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Ein Jahr nach Nordstream

Ein Jahr nach der Zerstörung des Mitteleuropäisch-Russischen Infrastrukturprojekts organisierte die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag eine Nachlese. Was ist über die Täter bekannt? Welche Motive müssen in Betracht gezogen werden? Und welchen Beitrag leistet eigentlich die Bundesregierung, um diesen Anschlag aufzuklären? Ein Bericht von Gabriele Schade.

So lautete der Titel der Veranstaltung, zu der der Arbeitskreis für Angelegenheiten der Europäischen Union der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag am 26. September 2023 in das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus geladen hatte. Matthias Moosdorf, MdB und Mitglied im Ausschuss für Auswärtiges und Angelegenheiten der EU, moderierte durch die ungefähr eineinhalb Stunden dauernde Veranstaltung. Die AfD war der Meinung, dass man dieses Ereignis nicht einfach übergehen kann und so kam es, dass anlässlich des ersten Jahrestages des Anschlages auf die Nordstream-Pipelines 1 und 2 der Abend diesem Thema gewidmet wurde. Es kamen Herr Prof. Dr. Harald Weyel, Steffen Kotré und Karsten Hilse zu Wort. Alle vier Redner sind Mitglieder des Bundestages (MdB). Nach den Redebeiträgen bestand die Möglichkeit, Fragen zu stellen.

In seiner Einführung wies Herr Moosdorf darauf hin, dass es sich bei dem Anschlag weder um einen reinen wirtschaftlichen, politischen oder militärischen Terrorakt handelt. Aus Sicht der AfD ist es ein Fehlen nationaler Würde. Deutschland hat es verlernt seine Interessen zu definieren und nur hier sei es möglich, dass solch ein Vorfall ein Jahr lang ungesühnt verstreichen kann. Vor vierzig Jahren gab es in der deutschen Regierung noch Politiker wie Helmut Schmidt, die im deutschen Interesse gesprochen und gehandelt haben. Das hat sich in den letzten Jahren verändert. Als Beispiel nannte er die Äußerung des amerikanische Präsidenten Joe Biden während einer Pressekonferenz im Weißen Haus Anfang Februar 2022 in Gegenwart des Bundeskanzlers Olaf Scholz. Biden äußerte damals, dass die USA alles tun werde, um Nordstream zu unterbrechen. Der deutsche Bundeskanzler nahm diese Aussage widerspruchs- und regungslos an; von nationaler Würde keine Spur. Herr Moosdorf führte dann kurz die drei Szenarien aus, welche uns bis dato für die Sprengung präsentiert wurden.:

  1. Russland war es! Das war die erste Reaktion unmittelbar nach den Explosionen. Für Olaf Scholz (SPD), Herrn Roderich-Kiesewetter (CDU) und Frau Strack-Zimmermann (FDP) kam nur diese Option in Frage [1]. Da dies aber bedeuten würde, dass Russland sein eigenes Infrastrukturprojekt zerstört, macht es keinen Sinn.
  2. Der Anfang Februar 2023 von dem angesehenen Investigativjournalisten Seymour Hersh veröffentlichte Bericht mit dem Inhalt, das es eine verdeckte militärische Operation mit Hilfe des US-Militärs und der norwegischen Marine gewesen sein muss…mit Wissen und auf Befehl des amerikanischen Präsidenten.
  3. Im März 2023 veröffentlichte der Spiegel [2] dann einen Artikel, in dem versucht wurde glaubwürdig nachzuweisen, dass mit einer alten Segeljacht mehrere Hobbytaucher den Anschlag verübt hätten. Man kam ihnen leicht auf die Spur, denn zufälligerweise lagen die Ausweise in der Kombüse auf dem Tisch. Später stellte sich heraus, dass diese gefälscht waren. Dabei gab es Hinweise, die in die Ukraine führten.

Im Oktober 2022 stellte u.a. die Fraktion Die Linke eine parlamentarische Anfrage zur Aufklärung.

