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Interview mit Tamir Al-Abadi (Freiheitsfunken Königs Wusterhausen)

Auf einer „Demo gegen rechts“ wurde der Brandenburger mit Migrationshintergrund attackiert. Wie es dazu kam, warum er überhaupt an der Versammlung teilnahm und wie die Brandenburger Demokratiebewegung darauf reagieren sollte, erörtert Al-Abadi im Gespräch mit der Brandenburger Freiheit.

BF: Am 03.02.24 wurden Sie auf einer sogen. „Demo gegen rechts“ attackiert. Warum haben Sie überhaupt an dieser Versammlung teilgenommen?

Tamir Al-Abadi: Offiziell handelte es sich nicht um eine „Demo gegen rechts“. Die Organisatoren riefen zu einer Demo und Kundgebung für Demokratie, Gleichberechtigung und Menschenwürde auf. Diese Werte teile ich. Insofern habe ich die Beiträge mit ehrlichem Interesse verfolgt. Natürlich wollte ich auch gern wissen, welche Klientel sich an dieser Versammlung beteiligt.
Allerdings war mein Besuch von dem Eindruck begleitet, dass sowohl die Organisatoren als auch die Teilnehmer jemanden wie mich als „rechts“ einordnen. Ich wollte schlicht wissen, ob dies zutrifft und mit wie viel Substanz dabei argumentiert wird.

BF: Ihr Widerspruch gegen die von einem Redner insinuierte Gleichsetzung von Björn Höcke mit Adolf Hitler führte letztlich zu Ihrem Ausschluss von der Versammlung. Warum halten Sie diesen Vergleich für ungerechtfertigt?

Tamir Al-Abadi: Dieser Moment war der traurige Tiefpunkt einer 20-minütigen Rede, in der vor allem Vergleiche zwischen der AfD und den Nationalsozialisten gezogen wurden. Als der Redner einen Grundrechtsentzug gem. Art. 18 ins Spiel brachte, um einen „Hitler 2.0, Adolf Höcke, zu stoppen“ – wie er es formulierte – war für mich eine rote Linie überschritten.
Man kann von Höcke halten, was man will, aber er ist kein Massenmörder und hat keine Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Dieser Vergleich ist in meinen Augen eine Verharmlosung der Shoah und anderer Verbrechen der Nationalsozialisten. Ich bin in West-Berlin aufgewachsen und meine Sozialisierung verbietet es mir, so etwas widerspruchslos hinzunehmen.

BF: Sie wollten also nicht provozieren?

Tamir Al-Abadi: Nein. Es ist förmlich aus mir herausgeplatzt. In diesem Moment dachte ich auch kein bisschen daran, dass ich in einer großen Menge aufgestachelter Menschen stand.

BF: Stehen Sie der AfD oder den politischen Ansichten von Höcke nahe?

Tamir Al-Abadi: Nachdem es auf das MDR-Sommerinterview im letzten Jahr ein breites Medienecho gab, begann ich mich mit der Person Björn Höcke zu beschäftigen. Neben einigen Videos über ihn zähle ich dazu auch meine Reise nach Oranienburg, wo er eine Rede hielt. In einigen Punkten liefert Höcke durchaus gute Argumente, z.B. zum Ende des Inklusionsmodells an den Schulen. Damit haben auch meine eigenen Kinder negative Erfahrungen gemacht.
Was die AfD anbelangt, so begrüße ich ihre Oppositionsrolle. Aus meiner Sicht ist sie die einzige ernstzunehmende Kraft, die bei verschiedenen Themen ein Gegengewicht zur Regierungspolitik schafft. Darüber hinaus teile ich verschiedene Ansichten, der Partei. Ein Mitglied bin ich jedoch nicht und ich habe auch nicht die Absicht, Mitglied zu werden.

BF: Ihr lautstarker Widerspruch war von einigen Tumulten begleitet. Gab es neben den „Hau ab“- und „Nazis raus“-Rufen auch physische Angriffe auf Sie?

