You are currently viewing Oberhavel: Kein Signal für den Frieden

Oberhavel: Kein Signal für den Frieden

Trotz breiter Unterstützung für einen Kurswechsel in der Ukraine-Politik gibt es keine Mehrheit im Kreistag Oberhavel für eine gemeinsame Resolution. Parteipolitische Abgrenzung verhindert eine Einigung. CDU in Oberhavel agiert ohne klare Linie. Ein Bericht über die Kreistagsdebatte, die am 07.12.22 in Oranienburg stattfand.

Diplomatie als Mittel der Konfliktbewältigung im Ukraine-Krieg, Stopp von Waffenlieferungen in Krisengebiete und Stopp der Wirtschaftssanktionen gegen die russische Föderation – das waren die Forderungen der Bürgerinitiative Oberhavel-Steht-Auf an den Kreistag OHV. Die Abgeordneten sollten sich des Themas annehmen und der Bundesregierung einen Brief schreiben, ganz nach dem Vorbild der SVV Königs Wusterhausen [1]. Der Aufruf der Grundrechts- und Friedensaktivisten wurde von fast 1100 Bürgerinnen und Bürgern unterstützt.

Offene Briefe gegen den Regierungskurs im Ukraine-Konflikt erfreuen sich aktuell einer hohen Beliebtheit. Der Grund: mit vergleichsweise einfachen Mitteln lässt sich dadurch eine hohe Aufmerksamkeit in den Medien erzielen und damit natürlich auch Druck auf die Regierung in Berlin ausüben. Neben dem Beispiel aus Königs Wusterhausen sorgten auch die Briefe der SVV Guben [2] sowie des Zehdenicker Bürgermeisters [7] für Schlagzeilen.

Briefe von gewählten Gremien und Vertretern zeugen zudem auch von einer gewissen Geschlossenheit über Parteigrenzen hinweg. Sie hinterlassen einen anderen Eindruck als die Vielzahl von Kundgebungen und Demonstrationen, die es in ganz Brandenburg zu diesem Thema bereits gab. Gerade Oberhavel bot hierzu eine breite Palette von Beteiligungsmöglichkeiten bei Versammlungen. Neben den Montagsdemonstrationen von Oberhavel-Steht-Auf (18 Uhr Schloßplatz, Oranienburg) gab es auch Kundgebungen der AfD, der Linken und einen unabhängigen Autokorso von Unternehmern. Selbst die CDU-nahe Mittelstandsinitiative Oberhavel veranstaltete einen Autokorso. Die Anliegen werden also durchaus von einer Vielzahl gesellschaftlicher Gruppierungen getragen. Ein geschlossenes Auftreten aller für ein gemeinsames Ziel erschien bislang jedoch unmöglich.

Die vielen Aktionen waren jedoch nicht zu übersehen. Ein Beschluss des Kreistages gegen die Linie der Bundesregierung wäre den Anhängern des Kriegs- und Sanktionskurses mehr als nur ein Dorn im Auge. So kam es den Falken im Landkreis sehr gelegen, dass der Aufruf von Oberhavel-Steht-Auf als Petition eingeordnet wurde. Dies gestattete, das Anliegen eines offenen Briefes mit dem Verweis auf die Nicht-Zuständigkeit abzulehnen und zwar ohne inhaltliche Befassung.

Die Linke steigt in den Ring

Doch die Rechnung ging nicht auf. Denn die Linke brachte einen Antrag für solch einen Brief in den Kreistag ein. Ob der Aufruf der Bürgerinitiative dafür den Anstoß gab oder ob dies gänzlich aus eigenem Antrieb geschah, ist nicht bekannt. Gewisse Sympathien bei den Linken für das Anliegen der BI sind jedoch offensichtlich. So stimmte beispielsweise der Linke Lukas Lüdtke im Petitionsausschuss als Einziger dafür, dass sich der Kreistag inhaltlich mit dem Anliegen der Bürgerinitiative befasst. Diese Unterstützung hatten die Grundrechts- und Friedensaktivisten von der AfD nicht.