Die wortwörtliche Antwort lautete: „Das Staatswohl der Geheimhaltung überwiegt das des parlamentarischen Informationsrechtes.“ Zwischenzeitlich wurde das erste Szenario ad acta gelegt und das dritte als das Wahrscheinlichste von der Bundesregierung und dem Spiegel präferiert [3]. Trotzdem wird dieses Land weiterhin von der EU und den USA im Krieg gegen Russland subventioniert. Dieses gehört nach Meinung Herrn Moosdorfs auf den Prüfstand. Er zieht folgendes Fazit: Es stellt sich die Frage nach einer strategischen Autonomie, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch bei der Wahl der Bündnispartner und bei der Ausrichtung wirklicher Souveränität.

Prof. Dr. Harald Weyel, MdB und Sprecher des Arbeitskreises für Angelegenheiten der EU, sprach zu Beginn seines Redebeitrages von einer Parallele zu 9/11 und einem ökonomischen „Impact“ [4]. Beide Pipelines wurden professionell gesprengt und dieses kann nach seiner Einschätzung nur mit militärischer Ausrüstung erfolgt sein. Interessanterweise wurde einen Tag nach der Sprengung am 27. September 2022 die Baltic-Pipe [5] eröffnet. Durch diese Pipeline wird norwegisches Erdgas über Dänemark nach Polen geleitet.

Prof. Dr. Harald Weyel, AfD

Drei Tage später am 29. September 2022 stellte Herr Prof. Dr. Weyel während der Tagung des EU-Ausschusses Angelegenheiten der EU die Frage nach einer angemessenen Reaktion an den virtuell zugeschalteten Bundeskanzler Olaf Scholz. Diese hätte nach dem Ermessen des AfD-Abgeordneten eine Abberufung der gesamten deutschen Marine an den Ort der Sprengung sein müssen, um als Industriestaat ernst genommen zu werden. Dazu war der deutsche Bundeskanzler aber nicht Willens und auch die Frage nach dem Verdacht, ob es vielleicht gute Freunde hätten gewesen sein können, wurde von Olaf Scholz weggelächelt.

Auch zu einer europäischen Angelegenheit wurde dieser Vorfall nicht, obwohl neben einem deutschen Privatkonzern es auch Anteilseigner aus den Niederlanden und Frankreich gibt. Die AfD reagierte am 8. Oktober 2022 mit einer Großdemo unter dem Motto: „Nordstream sichern, reparieren und in Betrieb nehmen“. Herr Weyel stellte die Frage, was denn eine EU, eine NATO und auch eine deutsche Bundesregierung wert seien, wenn sie mit solchen Handlungszwängen konfrontiert werden und kein Interesse an Aufklärung besteht? Er vergleicht die Reaktion mit dem Begriff der Duldungsstarre [6]. Neben Olaf Scholz im Februar 2022 bei der Pressekonferenz im Weißen Haus, gab es bereits in der Vergangenheit Politiker wie Joschka Fischer der 2005 zum Thema Deutschland im UN-Sicherheitsrat und auch Angela Merkel, die beim Abhören von Telefonaten durch befreundete Geheimdienste an deutscher Duldungsstarre gelitten haben. Am 15.3.2023 hat die AfD dann einen Antrag [7] in den Bundestag eingebracht, in dem ein Untersuchungsausschuss gefordert wird. Die AfD datiert dort den Beginn der Sabotage der Nordstream-Pipelines in den Mai 2017. Denn zu diesem Zeitpunkt wurde durch einen US-Senator ein Sanktionsgesetz gegen die Pipelines in den US-Senat eingebracht. Unternehmen, Versicherungen sowie Schiffahrtsgesellschaften wurden darin Strafen angedroht, wenn sie Geschäftsverbindungen, welche im Zusammenhang mit Nordstream standen, eingehen oder beibehalten. Der damalige US-Präsident Donald Trump unterstützte dieses selbstverständlich [8]. Sigmar Gabriel bezeichnete dieses Vorgehen seinerzeit als völkerrechtswidrig. Nach Ansicht von Herrn Weyel muss in Deutschland eine Renormalisierung einkehren und die deutschen Wirtschafts-/ und Gesellschaftinteressen wieder in den Vordergrund rücken.Vor Jahren und Jahrzehnten wurden diese Interessen noch von deutschen führenden Politikern wie Schmidt und Strauß gegen die US-Gängelung und Sabotage geschützt. Auch Geheimdienste spielen hierbei eine Rolle. Herr Prof. Dr.Weyel bezeichnete die elf Jahre Laufzeit von Nordstream 1 als einzig sichtbare deutsche Realpolitik in dieser Zeit, subventioniert durch Russland. Das LNG-Gas, welches wir nun aus den USA erhalten, ist von der ökologischen Seite her bedenklich zu betrachten und wird uns für teures Geld verkauft.

