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Vernunft im Umgang mit der Windkraft

Rainer Ebeling ist Mitglied im Bundesvorstand des Vereins Vernunftkraft e.V. und erklärter Windkraftkritiker. Im Interview mit der Brandenburger Freiheit beschreibt der Uckermärker die Gründe für das Scheitern der Volksinitiative „Rettet Brandenburg“, die Aussichten für einen neuen Anlauf und das angespannte Verhältnis des Vereins zu den Medien.

BF: Der Verein Vernunftkraft e.V. präsentiert sich als Dachverband kleinerer Vereine und Bürgerinitiativen? Welche Unterstützung erhalten Initiativen, die sich an Sie wenden?

Rainer Ebeling: Wir liefern vor allem fachliche Expertise rund um die Windkraft – insbesondere ihre ökologischen und ökonomischen Auswirkungen. Dabei leisten wir Unterstützung bei rechtlichen Fragen, z. B. wie man sich vor Ort wirksam gegen den Ausbau der Windkraft wehren kann oder auch im Umgang mit den Regionalplänen. Als gemeinnütziger Verein stellen wir natürlich auch Informationsmaterial zur Verfügung: unser Kompendium, Flyer oder die beliebte Broschüre „(K)eine Lizenz zum Geld drucken“, übrigens auch für Nicht-Mitglieder.
Das neue Habeck-Gesetz hat die Ausweisung zusätzlicher Flächen für die Windkraftnutzung zur Folge. Das führt zu viel Protest und Widerstand vor allem auch in den südlichen Bundesländern, die zuvor lange verschont geblieben sind. Gefühlt gründet sich dort in jeder Woche eine neue Bürgerinitiative. Die Nachfrage nach unseren Materialien ist deshalb aktuell sehr hoch.

Zur Person: Rainer Ebeling ist seit über 10 Jahren Windkraftkritiker und seit 2014 Mitglied und auch Vorstandsmitglied im Verein Vernunftkraft e.V. Ebeling ist in der Uckermark verwurzelt und Mitglied des dortigen Kreistages für BVB/Freie Wähler. Außerdem ist er gewählter Regionalrat in der Regionalversammlung der Planungsgemeinschaft Uckermark-Barnim.

BF: Bürgerinitiativen, die einen nahegelegenen Wald vor der Abholzung für Windräder retten wollen oder die schlicht mehr Abstand zwischen Windrädern und ihren Wohnorten herstellen wollen, finden sich fast in ganz Brandenburg. Trotzdem hat es für ein erfolgreiches Bürgerbegehren in 2016 nicht gereicht. Woran lag’s?

Rainer Ebeling: Dafür gibt es aus meiner Sicht vor allem zwei Gründe. Zum einen war die Einhaltung eines Mindestabstandes zwischen Windrädern und Siedlungen Gegenstand unserer Volksinitiative, dessen Auswirkung die wenigsten Menschen kennen. Rückblickend war dies taktisch wohl nicht die beste Entscheidung. Es klingt paradox, aber die Menschen lassen sich leichter begeistern, wenn es um den Schutz der Natur geht als um den Schutz der Menschen selbst.
Der zweite Grund ist zweifellos der massive Widerstand, den wir aus Politik und den Verwaltungen erfahren haben. Beispielsweise kam es in der Phase des Volksbegehrens vor, dass es in den Rathäusern keine Wegweiser zu den Räumen gab, in denen die Unterschriftenlisten auslagen.
Außerdem erhielten wir auch kaum Unterstützung von den Medien. Neben einem Pflichtbeitrag in „Brandenburg aktuell“ gab es noch eine Reportage im RBB über eine Aktion in Eberswalde, mit der wir während des Volksbegehrens Bürger zur Unterschrift animieren wollten. Es war aber unsere Abschlussaktion am letzten Tag des Volksbegehrens. Die Ausstrahlung des Beitrages hatte also auf seinen Ausgang keinen Effekt mehr.

BF: Sind Sie mit dem 3-stufigen Verfahren bis zum Volksentscheid in Brandenburg zufrieden? Oder würden Sie losgelöst vom Verfahrensgegenstand Verbesserungen vorschlagen?

Rainer Ebeling: Dazu habe ich ein ambivalentes Verhältnis. Einerseits mussten wir feststellen, dass für viele Bürger der Gang ins Rathaus eine hohe Hemmschwelle darstellt, wenn es darum geht, dort eine Unterstützerunterschrift während des Volksbegehrens zu leisten. Mit dieser Erfahrung im Hinterkopf neige ich zu einem 2-stufigen Verfahren wie in der Schweiz, wobei man auf die 2. Stufe, das Volksbegehren, verzichten kann. Allerdings zeigt das Beispiel der Schweiz auch, dass Menschen leicht manipulierbar sind. Einerseits dürfen die Hürden dementsprechend also nicht zu niedrig sein, andererseits sinken die Erfolgsaussichten damit dann auch.

Hier geht es zu den BF-Beiträgen zum Thema Direkte Demokratie in Brandenburg:

Teil 1: Volksentscheide, wie geht das?

Teil 2: Grenzen des Volksabstimmungsgesetzes

BF: Der Windkraftausbau schreitet voran und konfrontiert neue Kommunen mit der Abholzung ihrer Wälder oder großen Rotoren vor der eigenen Tür. Glauben Sie, dass die Zeit für einen neuen Anlauf zu einer Volksinitiative mit ähnlichen Zielen reif ist?

