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Einrichtungsbezogene Impfpflicht – Was hat sie gebracht?

Zu diesem Thema hat die BF Stellungnahmen von 15 der ingesamt 25 Brandenburger Bundestagsabgeordneten zusammentragen. Sie gehören 5 der 6 Fraktionen im 20. Deutschen Bundestag an. Manche Beiträge fielen erwartungsgemäß aus, andere überraschten.

„Welchen Effekt hatte nach Ihrer Auffassung die einrichtungsbezogene Impfpflicht? Würden Sie heute wieder so abstimmen wie am 10.12.2021?“

Mit diesen Fragen hat die BF-Redaktion Brandenburger Bundestagsabgeordnete konfrontiert. Konkret ging es um die Abstimmung über die Drucksachen 20/188 und 20/250. Lesen Sie nachfolgend nach Wahlkreisen geordnet eine Zusammenfassung der Stellungnahmen. Jeweils am Ende finden Sie einen Link zum vollen Beitrag.

056: Prignitz – Ostprignitz-Ruppin – Havelland I

Wiebke Papenbrock (SPD) sieht aktuell keine Notwendigkeit für solch eine Impfpflicht. Ihre Unterstützung für die einrichtungsbezogene Impfpflicht im Dezember 21 begründet sie mit „dem Schutz der älteren, besonders gefährdeten Menschen und all jener, die unter einer Immuninsuffizienz leiden“. Sie geht davon aus, dass „die Corona-Impfung nicht nur die Wahrscheinlichkeit einer eigenen Infektion und ggf. eines schweren Krankheitsverlaufs, sondern auch die Weitergabe einer Infektion“ verringert. Eine Quelle, die diese Auffassung stützt, führt sie nicht an. Allerdings räumt Papenbrock ein, dass „es immer neue Virusvarianten [gibt], die angepasste Impfstoffe erforderlich machen und damit die Ausgangsbedingungen für eine Impfpflicht erschweren“. Quelle.

057: Uckermark – Barnim I

Knapp fiel die Stellungnahme von Stefan Zierke (SPD) aus: „die einrichtungsbezogene Impfpflicht hat viele Menschen vor schweren Krankheitsverläufen und vor Todesfällen geschützt. Außerdem eine weitere Überlastung des Gesundheitssystems vermieden. Ich würde heute erneut für diese Impfpflicht abstimmen.“. Belege für seine Einschätzung führt Stefan Zierke nicht an. Quelle.

Jens Koeppen (CDU) geht leider nicht auf die Auswirkungen der Impfpflicht ein, bezieht aber in der Sache eine klare Position: „ich habe eine Impfpflicht – ob allgemein oder einrichtungsbezogen – immer strikt abgelehnt. Diese Position halte ich nach wie vor für richtig.“. Quelle.

Für Hannes Gnauck (AfD) war die einrichtungsbezogene Impfpflicht frei von jedem Nutzen. Gnauck kurz und knapp: „Ich lehne diese auch heute ab.“. Quelle.

Ganz wohl in seiner Haut hat sich Friedhelm Boginski (FDP) am 10.12.2021 offensichtlich nicht gefühlt. Er hat „nur unter großen Bedenken“ zugestimmt und „bezweifelte insbesondere die Durchsetzbarkeit des Gesetzes in der Praxis“. Freimütig gab Boginski an, dass er mit seiner Zustimmung, „die Handlungsfähigkeit der neuen Regierungskoalition“ sicherstellen wollte. Rückblickend sieht sich Friedhelm Boginski in seinen Befürchtungen bestätigt. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht zählt er zu jenen Schutzmaßnahmen, die unzweckmäßig und unverhältnismäßig waren. Von den politischen Entscheidungsträgern fordert er einen selbstkritischen Umgang mit den gewonnen Erkenntnissen und vom Bundesgesundheitsminister weitere Evaluationen. Quelle.