Steffen Kotré, AfD (Mitte)

Der energiepolitische Sprecher der AfD und MdB Steffen Kotré weist zu Anfang in seinen Redebeitrag auf eine Äußerung eines deutschen Bundeswehroffiziers hin, welche dieser in einer Sitzung im Auswärtigen Ausschuss ein paar Wochen nach dem Anschlag tätigte. Die Aussage lautete sinngemäß: „Wir werden wahrscheinlich nie erfahren, wer es gewesen ist.“ Herr Kotré deutete diese Aussage als Vorbereitung, dass die Ermittlungen im Sande verlaufen werden. Für ihn sind die Indizien „erschlagend“, dass die USA mindestens Mittäter waren. Möglich macht dieses seines Erachtens die Tatsache, dass diese Regierung meilenweit von patriotischer Politik entfernt ist. Es wurde über Jahrzehnte ein Nährboden geschaffen, in welchem die eigenen Interessen nicht mehr vertreten wurden.

Dazu kommt das große Schweigen der Journalisten. Nach dem Bericht von Seymour Hersh müssten sich alle Journalisten auf den Weg machen dieses aufzuklären. Aber es ist kein Interesse dazu vorhanden. Weder von der Bundesregierung noch von deutschen Journalisten. Bereits vor Jahren gab es Aussagen von Politikern, die darauf hindeuteten, dass man sich vom russischen Erdgas verabschieden möchte. In der EU wurden vor drei Jahren Verträge gemacht, mehr LNG aus den USA zu importieren. Das Hauptproblem sieht er in der “weichsten“ Regierung seit Jahren und weist darauf hin, dass es nicht darauf ankommt, was andere machen, sondern was wir unterlassen. Deutschland wird vom Ausland belächelt und muss wieder souverän handeln, sonst wird es weiterhin wie ein Spielball behandelt werden. Er geht davon aus, dass die Russen weiterhin Gas liefern wollen, allein die Bundesregierung möchte dieses nicht. In der Regierung und im Parlament gibt es kaum noch vernünftige Stimmen, bis auf die Linken. Er befürchtet noch weitere Nebelkerzen in der nächsten Zeit und dass es keine formale Aufklärung in Bezug auf den Anschlag geben wird. Die Politik in Deutschland muss dahingehend geändert werden, dass wieder souverän gehandelt wird. Den Anschlag auf die Pipelines kann man als kleinen Weckruf sehen, wieder umzukehren. Deutschland hat aufgrund seiner Lage mitten in Europa eine große Verantwortung und muss seine Wirtschaft aufbauen und nicht einreißen. Die AfD möchte die patriotische Idee wieder in die Politik bringen.

Karsten Hilse, MdB und klimapolitischer Sprecher der AfD, sieht ebenso wie seine Vorredner kein Interesse der Bundesregierung an der Aufklärung der Sprengung. Er weist auf ein Sprichwort hin, in dem sich seiner Ansicht nach die Duldungsstarre und das Nichtvertreten eigener Interessen, widerspiegelt. Es lautet sinngemäß: „Wenn man sich wie ein Wurm verhält, dann muss man sich nicht wundern, wenn man getreten wird.“ Deutschland hat viele Jahre von dem zuverlässigen Lieferanten Russland gut und günstig gelebt. Dadurch konnten die Grünen ihr Hirngespinst von der Energiewende weiterführen, denn die Gaskraftwerke haben weiterhin für eine zuverlässige Grundlast gesorgt, was die erneuerbaren Energien nicht leisten können.