Rainer Ebeling: Das haben wir intern tatsächlich bereits diskutiert. Entschieden ist letztlich noch nichts. Allerdings ist der Aufwand für ehrenamtliche Akteure wie uns einfach sehr groß und der Mainstream macht solch ein Projekt trotz des aktuellen Zulaufs sehr schwer. Der Knackpunkt sind einfach die Medien.
Außerdem darf man nicht übersehen, dass die Stadtbevölkerung von diesen Maßnahmen zumindest nicht unmittelbar betroffen ist. Sie wird nicht ausreichend über die Folgen des Windkraftausbaus aufgeklärt und bleibt für uns nicht mobilisierbar.

BF: Wird das Thema des Windkraftausbaus – mit allen seinen Nachteilen – nach Ihrer Auffassung im Vorfeld der Kommunalwahlen und Landtagswahlen im kommenden Jahr eine wichtige Rolle spielen?

Rainer Ebeling: Energiepolitik ist wichtig, deshalb wird das Thema Windkraft eine Rolle spielen, aber ohne die Nachteile zu benennen.

BF: Mit dem neuen Windenergieflächenbedarfsgesetz engt der Bund die Handlungsspielräume von Landes- und Kommunalpolitikern ein. Für Brandenburg wird die Ausweisung von 1,8% der Fläche bis 2027 und von 2,2% der Fläche bis 2032 verlangt [1]. Lassen sich Ihre Ziele auf der kommunalen Ebene und der Landesebene überhaupt verwirklichen?

Rainer Ebeling: Schauen Sie, die Bürgerinitiative „Rettet die Uckermark“ ist vor einigen Jahren mit einem zweistelligen Ergebnis in den Kreistag eingezogen. Doch der Effekt auf Kreisebene in Sachen Windkraft blieb aus. Die Handlungsspielräume für die Kommunen sind nicht nur gering. Sie sind null.
In der Uckermark kommt noch hinzu, dass sie sehr SPD-lastig ist. In der Regionalversammlung hatte ich einst den Antrag gestellt, statt 2,2% nur 1,8% der Fläche für die Windkraftnutzung auszuweisen. Er wurde von SPD, Grünen und den Linken abgelehnt.

BF: Der Anteil der erneuerbaren Energien am deutschen Endenergieverbrauch lag 2022 bei 20,4% [2], der Anteil am Strommix betrug 46,2% [3]. Für die angestrebte Treibhausgasneutralität bis 2045 müsste dieser Anteil deutlich steigen. Gleichzeitig setzt die Bundesregierung auf mehr elektrische Verbraucher bei Mobilität und Heizung. Woher soll die elektrische Energie kommen, wenn man bei der Verwirklichung des Konzepts nicht auch mehr Windkraft ins Netz bringt?

Rainer Ebeling: Wenn man am Ziel der CO2 Reduzierung festhalten will, nützt Windkraft nichts, weil es schlicht keine geeigneten Speicher gibt. Um die Versorgungslücken von Wind und Sonne auszugleichen, benötigt man konventionelle Kraftwerke auf der Basis von Kohle und Gas. Mit Blick auf deren CO2-Emissionen sind CCS-Technologien zur CO2-Abscheidung die Lösung. Und natürlich benötigen wir die Kernkraft.

BF: Sie sind also ein Unterstützer der Kerntechnik?

Rainer Ebeling: Ja, und zwar Technologie-offen. Man wird bei der Lösung der Energieprobleme einfach nicht um die Kernkraft – in welcher Form auch immer – herumkommen. Kerntechnik ist eine Technologie mit der höchsten Energiedichte, an der weiter geforscht werden muss.

BF: Auf der Webseite Ihres Verbandes vernunftkraft.de finden sich verschiedene Stellungnahmen zu Medienberichten und auch offene Kritik insbesondere an den öffentlich-rechtlichen Medien. Fühlen Sie sich von den Medien falsch verstanden oder schon offen benachteiligt?

Rainer Ebeling: Unsere Positionen und führenden Persönlichkeiten werden vor allem von den überregionalen Medien abgelehnt. Während die Vertreter von Fridays For Future oder der Letzten Generation häufig in große Talkshows eingeladen werden, bekommen unsere Experten diese Gelegenheit nicht. Dabei können unsere klügsten Köpfe eine abgeschlossene Hochschulausbildung oder sogar eine erfolgreiche Promotion vorweisen. Die Vertreter der Letzten Generation fallen lediglich durch ihre spektakulären Aktionen auf. Dafür erhalten sie allerdings die volle Aufmerksamkeit der Medien.
Auf der regionalen Ebene sieht es etwas besser aus. Allerdings kann man auch hier nicht von Unterstützung reden. Mitte November feierten wir unser 10-jährigen Bestehen und luden zur Jahreshauptversammlung in Mühlhausen ein. Zu diesem Anlass verschickten wir eine Pressemitteilung an alle Thüringer Tageszeitungen. Nicht eine von ihnen erschien oder veröffentlichte einen Beitrag dazu.

BF: Vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Jan Müggenburg für die Brandenburger Freiheit.

[1] https://www.gesetze-im-internet.de/windbg/anlage.html
[2] https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/erneuerbare-energien/erneuerbare-energien-in-zahlen#ueberblick
[3] https://www.bundesregierung.de/breg-de/schwerpunkte/klimaschutz/faq-energiewende-2067498