oder Barnim zu sein. Welche Argumente dabei vorgetragen werden, ist jedem selbst überlassen. Neben dem Tierschutz wiegt sicherlich das Argument des Mischwaldcharakters im Liepnitzwald besonders schwer.

Revierförster Meier, der mit sachkundigen Hinweisen den Spaziergang am 10.09.23 begleitete, merkte dazu an, dass Laub- und Mischwälder besonders schützenswert sind. Dies sieht die Planungskommission in ihrem Umweltbericht übrigens genauso [3]. Meier wies darauf hin, dass bei der Bestandsaufnahme im Jahre 2002 nur der Oberstand erfasst wurde, der damals vor allem durch Nadelholz gekennzeichnet war. Der nachwachsende Mittel- und Unterstand (kleine und mittel-hohe Bäume) dominiert heute – 20 Jahre später – diesen Wald.

Schon früh erkannten die Förster die Probleme mit den Nadelhölzern. Gezielt förderten Sie den Wuchs von Laubbäumen. An einigen Stellen wurde sogar die gute alte Eiche angesät. Gerade sie trotzt mit ihrer langen Pfahlwurzel den trockener werdenden Böden. Das Ergebnis kann heute jeder Spaziergänger mit eigenen Augen sehen: Der Liepnitzwald hat sich längst in einen Mischwald verwandelt. Doch diese Entwicklung wurde offenbar von der Planungsgesellschaft nicht wahrgenommen. Daher sind Eingaben mit einem Hinweis auf diese Veränderung durchaus sinnvoll.

Ein Dilemma können aber auch die Naturschützer der Bürgerinitiative nicht auflösen. Gelingt ihnen die Rettung des Liepnitzwaldes, geraten zwangsläufig andere Waldgebiete in den Fokus. Denn statt der Ausweisung von Eignungsgebieten“ verpflichtet der Bund über das Wind-an-Land-Gesetz“ die Länder zur Ausweisung von ,,Vorranggebieten“. In diesen Gebieten soll die Nutzung von Windkraft nicht nur möglich sondern gegenüber anderen Nutzungsarten sogar bevorzugt werden [1].

Die gesetzlichen Vorgaben des Bundes verlangen, dass bis 2027 mind. 1,8 % der Regionsfläche bzw. bis 2032 sogar 2,2 % der Regionsfläche als Windvorranggebiete ausgewiesen sein müssen. Ministerpräsident Woidke bekräftigte diese Zielstellung kürzlich bei einem Bürgerdialog in Oranienburg und Wirtschaftsminister Steinbach ergänzte, dass die Nutzung aktuell bei 1,4% der Fläche liegt. Ein weiterer Ausbau und weitere Konflikte zwischen Planern und Naturschützern scheinen daher unausweichlich, zumindest solange der Bund seine Vorgaben nicht ändert.

[1] https://uckermark-barnim.de/was-wir-tun/plaene/integrierter-regionalplan-uckermark-barnim-entwurf-2023/
[2] https://uckermark-barnim.de/wp-content/uploads/RPG_UmBar_iRP_Entwurf_2023_Festlegungskarte.pdf
[3] https://uckermark-barnim.de/wp-content/uploads/SUP_iRP_UmBar_Entwurf_2023_Umweltbericht.pdf

Fotos und Text: Jan Müggenburg