Karsten Hilse, AfD

Der deutschen Bevölkerung wird erzählt, dass durch die Einführung verschiedener Gesetze wie GEG und EEG, das Weltklima gerettet wird. Er hält die meisten grünen Politiker im Bereich der Naturwissenschaften für nicht ausreichend gebildet; wogegen andere, die diese Politik forcieren aus Böswilligkeit handeln. Frau Merkel hat bereits in ihrer Zeit als Umweltministerin [9] im Jahre 1997 davon gesprochen, dass Energie verknappt und verteuert werden muss. Die deutsche Industrie wurde in den letzten Jahren aufgrund vieler absurder Maßnahmen immer weniger konkurrenzfähig. Wenn die deutsche Regierung eine vernünftige Energiepolitik machen würde, gäbe es auch keine Abwanderungen ins Ausland wie z.B in die USA. Dorthin werden deutsche Firmen durch den Inflation Reduction Act [10] gelockt. Einige Zeit vor der Sprengung wurde regelmäßig öffentlich davon gesprochen, dass man kein Erdgas mehr aus Russland beziehen möchte. Dem gab Russland nach und stellte dann die Lieferungen ein. Allerdings stieg der Druck dahingehend, dass man doch irgendwann die Lieferungen wieder aufnehmen musste. Das wurde mit der Sprengung beendet. Damit die Leitungen nie wieder repariert werden können, wurde das Energiesicherungsgesetz [11] geändert. So wurde verhindert, dass 50 km auf Rügen lagernde Pipelineröhren nicht zur Reparatur verwendet werden konnten, sondern stattdessen hätten enteignet werden können. Der Bundestagsabgeordnete der SPD Bergt Bengt hat sich dafür besonders eingesetzt. Zitat: „Mit diesem Gesetz müssen wir auf irgendeine Art und Weise diese Röhren in unseren Besitz bringen.“ Diese wurden nunmehr in diesem Jahr von der Bundesrepublik gekauft. Nach Ansicht von Herrn Hilse ging schon immer darum, diese Lieferungen zu unterbinden und uns das teure Frackinggas aus den USA zu verkaufen. Deutschland und seine Bevölkerung sollen ausgeplündert werden und als Konkurrenten auf dem Weltmarkt ausgeschaltet werden.

Nach den Redebeiträgen der vier Bundestagsabgeordneten bestand die Möglichkeit Fragen zu stellen, wovon auch rege Gebrauch gemacht wurde. Die gesamte Veranstaltung wurde aufgezeichnet. Im Youtube-Kanal der AfD-Fraktion Bundestag ist sie veröffentlicht worden [12].

Titelfoto: Gabriele Schade, alle übrigen Bilder mit freundlicher Genehmigung der AfD-Bundestagsfraktion

[1] https://www.rnd.de/wirtschaft/nord-stream-sabotage-bundestagsabgeordnete-vermuten-urheberschaft-in-russland-6KO6KWMUGZDAVGF24W7SLOV7HA.html
[2] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/nord-stream-explosionen-bundesanwaltschaft-liess-verdaechtiges-schiff-im-januar-durchsuchen-a-ac988534-ac67-49ed-956b-e1f4d7bd85b8
[3] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/nord-stream-anschlag-expertengutachten-stuetzt-die-spur-zur-andromeda-a-761602f2-330e-4946-a145-65744ae1b156
[4] https://de.pons.com/%C3%BCbersetzung/englisch-deutsch/impact
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Baltic_Pipe
[6] https://www.duden.de/rechtschreibung/Duldungsstarre
[7] https://dserver.bundestag.de/btd/20/059/2005989.pdf
[8] https://www.tagesschau.de/ausland/trump-nord-stream-2-sanktionen-101.html
[9] https://www.t-online.de/nachhaltigkeit/id_91121858/klimabuch-von-1997-merkel-ist-an-den-eigenen-anspruechen-gescheitert.html
[10] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/zukunftsbranchen-deutsche-start-ups-koennten-in-die-usa-abwandern/28984370.html
[11] https://afdbundestag.de/karsten-hilse-bundesregierung-will-reparatur-von-nord-stream-2-verhindern/
[12] https://www.youtube.com/watch?v=re_Y8gVsSRs