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Bündnis Deutschland in Brandenburg: Interview mit dem Landesvorsitzenden Hans-Jürgen Klein

Bündnis Deutschland ist aktuell der Shooting-Star am deutschen Parteien-Himmel. Spätestens seit dem Bremer Wahlerfolg der „Bürger in Wut“ (BIW), die heute zu Bündnis Deutschland gehören, ist die noch junge Partei in aller Munde. Die Brandenburger Freiheit sprach mit dem Landesvorsitzenden über die Kernpositionen der Partei und ihre Verankerung in Brandenburg.

BF: Im liberal-konservativen und wirtschaftsfreundlichen Lager tummeln sich bereits eine Reihe von politischen Vereinigungen. Neben der AfD und der LKR sind dort auch auch die Werteunion und die Atlas-Initiative angesiedelt. Warum braucht die Bundesrepublik eine weitere Partei in diesem Teil des politischen Spektrums?

H.-J. Klein: Die von Ihnen oben aufgeführten Attribute „liberal-konservativ“ und „wirtschaftsfreundlich“ treffen am Ehesten auf die Werteunion zu, aber die Werteunion ist keine Partei, sondern ein Verein; alle Mitglieder der Werteunion sind Mitglieder bei der CDU. Innerhalb der CDU sind die Mitglieder der Werteunion eine kleine Minderheit, die von den anderen CDU-Mitgliedern argwöhnisch beobachtet wird. Den von Ihnen oben genannten Parteien fehlen insbesondere die liberalen Attribute. So gesehen füllt nur Bündnis Deutschland das liberal-konservative und wirtschaftsfreundliche politische Vakuum in Deutschland.

BF: Die LKR trägt die Begriffe „liberal“ und „konservativ“ sogar im Namen. Als Abspaltung von der AfD besteht fast zwangsläufig eine gewisse Nähe zwischen beiden Parteien. Die Werteunion gewinnt zudem immer mehr Eigenständigkeit. Einige Medien spekulieren bereits über eine Abspaltung von der CDU [1]. Ist da noch genug Platz für eine weitere Partei?

H.-J. Klein: Wäre die Werteunion eine eigenständige Partei, dann stünde sie uns wohl von allen dreien am nächsten. Tatsächlich haben viele unserer Mitglieder eine CDU-Vergangenheit.
Mit der LKR möchte ich uns ehrlich gesagt nicht vergleichen. Liberal-konservativ und wirtschaftsfreundlich – das sind markante Merkmale von Bündnis Deutschland. Wir stehen für bürgerlich-konservative Ideale und wollen das bürgerliche Element in den Vordergrund stellen.

BF: Wie viele Mitglieder hat der Landesverband? Fühlen Sie sich personell für die politische Arbeit gut gerüstet?

H.-J. Klein: Leider haben wir die Zahl von 100 Mitgliedern in Brandenburg noch nicht überschritten, aber wir werden nach der Urlaubsphase durch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit auf uns aufmerksam machen. Ein Teil der Mitglieder hat politische Vorerfahrung, die anderen verfügen aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit über sehr viel Fachexpertise. Wir sind also gut aufgestellt, benötigen aber das Wachstum, um noch mehr Experten in unseren Reihen zu haben und um die Arbeit auf mehr Schultern verteilen zu können.

BF: Aus welchen Parteien kommen die Mitglieder mit Vorerfahrung?

H.-J. Klein: Neben der bereits genannten Gruppe ehemaliger CDU-Mitglieder kommen relativ viele von der FDP. Dann folgt nach meiner Einschätzung bereits die Gruppe der Mitglieder ohne politische Vorerfahrung. Zu einem geringen Teil kommen unsere Mitglieder auch von den Freien Wählern und der SPD.

BF: Brandenburg steht vor einem echten Superwahljahr. Neben der Europawahl gibt es im kommenden Jahr auch die Landtagswahl und Kommunalwahlen. Treten Sie bei allen 3 Wahlen an?

H.-J. Klein: Wir werden definitiv an der Europawahl teilnehmen. Vermutlich werden wir nicht flächendeckend in allen Landkreisen und kreisfreien Städten antreten, weil sich hier leider die Mitgliederschwäche bemerkbar macht, aber es sollte in drei oder vier Landkreisen klappen. Natürlich ist es unser Ziel als Landesverband Brandenburg, an der Landtagswahl im Herbst teilzunehmen.