058: Oberhavel – Havelland II

Ganz glücklich ist Ariane Fäscher (SPD) mit ihrem Abstimmungsverhalten vom 10.12.21 offenbar nicht. „Es ist müßig, im Nachhinein nach dem Vorliegen von aktuellen Studienergebnissen, damalige Entscheidungen zu klassifizieren, die aufgrund einer anderen Wissensbasis erfolgten.“. Interessant: Fäscher verweist darauf, dass diese Abstimmung fraktionsgebunden war. Quelle.

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht war für Anke Domscheit-Berg (Die Linke) nicht ausreichend. Sie gehörte zu den zwei Abgeordneten der Linken, die zusammen mit Abgeordneten der Regierungsfraktionen den Gesetzentwurf für die allgemeine Impfpflicht einbrachten. Ein ungewöhnliches Engagement. Der Schutz der Bevölkerung (auch gegen den eigenen Willen), das Verhindern erneuter Schließungen von kulturellen und gastronomischen Einrichtungen sowie der Schutz besonders vulnerabler Gruppen waren dabei ihr Motiv. Kein Wort über Impfrisiken oder die Abwägung zwischen einer Impfpflicht und dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Quelle.

060: Brandenburg an der Havel – Potsdam-Mittelmark I – Havelland III – Teltow-Fläming I

Sonja Eichwede (SPD) läßt in ihrer Stellungnahme ein kollektivistisches Menschenbild erkennen. Im Zusammenhang mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht stellt sie klar: „Der Schutz der gefährdeten Personen stellt dabei ein überragendes Gemeinschaftsgut dar“. Ungeimpftes Personal war „als ein zusätzliches Risiko zu qualifizieren“. Eichwede stellt den Risiken der vulnerablen Gruppen die Risiken der Impfung selbst nicht gegenüber. Das Thema wird von ihr nicht einmal erwähnt. Auch wenn wir uns heute nach ihrer Einschätzung in einer anderen Infektionslage befinden, steht für Sonja Eichwede fest, dass sie bei einer Verschlechterung der Situation wieder für eine Impfpflicht stimmen würde. Quelle.

062: Dahme-Spreewald – Teltow-Fläming III – Oberspreewald-Lausitz I

Sylvia Lehmann (SPD) steht zu ihrer Entscheidung vom Dezember 2021 und beruft sich auf „zahlreiche Meldungen von verstorbenen Schutzbefohlenen, Ärztinnen und Ärzten oder Pflegenden“. Patienten, Pflegebedürftige sowie das medizinisch-pflegerische Personal sollten ausreichend vor Covid-19 geschützt sein zur Not eben auch gegen ihren Willen. Welchen Effekt die Impfpflicht erzielte, erfährt die Öffentlichkeit nicht. Das Auslaufen dieser Maßnahme begründet Lehmann mit einer veränderten Immunitätslage in Deutschland. Quelle.

Sich impfen zu lassen ist für Jana Schimke (CDU) „eine zutiefst persönliche Entscheidung und sollte nicht von staatlicher Seite erzwungen werden.“. Die Impfpflicht war nach ihrer Kenntnis „von Beginn an nicht administrierbar“. Rückblickend bemerkt Schimke kritisch: „Arbeitgeber wollten ihre Mitarbeiter nicht verlieren und Verwaltungen hatten kein Interesse, staatlicherseits Arbeitslosigkeit zu erzeugen. Deshalb wurde weitestgehend nichts unternommen, als lediglich Bürokratie zu produzieren. Daher würde ich immer wieder gegen eine einrichtungsbezogene Impfpflicht stimmen. Quelle.

Für Steffen Kotré (AfD) war klar, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht negative Auswirkungen auf die Patientenbetreuung haben würde, „da zahlreiche Krankenpfleger, die sich aus ganz individuellen Gründen nicht impfen lassen wollen, durch das Gesetz aus ihrem Beruf gedrängt werden“. Aus seiner Sicht grenzt „die Pflicht zur Corona-Impfung, deren Langzeitfolgen im menschlichen Körper bis heute nicht hinreichend bekannt sind,… an Körperverletzung“. Quelle.