Tamir Al-Abadi: Nein. Einige Ordner versuchten zwar, mich wegzuziehen, akzeptierten aber letztlich, dass ich nicht angefasst werden wollte. Insgesamt empfand ich die gesamte Situation als sehr brenzlig, da ich plötzlich von vielen Leuten mit hasserfüllten Augen umringt war, die auf mich einredeten.
In dieser Lage war es völlig kontraproduktiv, dass der Versammlungsleiter das Mikro ergriff und mit dem Verweis auf meine Rolle bei den Montagsdemos, die Stimmung noch weiter anheizte.

BF: Sie haben sich also von der Menge bedroht gefühlt?

Tamir Al-Abadi: Ja. Ich hatte zwar keine Angst, eine innere Stimme riet mir aber bereits, eine Schutzhaltung anzunehmen. Zum Glück wurde das nicht nötig, da zeitnah die Polizei erschien. Fünf oder sechs Polizisten begleiteten mich dann aus dem Versammlungsraum. Sie kannten mich noch von den Montagsdemonstrationen während der Corona-Zeit und wussten, dass ich nicht gewalttätig bin.
Letztlich erhielt ich eine Platzverweis mit der Begründung, dass die Polizei meine Sicherheit nicht mehr gewährleisten könne. Die Polizisten sahen also keine Gefahr in mir sondern stattdessen mich in Gefahr.

BF: In einem auf dem Telegram-Kanal der Freiheitsfunken veröffentlichten Video [1] wirkte die Situation recht aufgeladen. Auch anderen Orts erschienen die Demonstranten des Regierungslagers sehr entschlossen. Wie sollte die Brandenburger Demokratiebewegung aus Ihrer Sicht in dieser Phase agieren, damit es zu keiner Eskalation kommt?

Tamir Al-Abadi: Die aktuellen Versammlungen sind politisch gewollt und medial orchestriert. Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, eine Gegendemo anzumelden. Wir versuchen stattdessen mit den Teilnehmern ins Gespräch zu kommen und werden dazu am Montag auf unserer Montagsdemo eine Stellungnahme abgeben. Vielleicht findet sich ja auch jemand von der MAZ ein, der das aufnehmen und verbreiten will. Außerdem werde ich die Versammlungsbehörde um eine Stellungnahme bitten, denn mein Ausschluss von der Versammlungsbehörde ist m.E. unbegründet. Das Versammlungsrecht schränkt die Meinungsfreiheit nicht ein. Widerrede muss erlaubt sein. Die Vorstellung, dass alle Teilnehmer einer Versammlung die gleichen Ansichten vertreten müssen, ist zwar weit verbreitet aber falsch.
Darüber hinaus habe ich den Text des SPD-Redners abgetippt und an befreundete Anwälte geschickt. Mit Blick auf §130 StGB [Volksverhetzungsparagraph, Anm. d. Red.] behalte ich mir juristische Schritte vor.

BF: Sehen Sie eine Grundlage für Gespräche mit den Organisatoren der Versammlung vom Samstag?

Tamir Al-Abadi: Das ist schwierig. Der Versammlungsleiter hatte schon in der Corona-Zeit eine Gegendemo gegen eine unserer Versammlungen organisiert – wenngleich auch weniger erfolgreich. Er versammelte lediglich 12 Leute. Wir hatten uns auch schon in der Vergangenheit darum bemüht, mit der Linken ins Gespräch zu kommen. Aber das hat nicht funktioniert. Mit der SPD wird es wohl ähnlich laufen. Als Montagsdemonstrant wird man leider als Schmuddelkind der lokalen Politik angesehen.

BF: Ist die Auseinandersetzung mit den Protesten des Regierungslagers überhaupt angezeigt oder gilt es nicht in der jetzigen Phase andere Prioritäten zu setzen?

Tamir Al-Abadi: Wir müssen beides hinbekommen. Es sind Mitbürger, die an diesen Demonstrationen teilnehmen. Sie sollen sehen, dass es auch andere Meinungen gibt.
Darüber hinaus dürfen wir aber die Aufarbeitung der Corona-Zeit nicht vernachlässigen. Das Gleiche gilt auch für die politische Großwetterlage. Deutschland steuert immer deutlicher auf einen Krieg zu. Und nicht zuletzt sind da noch die Folgen der verfehlten Wirtschaftspolitik, die für alle immer sichtbarer werden.

BF: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Jan Müggenburg für die Brandenburger Freiheit.

[1] https://t.me/FreiheitsFUNKen_KW_LDS/1214