BF: Mit welchen Angeboten wollen Sie die Brandenburger überzeugen?

H.-J. Klein: Natürlich gibt es die klassischen Brandenburger Fachthemen, wie Bildung, Mobilität, Migration, Wirtschaft, die wir natürlich im Blick haben, hier ist die Gewichtung und die Verteilungsfrage der Grundaspekt, denn man kann den Euro nur einmal ausgeben. Darüber hinaus sind uns die „Soft-Themen“ „Gerechtigkeit“ und „Wertschätzung“ äußert wichtig, denn die meisten Brandenburger haben die Jahre 1990/91 und Folgejahre nicht in guter Erinnerung, (Biografiebruch, wirtschaftliche Unsicherheit, Neustart) und sie haben es trotzdem geschafft. Das muss endlich im Westen in der breiten Öffentlichkeit ankommen. Oder beispielsweise die Wertschätzung der Senioren für ihre Lebensleistung (viel Arbeit, wenig Freizeit, Zurückstecken zu Gunsten der Nachfahren).

BF: In der Außenpolitik setzen Sie auf Diplomatie statt Dogmatismus [2]. Bedeutet dies, dass Sie mit Blick auf den Ukraine-Konflikt Verhandlungen gegenüber Waffenlieferungen den Vorrang einräumen?

H.-J. Klein: Bei diesem Konflikt sind mehrere Ebenen zu differenzieren: 1. Krieg Russland gegen Ukraine, 2. Wirtschaftskrieg EU gegen Russland, 3. USA gegen Russland, USA möchten verhindern, dass Russland wieder eine Großmacht wird. Das kann noch weiter differenziert werden. In dieser Gemengelage findet nun eine äußerst dogmatische Außenpolitik statt. Die Rolle Deutschlands ist hier als marginal einzustufen. Diplomatie bedeutet hier konkret weiter Waffen zu liefern, denn wenn wir dies nicht mehr täten, dann würden wir innerhalb des westlichen Lagers Probleme bekommen, abgesehen vom Vertrauensverlust bis hin zu Sanktionen der EU und der USA gegen Deutschland.

BF: Sie plädieren also dafür, dass sich Deutschland der Hegemonie Washingtons und Brüssels unterordnet. Der IWF sieht Deutschland in seinem aktuellen Ausblick [3] unter den führenden Wirtschaftsnationen auf dem letzten Platz. Meinen Sie, dass der eingeschlagene Kurs dem Land gut tut?

H.-J. Klein: Wir sollten nicht übersehen, dass Deutschlands Mitgliedschaft in solch wichtigen Organisationen wie der Nato oder der EU dem Land über Jahrzehnte hinweg Sicherheit und Wohlstand gebracht hat.
Angesichts der Vorgeschichte des Ukraine-Krieges muss man anerkennen, dass Deutschland bereits seit langem Partei in diesem Konflikt ist. Der Begriff „marginal“ bezieht sich an dieser Stelle auf Deutschlands Potenzial, entscheidend zur Lösung des Konflikts beizutragen. Genau dieses Potenzial sehe ich nicht.

BF: Der EU werfen Sie vor, das Subsidiaritätsprinzip sträflich zu missachten und fordern, nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich zentralistisch zu entscheiden [3]. Ist die EU in dieser Hinsicht noch reformierbar?

H.-J. Klein: Wir orientieren uns hier an Charles de Gaulle „Europa der Vaterländer“. Wir möchten die EU nicht verlassen, wir sind auch für den EURO. Wir möchten nur das Subsidiaritätsprinzip umgesetzt wissen. Wir können dies politisch nur ändern, wenn die entsprechenden Mehrheitsverhältnisse im Europäischen Rat, Rat der EU, in der Kommission und EU-Parlament vorhanden sind.

BF: Bündnis Deutschland will die Sozialabgaben insbesondere für niedrige Einkommen senken. Für alle soll es mehr „Netto vom Brutto“ geben [2]. An welcher Stelle werden Sie den Rotstift ansetzen, um geringere Einnahmen bei Staat und Sozialversicherungen zu kompensieren?