064: Cottbus – Spree-Neiße

Auch Maja Wallstein (SPD) begründet ihre Unterstützung für die einrichtungsbezogene Impfpflicht mit dem Schutz vulnerabler Gruppen. Anders als die meisten ihrer Brandenburger Fraktionskollegen räumt sie aber ein, dass sich im Falle von Covid-19 „die Übertragbarkeit mit den bis heute verfügbaren Impfstoffen nicht verhindern“ läßt. Zu ihrer Rechtfertigung verweist Wallstein auf 2 Studien, denen zufolge eine Impfung „auch unter vorherrschender Zirkulation der Omikron-Variante die Übertragbarkeit der Infektion um etwa 6 bis 21 Prozent nach Grundimmunisierung und nach Auffrischungsimpfung um weitere 5 bis 20 Prozent reduziert.“. Lobenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Wallstein zur Begründung ihrer Auffassung überhaupt eine wissenschaftliche Quelle anführt – alles andere als eine Selbstverständlichkeit unter den abgegebenen Stellungnahmen. Der Veröffentlichungstermin Anfang 2022 macht jedoch auch klar, dass diese Studien keine Entscheidungsgrundlage für die Abstimmung Ende 2021 gewesen sein können. Maja Wallstein sieht in der aktuellen Situation einen besseren Immunschutz, bessere Therapiemöglichkeiten und eine Verbesserung bei der Einschätzung individueller Risikofaktoren. Einer Verlängerung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht hätte sie nicht zugestimmt. Quelle.

Für Christian Görke (Die Linke) ist die einrichtungsbezogene Impfpflicht ein echtes Reizthema: „Ich habe damals dieser unsinnige Inselregelung nicht zugestimmt (Enthaltung). Dass ausgerechnet nur die Menschen, die sowieso schon an vorderster Front die Pandemie bewältigt haben, mit dieser Pflicht belegt wurden, ist ein Unding. Lauterbach sollte eher darüber nachdenken, wie man diesen Menschen dankt. Und damit meine ich keinen Applaus, sondern eine deutlich bessere Bezahlung!“. Quelle.

065: Elbe-Elster – Oberspreewald-Lausitz II

Offen räumt Knut Abraham (CDU) ein, dass ihm die Entscheidung über die einrichtungsbezogene Impfpflicht außerordentlich schwer gefallen ist. „Die Schwere des Eingriffs in die Grundrechte der Beschäftigten auf die Waage zu legen mit dem Erhalt der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens machte notwendig, mich auf die Einschätzung von Experten sowie Gespräche mit Einrichtungen in meinem Wahlkreis zu stützen.“. Quelle.

Ohne Wahlkreiszuordnung

René Springer (AfD) nimmt für sich und die gesamte AfD-Fraktion in Anspruch, von Anfang an gegen die Einführung der allgemeinen sowie der einrichtungsbezogenen Impfpflicht gewesen zu sein. Mehr noch. In der Rückschau findet er, dass seine Fraktion in all ihren Argumenten richtig gelegen hat. Zu den Auswirkungen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht merkt Springer an, dass die parlamentarische Aufarbeitung noch läuft. Zum Umgang mit den betroffenen Beschäftigten äußert sich Springer entrüstet: „Erst Klatschen und hinterrücks die einrichtungsbezogenen [sic] Impfpflicht einführen – so etwas darf es nie wieder geben.“. Quelle.

Hinweis: Einige Abgeordnete sind für die BF auf dem sehr transparenten Weg der Befragung nicht erreichbar. Andere Abgeordnete hatten auch nach 4 Wochen bis zum Redaktionsschluss für diesen Beitrag nicht geantwortet.