Unter dem Titel „Für Frieden, Diplomatie und Deeskalation“ beantragte Die Linke einen offenen Brief des Landkreises Oberhavel an die Bundesregierung zu senden [3]. Die Kernbotschaft:

„Wir möchten mit diesem Brief insbesondere daran erinnern, dass in Zeiten von Krise und Krieg Abrüstung, Diplomatie und Deeskalation ins Zentrum der politischen Strategie rücken müssen.“

Die weiteren Punkte des Entwurfes:

  • alle Bemühungen auf Friedensverhandlungen richten
  • Überprüfung der Funktionsweise bestehender Sanktionen
  • Aufrechterhaltung zivilgesellschaftlicher, kultureller & wissenschaftlicher Beziehungen mit Russland.
  • Abrüstung statt Aufrüstung
  • Keine Waffenlieferungen in Krisen- und Kriegsgebiete
  • Soziale und ökologische Sicherheit In die Zukunft und nicht in den Tod investieren

Lüdtke war es auch, der im Kreistag am Mittwoch den Antrag der Linken erläuterte und für Unterstützung warb. Er verwies darauf, dass der Krieg in der Ost-Ukraine nun schon 9 Jahre und nicht 9 Monate andauert – eine offene Anspielung auf die verkürzte Darstellung des Konflikts in den etablierten Medien. Und Lüdtke ging noch weiter. Er signalisierte Kompromissbereitschaft und forderte die anderen Fraktionen auf, Änderungsanträge zum eigenen Briefentwurf zu stellen. Lediglich die Kernbotschaft für eine „schnellst mögliche friedliche und diplomatische Lösung“ solle erhalten bleiben.

Doch über diese Brücke wollte die AfD-Fraktion nicht gehen. Ihr Fraktionsvorsitzender, Dr. Buchberger, warf den Linken eine mangelnde Gesprächsbereitschaft vor, um bereits im Vorfeld möglichst viele Abgeordnete für das Anliegen mit ins Boot zu holen. Einen Änderungsantrag brachte seine Fraktion nicht ein und lehnte den Entwurf der Linken in der eingereichten Fassung ab.

Und die anderen?

SPD, LGU und Tierschutzpartei machten sich erst gar nicht die Mühe, eine Stellungnahme abzugeben. Ebenso die CDU und das verwundert. Denn die CDU-nahe Mittelstandvereinigung hatte bereits Proteste zum Thema im Landkreis organisiert [4]. Ansprechpartner und Mitorganisator war dabei der CDU-Kreistagsabgeordnete Olaf Bechert. Als Redner trat bei der Abschlusskundgebung auch Frank Bommert auf [5]. Bommert fand zum Thema in der Vergangenheit schon einige Male deutliche Worte [6]. Als wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion und Kreistagsabgeordneter genießt er ein hohes Maß an medialer Aufmerksamkeit. Doch bei der Aussprache im Kreistag schwieg Bommert.

Der Grüne Reiner Merker kritisierte in einem emotionalen Redebeitrag, dass der Text das Leid der Ukrainer nicht erfasst. Außerdem bemängelte er die fehlende europäische Dimension in dem vorgelegten Entwurf. Thomas Bennühr von den Piraten blieb klar in seiner Position: „Das, was Ihr da macht, ist nicht in Ordnung!“ äußerte er knapp in Richtung der Fraktion Die Linke.

Fazit: die Spaltung funktioniert

Sowohl die Aussprache im Kreistag als auch das Versammlungsgeschehen in den Wochen davor zeigte, dass die schnelle Beilegung des Ukraine-Konflikts mit diplomatischen Mitteln in Oberhavel von einer breiten gesellschaftlichen Basis gewünscht wird. Doch parteipolitische Abgrenzung und die Scheu, auf einander zuzugehen, verhindern z. Zt. ein geschlossenes Handeln der verschiedenen Gruppen. Auf ein klares Zeichen für den Frieden aus Oberhavel werden die Menschen im Land weiter warten müssen.

[1] https://www.koenigs-wusterhausen.de/1024014/Offener-Brief-der-Stadtverordnetenversammlung-an-die-Bundesregierung
[2] https://www.niederlausitz-aktuell.de/spree-neisse/guben/216314/energiekrise-appell-der-gubener-stadtverordneten-an-bundesregierung.html
[3] https://www.oberhavel.de/buergerinfo/getfile.asp?id=70478&type=do
[4] https://www.facebook.com/search/top?q=cdu%20f%C3%BCrstenberg%2Fhavel
[5] https://www.maz-online.de/lokales/oberhavel/sternfahrt-nach-mildenberg-mittelstaendler-aus-oberhavel-protestieren-GXJ53SYL3S56TTF3ROWP4ESWBI.html
[6] https://www.eisenachonline.de/thueringen/die-menschen-und-die-betriebe-in-ostdeutschland-geraten-immer-sta%CC%88rker-in-existenzielle-bedra%CC%88ngnis-offener-brief-der-wirtschaftspolitischen-sprecher-der-cdu-landtagsfraktionen-der-ostdeu-114950
[7] https://www.maz-online.de/lokales/oberhavel/zehdenick/furcht-und-existenzangst-in-der-bevoelkerung-zehdenicks-buergermeister-schreibt-an-den-kanzler-und-DIJ7T3RQ3YH6POIZWQUZP54DVM.html