H.-J. Klein: Mehr Netto vom Brutto macht natürlich nur Sinn, wenn der „Staat“ über kontinuierliches Wirtschaftswachstum steuerliche Mehreinnahmen generieren kann. Sicherlich muss man alle Haushalte auf den Prüfstand stellen, hier leistet der Rotstift sicherlich einen Beitrag zur Kompensation der Lücke, die „mehr Netto von Brutto“ verursachen könnte, aber das dürfte nicht ausreichen.

BF: … und konkret setzen Sie den Rotstift wo an?

H.-J. Klein: Wir folgen der Idee eines handlungsfähigen Minimalstaates. Folglich gehören alle Bundes- und Landeshaushalte auf den Prüfstand. Das gilt beispielsweise auch für die Entwicklungshilfen. Projekte einer feministischen Außenpolitik sollten nachweisen, dass sie dem jeweiligen Land auch wirklich helfen. Projekte ohne erkennbaren monetären Vorteil für das Land können gestrichen werden. Bei uns gehen sachorientierte Lösungen vor Ideologie.

BF: Beim Lesen Ihrer Kernpositionen zum Thema „Sozialpolitik“ [2] gewinnt man den Eindruck, dass Ihnen das Bürgergeld eher ein Dorn im Auge ist. Werden Sie in diesem Bereich kürzen?

H.-J. Klein: Bedürftigen muss geholfen werden im Sinne von „Hilfe zur Selbsthilfe“. Unser Problem sind jedoch fehlende Leistungsanreize. Der Abstand zu den Einkommen der arbeitenden Bevölkerung ist bei den Bürgergeldempfängern einfach zu gering.
Grundsätzlich stehen wir zum Bürgergeld. Unser aller Ziel muss es aber sein, dass Betroffene wieder in ein geregeltes Arbeitsverhältnis kommen.

BF: Die Corona-Krise gilt weithin als überwunden. Welche Lehren sollten politische Entscheidungsträger aus den zurückliegenden 3 Jahren ziehen?

H.-J. Klein: Ich interpretiere die Frage dahingehend, wie die Bundesregierung zukünftig auf Krisenlagen aller Rat reagieren sollte. Es muss eine permanente Institution geben, die auf Krisenlagen innerhalb kürzester Zeit kompetent reagieren kann, z.B. einen Nationalen Sicherheitsrat, mit einem fest definierten Instanzenzug. Kein Gerangel zwischen Ministerien und Bund und Länder etc. Keine „Räte“. „Wer viel fragt geht viel irr“. Der Bürger muss sich sicher sein, dass der „Staat“ die Sache im Griff hat.

BF: Hat der Staat nach Ihrer Auffassung Schwäche gezeigt? Falls ja, an welcher Stelle?

H.-J. Klein: Ja, der Staat hat Schwäche gezeigt. Verantwortliche Politiker und Experten haben in den Medien ein uneinheitliches Bild abgegeben. Zu viele Leute haben dort irgendetwas gesagt und sich dabei auch noch oft widersprochen. Dieser Zustand war m.E. unklaren Verantwortlichkeiten geschuldet.
Als Lehre hieraus sollten die Bund-Länder-Kompetenzen neu geregelt werden und das nicht nur bei Infektionslagen wie Corona sondern auch in anderen Bereichen wie beispielsweise im Katastrophenschutz und in der Bildung. Gerade in der Bildung gibt es bei den meisten Bürgern ein großes Bedürfnis, endlich zu einheitlichen Standards zu kommen, um Abschlüsse vergleichbar zu machen.

BF: Wenn Sie die Bund-Länder-Kompetenzen nach Ihren Vorstellung neu regeln könnten, würde dann unter dem Strich mehr oder weniger Zentralismus stehen?

H.-J. Klein: Etwas mehr Zentralismus wäre m.E. angezeigt.

BF: Waren die Eingriffe in die Grundrechte angemessen?

H.-J. Klein: Die Maßnahmen kamen m.E. zu spät, waren aber im Grunde angemessen.

BF: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Jan Müggenburg für die BF.

[1] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/maassen-cdu-ausschlussverfahren-werteunion-partei-gruendung-100.html
[2] https://buendnis-deutschland.de/programm/kernposition/
[3] https://www.imf.org/-/media/Files/Publications/WEO/2023/Update/July/English/text.ashx

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